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[ Musterquartier ]

Prinz Eugen Park in München: Deutschlands größte Holzbau-Siedlung

Holzbau boomt, im urbanen Kontext ist er aber immer noch selten. Gebaute Überzeugungsarbeit leistete nun die Stadt München, die ein Drittel des Konversionsgebiets Prinz Eugen Park als „öko­logisches Musterquartier“ errichten ließ. Ein Besuch in Deutschlands größter Wohnsiedlung aus Holz

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Stolz auf Holz“ im Deutschen Architektenblatt 07.2021 erschienen.

Von Christoph Gunßer

Dass München einmal die größte Garnisonsstadt war, kommt ihr heute in der Stadtentwicklung zugute. Wo andere mühsam nachverdichten, kann die Stadt großzügig die einstigen Kasernen-Areale überplanen. Das geht jetzt schon eine Weile so, und am Wandel der verschiedenen Konversionsgebiete lässt sich manches über politische Prioritäten und den planerischen Zeitgeist ablesen.

Viel grün und lockere Bebauung

Der 30 Hektar große Prinz Eugen Park liegt im Norden Bogenhausens, eines sehr heterogen bebauten Viertels, wo es Einfamilienhausgebiete neben Zeilenbau und Hochhäusern gibt. Die Kaserne aus den Dreißigern, von der heute nur noch eine Schwimmhalle steht, bildete dazwischen eine Enklave mit wertvollem altem Baumbestand, und so sah die Stadtplanung hier nur eine Neubebauung von moderater Dichte vor. Den städtebaulichen Wettbewerb gewannen 2009 GSP Architekten mit Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten, München, mit einem im Vergleich zu bisherigen Kasernen-Planungen feingliedrigen Entwurf, der zu einem Rahmenplan für 1.800 Wohnungen samt Infrastruktur entwickelt wurde.

Heute würde man dichter bauen

Unter dem damaligen Oberbürgermeister Christian Ude galt eine Verdichtung noch als nicht zumutbar, und auch Anwohner setzten alle Hebel in Bewegung, um ein „Getto“ zu verhindern. Denn die „Münchener Mischung“ von hälftig gefördertem und hälftig frei finanziertem Wohnbau galt auch hier. So entstand ein eher locker bebautes, familienfreundliches Quartier mit viel Grün und wenig Verkehr. Kritiker bemängelten bald, dass auf das Areal leicht die doppelte Zahl an Wohnungen passen würde. Und tatsächlich wird die folgende Konversion, das Gelände der Bayern-Kaserne, derzeit erheblich dichter bebaut – ist doch der Druck auf dem Wohnungsmarkt inzwischen stark gewachsen.

Was ist nachhaltiger?

Was letztlich nachhaltiger ist, das effiziente Verdichten oder das durchgrünte Mischen mit eigentlich vorstädtischen Bauformen – darüber streiten ja seit vielen Jahren auch die Ökologen. Diskutiert wird, ob etwa eine zu hohe Dichte ohne nutzbare Freiräume zu mehr Stress, mehr Mobilität und damit mehr Umweltbelastung führt oder ob das locker durchgrünte Bauen allzu viele Bedürftige ausschließt und den Flächenfraß am Stadtrand antreibt.

Lageplan Prinz Eugen Park in München

Bauabschnitte und Architekturbüros


Geschosswohnungen, Stadthäuser, Atriumhäuser

Typologisch fügen sich im Prinz Eugen Park Cluster aus Geschosswohnungsbau, Stadt- und Atriumhäusern in eine weitläufige Parklandschaft. Der gewählte Name „Park“ ist hier einmal nicht bloßes Investoren-Geklingel, sondern Tatsache. Das Nebeneinander sehr unterschiedlicher Wohnformen und die sorgfältig ausgestalteten Schwellenbereiche (etwa im Bereich der zahlreichen Laubengänge) fördern den sozialen Frieden. Bedenkt man indes, dass allein der Baugrund bei den Planungen mit rund 4.000 Euro pro Quadratmeter zu Buche schlug, werden die Grenzen sparsamen Bauens in solch einem Kontext sichtbar.

