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[ Ratgeber ]

Schadstoffe in Gebäuden: beseitigen, entsorgen, sanieren

Welche Bauteile mit Asbest, Form­aldehyd, PCB und Co belastet sein können, wie man sie sicher beseitigt und wer Unterstützung bietet

Zwei Personen in Schutzanzügen entsorgen alte Asbestplatten
Die Entsorgung von Asbestbaustoffen darf nur durch behördlich zugelassene Fachbetriebe erfolgen.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Toxische Altlasten“ im Deutschen Architektenblatt 03.2023 erschienen.

Von Helmut Köttner und Volker Lehmkuhl

Bestandsgebäude bergen manche Überraschungen. Zu den ungeliebten gehören die Hinterlassenschaften der Bauchemie vergangener Jahrzehnte. Da die Beseitigung solcher Altlasten teuer werden kann, sollte bereits bei der Planung einer Sanierung das Gebäude hinsichtlich einer möglichen Schadstoffbelastung überprüft werden. Die Liste der heute als gesundheitsschädlich eingestuften chemischen Stoffe ist lang, doch einen Überblick, in welcher Zeit in etwa welche Produkte zum Einsatz kamen, vermittelt die Tabelle.

Baujahr

vor 1918

1919–1948

1949–1958

1959–1968

1969–1978

nach
1979

Belastete Bauteile

Asbestpappe an ­Heizkörperverkleidungen

     

X

X

bis circa 1982

Asbesthaltige ­Nachtspeicheröfen

   

X

X

X

 

Asbesthaltige Putze und Spachtelmassen

   

X

X

X

bis circa 1995

Trinkwasserrohre aus Blei

X

X

       

PAK-haltige Parkettkleber und Abdichtungen

   

X

X

   

PCB-haltige Dichtungsmassen

     

X

X

Verbot 1983

Schimmelpilz an Innen- und Außenwänden

X

X

X

X

X

X

Dacheindeckung oder Wandverkleidung aus Asbestzement

     

X

X

bis circa 1992

Chemischer Holzschutz im Dachstuhl (PCP, Lindan, DDT)

   

X

X

X

bis circa 1986, DDR bis 1988

Holzschutzmittel mit PCP, Lindan an Wand- und Deckenverkleidungen

     

X

X

bis circa 1978, Verbot 1986

Chloranisol-emittierende Bauteile (stark muffiger Geruch)

     

X

X

bis circa 1986

Potenziell krebserregende Dachdämmung mit künstlicher Mineralfaser

     

X

X

bis circa 1994

Stark formaldehydhaltige Spanplatten

     

X

X

bis circa 1986

Asbesthaltige Fußbodenbeläge

     

X

X

bis circa 1980

Quelle: Sentinel Haus Institut

Verdacht auf Schadstoffe in Gebäuden

Besteht der Verdacht auf Schadstoffe, empfiehlt sich ein schrittweises Vorgehen, um eine eventuelle Belastung beurteilen zu können und gleichzeitig den Aufwand für eine Untersuchung im Rahmen zu halten. So kostet eine erste Einschätzung anhand von Bauplänen und alten Rechnungen circa 300 bis 400 Euro. Diese beschreibt allerdings lediglich das potenzielle Risiko einer Belastung. Ist diese nicht auszuschließen, empfiehlt sich eine Vor-Ort-Begehung durch einen Experten (Beratungsstellen und Handlungshilfen siehe Infokästen unten), die schon exakte Anhaltspunkte für vorhandene Schadstoffe bietet. Dabei können dann auch Proben entnommen werden.

Was kostet eine Schadstoffuntersuchung?

Insgesamt ist hier mit Kosten ab etwa 1.000 Euro inklusive einer Raumluftprobe auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) und Formaldehyd zu rechnen. Kommen weitere Proben hinzu, zum Beispiel Materialproben auf Holzschutzmittel, steigt der Preis auf etwa 2.000 Euro und mehr. Die eigentliche Sanierung kann dann schnell einen fünfstelligen Betrag kosten. Für Käufer von Gebrauchtimmobilien ist deshalb eine rechtliche Absicherung im Kaufvertrag sinnvoll. Die Beprobung und Auswertung hat unbedingt nach den Vorgaben eines bei der Deutschen Akkreditierungsstelle (DAkkS) akkreditierten Prüfinstituts zu erfolgen, da im Falle eines Gerichtsverfahrens die Ergebnisse sonst nicht anerkannt werden.

Holzschutzmittel wird mit einem dicken Pinsel auf eine Holzwand aufgetragen
Die bis in die 1980er-Jahre verwendeten Holzschutzmittel, die im Außenbereich, im Dachstuhl und für Konstruktionshölzer eingesetzt wurden, enthielten unter anderem PCP, Lindan und DD.

Schadstoffe ausbauen oder abkapseln?

Sind Schadstoffe im Gebäude vorhanden, stellt sich in der Regel zuerst die Frage, ob man die belasteten Bauteile ausbauen oder besser vom Wohnraum abkapseln soll – zum Beispiel durch absperrende Anstriche oder diffusionsdichte Folien. Die Entscheidung darüber hängt von der Art und Höhe der Belastung und deren Bewertung durch Experten ab und bedingt qualifizierte Untersuchungen und Messungen.

Grundsätzlich ist ein Ausbau schadstoffbelasteter Materialien empfehlenswert, da zum Beispiel Absperrbeschichtungen selbst wieder Schadstoffe in das Gebäude einbringen ­können. Eine Entsorgung empfiehlt sich immer dann, wenn bei späteren Umbauten die Schadstoffe wieder freigesetzt werden könnten. Aber Patentrezepte gibt es leider nicht, die Gegebenheiten sind individuell zu untersuchen und zu bewerten. Ist zum Beispiel ein nicht begehbarer Dachraum mit alten Mineralfaserdämmstoffen gedämmt, bietet sich der Einbau einer zum Innenraum gelegenen Luftdichtheitsschicht an. Dadurch kann ein Eindringen der damals in den Dämmstoffen verwendeten lungengängigen Mineralfasern in den Wohnraum verhindert werden.

