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[ Nachwuchs-Kolumne #197 ]

Werkstadt für klimagerechte Lehre 1/7: Politisieren im Studium

Am 1. März fand die erste "Werkstadt für klimagerechte Lehre" in Hannover statt. 45 Studierende diskutierten, wie die dringend nötige Transformation des Studiums gelingen kann. Fünf Forderungen kamen dabei heraus.

Eine Uhr, ein Spanngurt und das Modell eines runden Tisches.
Diese Werkzeuge für mehr klimagerechte Lehre sind für die Teilnehmer:innen die wichtigsten: Zeit für Engagement, ein Spanngurt zum Festzurren von Streitpunkten und ein flacher, runder Tisch zur Diskussion auf Augenhöhe.

Von Lorenz Hahnheiser

Um die Bauwende zu schaffen, brauchen wir eine konsequent klimagerechte Lehre. nexture+ lädt sieben Mal zu einer „Werkstadt“ ein, um die überfällige Transformation der Hochschulen strukturell zu beschleunigen. In meiner vorigen Kolumne habe ich beschrieben, wie nexture+ dieses große Vorhaben angeht.

In Hannover, der ersten Werkstadt, stand am 1. März die Perspektive der Studierenden im Fokus. Wie die Veranstalter:innen in der Einladung festhielten: „Klimagerechte Lehre wird vor allem von Studierenden eingefordert und erkämpft. In ganz Deutschland setzen sie sich für ein Umlernen der Berufspraxis ein. Sie stellen Anträge in Hochschulgremien, boykottieren Veranstaltungen oder organisieren sich ihren Lehrplan selbst. Wir wollen wissen, was sie politisiert und mit welchen Strategien sie ihren Standort in Bewegung versetzen.“

Streitkultur, Machtverhältnisse und mentale Kapazität

Die Gäste der Werkstadt thematisierten Form und Inhalt der Lehre. Beides sollte zur Disposition stehen: Progressive Lehre ist divers, so der Tenor. Es gilt, den Status quo des Bauens und die problematischen Muster vergangener Bauepochen zu überwinden. Nur wenn der Kanon der Stararchitekt:innen und deren Gebäude, ästhetische Ideale, internalisierte Diskriminierungen und Machtverhältnisse schon im Grundstudium hinterfragt werden, müssen Studierende den Master nicht mehr dazu nutzen, die eingefahrenen Denkweisen wieder zu verlernen. Außerdem war sich das Podium einig, dass die Form der Lehre entscheidend die mentalen Kapazitäten für den Wandel beeinflusst.

Erste Werkstadt: fünf Forderungen

Aus der Diskussion kristallisierten sich fünf Hauptforderungen heraus, die die Lehre vorantreiben sollen:

1. „Klimagerechtigkeit in der Lehre darf kein add-on bleiben, sie muss selbstverständlich sein!“

Insbesondere Pflichtveranstaltungen, so ein Fazit der Werkstadt, müssen klimagerechtes Planen und Bauen besonders gut vermitteln, weil diese alle Studierenden erreichen. Auf lange Sicht darf nicht davor zurückgeschreckt werden, das Landeshochschulgesetz zu ändern, um den Hochschulen diese Entwicklung einzuschreiben.

2. „Wagt fossilfreie Semester – Chaos inklusive!“

Wer heute studiert, muss spätestens 2050 klimaneutral bauen. Darum sollten Hochschulen das Experiment wagen, ihre Lehre ab sofort rigoros fossilfrei auszurichten. Auch wenn die Lehrenden noch nicht genau wissen, wie das funktionieren kann, sollten sie es gemeinsam mit den Studierenden erforschen.

3. „Demokratisiert die Lehre!“

Die Werkstadt fordert die Lehrenden auf, die Studierenden einzubinden, ihre Lehre zu diversifizieren und zugänglich zu machen. Wer bisher wenig Zugang zum Studium hat, muss abgeholt werden. Wer keinen Bock auf klimagerechtes Bauen und Planen hat, muss in den Diskurs einbezogen werden. Spannungen und Konflikte sollten in Kauf genommen werden. Lehrende sollten sich mehr Feedback als nur den Evaluationsbogen einholen und so Räume für Veränderung öffnen. Alle Akteur:innen der Hochschulen sollten deshalb regelmäßig an einem runden Tisch zusammenkommen und die Lehre diskutieren. Durch das Anstoßen von selbstständigem Denken können Lehrende ihre Module politisieren.

4. „Lehrt interdisziplinär – über die Planungsdisziplinen hinaus!“

Echte Interdisziplinarität ermöglicht Stadt- und Raumplaner:innen sowie Innen:Landschafts:Architekt:innen zu verstehen, welchen Einfluss Entwürfe haben und wie man sie im Detail nutzen kann, um sozialverträglich gegen die Klimakrise anzukämpfen. Das umfängliche Wissen, das hierbei von Nöten ist, erschließt sich nur, wenn wir Schnittmengen und gemeinsame Projekte mit den Geistes- und Naturwissenschaften bilden.

5. „Verbessert die mentale Gesundheit an euren Hochschulen!“

Die Teilnehmer:innen der ersten Werkstadt thematisierten die Voraussetzungen für eine gelingende Auseinandersetzung: Um sich politisieren und sich engagieren zu können, brauchen Studierende Zeit und Freiräume in der Lehre. Von Leistungsdruck getriebene Studierende werden kaum dazu befähigt, sich im Arbeitsleben vom fossilen System freizumachen. Der erste Schritt dagegen ist, herauszufinden, wie es den Studierenden geht.

Gruppenbild der Werkstadt in Hannover
Zu Gast waren Lene Hoppmann, Pascale Hermann, Lea Murbach (1. Reihe, 2.-4. v.l.) und Nils Spellenberg (4. Reihe, 3. v.l.) von Less:on, Sebastian Lederer von den A4F (3. Reihe, 4. v.l.) und Elena Spatz vom Chair of Unlearing (1. Reihe, 5. v.l.). Moderiert haben Teresa Immler und Lorenz Hahnheiser von nexture+ (1. Reihe, 6. und 7. v.l.). Foto: nexture+

Nächste Werkstadt, nächste Frage

Am 26. April findet in Berlin die nächste Werkstadt statt. Dort wird nexture+ mit Vertreter:innen aus Bundestag, Bundesbauministerium und der Bundesarchitektenkammer diskutieren. Die Leitfrage lautet dann: Wie können wir schon im Studium lernen, das System, in dem wir später planen und bauen, hin zur Klimagerechtigkeit zu entwickeln?

 

Lorenz Hahnheiser ist Co-Organisator und Co-Moderator der Reihe Werkstadt für klimagerechte Lehre.


Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, sammelte dann erste Bauerfahrungen und studiert nun im Master an der TU Berlin. Er engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+ und ist Beirat der Joanes Stiftung.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.

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