Sympathie für Holzbau

Auch auf Gebäude-Ebene nahm die Stadt starken Einfluss auf die Planungen. Nachdem die Befragung „Perspektive München“ 2012 gezeigt hatte, dass die Bevölkerung große Sympathien für mehr Holzbau hegt, widmete man das südliche Drittel des Gebietes komplett einem Musterquartier in Holz. Planungs- und Bauausschuss besuchten 2013 erfolgreiche Vorbilder wie die City of Wood in Bad Aibling, aber auch Züricher Genossenschaftsquartiere. München will im Holzbau international führend werden.

Konzeptvergabe für 566 Wohnungen in Holz

Für die acht Baufelder mit 566 Wohnungen gab es 2016 die in der Landeshauptstadt inzwischen vorbildlich gehandhabte Konzeptvergabe (wobei vorab zwei Felder an städtische Wohnungsbaugesellschaften vergeben wurden). In dem zweistufigen Verfahren kamen vier Baugemeinschaften und zwei junge Genossenschaften zum Zuge.

Von Anfang an verfolgte das Planungsreferat mit einem weitgehenden Gestaltungsleitfaden und in der Folge mit der Nutzung von BIM einen integrierten Ansatz, der die architektonische und konstruktive Qualität der Bauten sichern sollte. Ein vierköpfiges Ratgebergremium stand den Planungsteams zur Seite. Mit der Feuerwehr stimmte man sich frühzeitig ab, sodass der Baustoff Holz im Quartier wie auch in den Innenräumen an vielen Stellen sichtbar bleiben konnte – auch in den 148 einkommensabhängig geförderten Mietwohnungen. Die überwiegende Zahl der Gebäude besteht aus Hybrid-Konstruktionen, um den Brand- und Schallschutz zu vereinfachen.

Harmonisches Ganzes mit sozialer Mischung

Durch die frühzeitige Abstimmung der Konzepte ist ein trotz seiner typologischen Vielfalt und sozialen Mischung harmonisches Ganzes entstanden. Sorgfältig gestaltete Freianlagen tun ein Übriges, um die zuweilen (vor allem im Geschosswohnungsbau) doch recht seriell gestalteten Baukörper zu verorten und die Anmutung von Baracken zu vermeiden. Das ist ein großer qualitativer Sprung gegenüber den Modellvorhaben der 1980er-Jahre, als der Freistaat die rationellen Holzbauweisen im sozialen Wohnungsbau testete. Die intensive Kooperation der beteiligten Bauherren und -träger hat offensichtlich funktioniert. Die Quartiersarbeit, die der Bewohnerschaft das Einleben erleichtern soll, ist professionell organisiert und hat das Quartier schon gut vernetzt. In jedem Baufeld gibt es einen Gemeinschaftsraum mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Fast alle Häuser haben große Dachterrassen für alle, wo zum Teil auch gegärtnert wird.

Fernwärme und zu viele Garagen

Leider nahm man im Laufe der ehrgeizigen, von der Stadt mit rund 13 Millionen Euro bezuschussten Planung vom ursprünglichen Plu​senergie-Konzept Abstand und schloss das Quartier an das Fernwärmenetz an, das derzeit noch von einem Kohlekraftwerk gespeist wird. Auch das aufwendig beworbene Mobilitätskonzept ist zwar volldigital und bietet vom Carsharing über den Lastenradverleih bis zur Quartierswerkstatt viel, doch dass so gut wie alle Gebäude auf einer Tiefgarage sitzen, verschlechtert nicht nur die ökologische Materialbilanz, die sonst penibel auf „Nawaros“ (nachwachsende Rohstoffe) achtete. Es wird auch den Abschied vom Auto erschweren. Dass die Garagen bislang großenteils leer stehen, könnte ein Indiz dafür sein, dass die Bewohnerschaft in dieser Beziehung schon weiter ist als die Planer.

Ein unabhängiges Monitoring der Benutzung durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt wird auch dies prüfen, doch ist die Wohnzufriedenheit offenbar sehr hoch. Das Pionierprojekt hilft hoffentlich, die Vorbehalte gegenüber dem verdichteten Holzbau, gerade bei Wohnungsbaugesellschaften, abzubauen.


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Buchtipp zum Prinz-Eugen-Park

Sabine Djahanschah, Annette Hafner, Arnim Seidel (Hg.)
DBU Bauband 4
Wohnquartier in Holz
Mustersiedlung in München
Edition Detail, 2020
120 Seiten, 49,90 Euro

 

 

Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Stadt bauen.

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