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[ Nachwuchs-Kolumne #132 ]

Die Verantwortung der Lehre für gute Architektur

Gesetzgeber, Bauindustrie, Architekt:innen: Wer trägt die Verantwortung dafür, dass gute Architektur geplant und gebaut wird? Eine Frage an alle, die im Bereich Architektur studieren und arbeiten

Ampel vor grauer Hausfassade mit der Aufschrift "Bonjour Tristesse"
Wenn die gebaute Welt trist erscheint, weisen alle die Verantwortung von sich und zeigen auf andere. Das prägnante Eckhaus von Alvaro Siza in Berlin-Kreuzberg hat dank des Graffitos aber eine gewisse Berühmtheit erlangt.

Von Johanna Naara Ziebart

Im Laufe des Studiums kommen viele Studierende in die Situation, dass sie Bestehendes hinterfragen und nach Lösungen in Form von eigenen Entwürfen suchen. Warum werden noch Einfamilienhäuser gebaut? Warum haben wir einen Wohnungsmangel? Warum ziehen ältere Menschen nicht aus ihren Häusern aus? Wie sieht eine lebenswerte Stadt aus? Wie kann man auf kleinerem Raum gut leben? Wie kann man bestehende Gebäude umnutzen, aufstocken, ausbauen? All diese Fragen sieht man immer wieder als Ausgangsposition einer Bachelor- oder Masterthesis in den verschiedenen Disziplinen der planenden Baubranche.

Auch die Lehre ist für gute Architektur verantwortlich

Wenn man sich mit Architektur beschäftigt, stellt man fest, dass sich die Verantwortung dafür auf etliche Schultern verteilt, Schultern aus der Politik, Industrie, Praxis und aus der Bildung. Der/die Architekt:in trägt für den Entwurf die Verantwortung; die Länder für die Regularien, die eingehalten werden müssen; die Bauämter für die Genehmigungen; die Industrie für die Qualität der Materialien, die verbaut werden dürfen; die Lehrenden für die Ausbildung der zukünftigen Akteure. Die Lehre ist hierbei in der Kette der Verantwortung mit das erste Glied, denn im Studium werden auch grundlegende Denkweisen und Haltungen vermittelt und je nach Hochschule Schwerpunkte gesetzt.

Kritik hilft, Verantwortung zu übernehmen

Dass diese Fragen schon seit einigen Jahrzenten regelmäßig gestellt werden, deutet darauf hin, dass erstens unsere gebaute Umwelt nicht mehr an unsere heutigen Bedürfnisse angepasst ist und zweitens, dieser Umstand auch noch nicht in der Lehre angekommen ist. Auch aus Gesprächen mit anderen angehenden Architekt:innen bei nexture+ weiß ich: Wir lernen an den Hochschulen bundesweit, dass die immer gleichen Architekt:innen anzustrebende Architektur schaffen, die wir angeblich nicht zu hinterfragen brauchen. Gleichzeitig bekommt der Nachwuchs die Verantwortung zugeschoben, zukünftig nachhaltig, klimapositiv, ressourcenschonend, CO2-arm, innovativ, sozial und selbstverständlich auch ästhetisch zu planen und zu bauen.

Mehr Architekturkritik im Studium!

Das passt nicht zusammen! Wir fangen an, zu hinterfragen. Ich habe gerade „Wohnkomplex“ von Niklas Maak gelesen und stellte fest, dass das Buch schon acht Jahre alt ist. Die Erkenntnisse, Fragen und kritischen Blicke auf Architektur, von denen Maak schreibt, hatte ich auch gegen Ende meines Studiums (2021/22). Warum wurde mir im Studium nichts davon vermittelt? Wäre es nicht sinnvoll, wenn Architekturkritik fester Bestandteil der Lehre wäre, wenn es einen ausgeprägten Architekturdiskurs gäbe und öffentlich über Architektur auch kritisch diskutiert würde? Wieso müssen immer wieder dieselben Fragen gestellt werden, wenn man schon längst an Lösungen arbeiten könnte und welcher Ort wäre dafür besser geeignet als eine Hochschule, in der man sich noch nicht an Regularien halten muss?


Johanna Naara Ziebart studiert Innenarchitektur an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe in Detmold und setzt sich auch bei nexture+ für Innenarchitektur ein.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.

1 Gedanke zu „Die Verantwortung der Lehre für gute Architektur

  1. Was Johanna Naara Ziebart in der Kolumne schreibt ist richtig und wichtig. Auch die Frage, warum verändert sich nur sehr wenig, sei es in der Lehre und / oder in dem was gebaut wird? Liegt es eventuell an der Eigenschaft von Architekten*Innen und Planern*Innen, die zu einem großen Teil sich selbst in dem Projekt verwirklichen wollen und die sonstigen Anforderungen an ein Projekt wie soziale Fragen, Einordnung oder auch Unterordnung in eine vorhandene Situation, ökologische Gesichtspunkte, Nachhaltigkeit und vieles mehr eher als lästig betrachten.
    Schaut man die Dokumentationen von Bauten kurz nach der Fertigstellung an, findet man in der Regel keine Menschen auf den Bildern. Sondern das „Kunst“-Werk steht im Vordergrund. Aber Menschen nutzen und leben in den Gebäuden, dafür wurden sie überwiegend gebaut. Wer hinterfragt die permanente Nachverdichtung in großen und kleinen Städten, wo doch diese in einem krassen Widerspruch zu der ständig steigenden Temperaturerhöhung der Stadt steht, da klimatische Ausgleichsräume immer weniger werden.

    Neben der planenden Disziplin, die nur noch zum Teil die Wohnquartiere und Stadträume im Sinne eines kritischen Diskurses bestimmen, sind es die Bauträger, die in unserem Land das Bauen bestimmen und zu einem großen Teil eine Bau-Un-Kultur verbreiten. Was zum Teil mit dem Begriff „Bauhaus“ verglichen wird sind immer wieder die gleichen „Schuhkartons“, die in der ganzen Republik verteilt werden. Es geht hier nur um Rendite, nicht um Qualität des Wohnens und einer Stadt des Gemeinwohls. Die Verkaufspreise von Eigentumswohnungen entsprechen i. d. R. nicht dem Gegenwert des Gekauften. Die Begründung, dass das Bauen so teuer sei, ist in der Regel eine faule Ausrede derer, die mit dem eigentlichen Bauen nichts zu tun haben. Es sind nicht nur die vielen Vorschriften, die an der Misere schuld sind. Wir haben natürlich viel zu viele und sie müssen sinnvoll reduziert werden. Es fehlt vielen an einem Fundament breit aufgestellter Bildung, die die Stadtplanung, -entwicklung, -sanierung, den Hochbau und die Freiraumplanung einschließlich der Landschaftsplanung mitbestimmen. Zukunftsfähige Konzepte werden nur noch in enger Zusammenarbeit aller Disziplinen einschließlich der Beteiligung der Betroffenen entstehen. Ansonsten „wurschteln“ wir so weiter. Man kann nur hoffen, dass sich viele an der Diskussion beteiligen. Die Lehre in der Hochschule ist sicherlich ein wichtiger Baustein für gut gebildete Planer*Innen. Gibt es an Hochschulen verschiedene planende Disziplinen, sollten gemeinsame Projekte angeboten werden, um für unterschiedlichste Anforderungen an die gebaute Umwelt sensibel zu werden. Studierende sind dafür fast immer offen. Nicht alle Professoren*Innen unterstützen diese Art der Lehre. Die Hochschule wird es alleine nicht schaffen. Da müssen noch mehr Menschen außerhalb der Hochschule überzeugt werden, die unsere gebaute Umwelt beeinflussen.

    Prof. Dipl.-Ing. Andreas Paul Landschaftsarchitekt
    Projektentwicklung + Nachhaltige Ortsentwicklung
    79410 Badenweiler + Sitz in Mainz

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