Insgesamt hängt die Entscheidung aber immer auch davon ab, wie nahe die Schadstoffquelle am Lebensraum liegt und wie hoch der bauliche und finanzielle Aufwand ihrer Beseitigung ist. Bei besonders schwerwiegenden Belastungen kann im Extremfall auch Abriss und Neubau eine Option sein. Ist die Immobilie von Schadstoffen befreit, liegt es nahe, für den „Wiederaufbau“ nach strengen Kriterien emissionsgeprüfte Bauprodukte zu verwenden. Diese sind zum Beispiel in der Datenbank des Sentinel Haus Instituts recherchierbar.

Alte Well-Asbestplatten auf Stapel
Bei der Entsorgung von Well-Asbestzementplatten und ähnlichen Bauelementen sind wichtige Regeln zu beachten.

Schadstoffhaltige Bauprodukte in der Übersicht

Um bei einer Begehung oder Begutachtung Anhaltspunkte für eine eventuelle Belastung zu haben, sind im Folgenden einige häufig vorkommende Schadstoffe beschrieben.

Asbest

Asbest wurde in Brandschutzprodukten verwendet, hier auch schwach gebunden als Spritzasbest, Asbestpappen oder -schnüre. Als zementgebundene Variante kam Asbest in Well-Asbestzement- und Fassaden-Platten (damalige „Eternit“-Produkte), in Bodenbelägen (Flex-Platten, Cushion-Vinyl) sowie vereinzelt in Bodenbelagsklebern zum Einsatz. Rissüberbrückende Putzsysteme und Spachtelmassen können ebenso in geringen Anteilen Asbest enthalten.

Zur Planung von Sanierungsarbeiten ist die „Leitlinie für die Asbesterkundung zur Vorbereitung von Arbeiten in und an älteren Gebäuden“ des Umweltbundesamtes (UBA) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (baua) hilfreich. Anhand der „Asbestrichtlinien“ der Bundesländer lässt sich die Notwendigkeit einer Sanierung einstufen. Bei den Arbeiten ist in jedem Fall die TRGS 519 „Asbest: Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten“ zu beachten, die die Vorgaben zur Entfernung oder Abkapselung der Schadstoffquellen definiert.

PCB (polychlorierte Biphenyle)

PCB sind vor allem in Fugendichtmassen enthalten (Thiokol). Weitere Anwendungsbereiche waren Flammschutzmittel, Anstriche sowie Kunststoffe mit PCB als Weichmacher. Gelegentlich sind Parkett- und Teppichfliesenkleber sowie Parkettfugenkitte mit PCB belastet.

In der Regel werden PCB-haltige Materialien beziehungsweise die belasteten Bauteile entfernt. In besonderen Situationen ist auch eine Maskierung möglich. Diese ist aber unter Umständen nicht dauerhaft erfolgreich. Gerade bei flächigen Belastungen wie PCB-haltigen Anstrichen oder Bodenbelagsklebern ist es empfehlenswert, die Materialien durch Abstemmen oder Abfräsen vollständig zu entfernen. Elastische Fugendichtmassen werden häufig vereist und anschließend ausgefräst. Zum Vorgehen und zur Einschätzung der Sanierungsnotwendigkeit sind die PCB-Richtlinien der Bundesländer zu beachten.

Holzschutzmittel

Holzschutzmittel enthielten früher PCP, Lindan, DDT, Pyrethroide. Damit belastete Bauteile finden sich daher bei Hölzern im Außenbereich, im Dachstuhl sowie in Konstruktionshölzern von Fertighäusern aus den 1960er- bis 1970er-Jahren wieder. In den 1970er- bis 1980er-Jahren wurden Holzschutz-Lasuren (Xyladecor) auch im Innenbereich auf sichtbaren Holzverkleidungen und Balken verwendet.

Die am häufigsten angewendete Sanierungsmethode ist auch hier die Entfernung der Schadstoffquellen. In besonderen Situationen ist auch eine Maskierung möglich. Diese ist aber unter Umständen nicht dauerhaft erfolgreich. Häufig handelt es sich bei den belasteten Flächen um Holzverkleidungen, die sich relativ einfach vollständig ausbauen lassen. Schwieriger wird es, wenn tragende Bauteile mit Holzschutzmitteln behandelt wurden. Hier ist zu prüfen, ob unter statischen Gesichtspunkten ein Abfräsen der belasteten Oberfläche möglich ist (meist circa ein bis zwei Millimeter) oder ob ein absperrender Anstrich sinnvoll ist. Zum Vorgehen und zur Einschätzung der Sanierungsnotwendigkeit sind die PCP-Richtlinien der Bundesländer zu beachten.

PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe)

PAK sind im Gebäude vor allem in teerhaltigen Produkten enthalten. Am bekanntesten sind teerhaltige (schwarze) Kleber für Parkette, aber auch schwarze Belagskleber unter Vinyl-Böden können betroffen sein. In Einzelfällen wurden im Wohnumfeld auch teerölimprägnierte Hölzer (sogenannte „Bahnschwellen“) verwendet. Häufig erkennt man diese Produkte an dem charakteristischen Teergeruch.

Ist eine Kernsanierung des Gebäudes geplant, muss die Schadstoffquelle vollständig entfernt werden. Dabei ist die TRGS 524 „Schutzmaßnahmen bei Tätigkeiten in kontaminierten Bereichen“ zu beachten. Gerade wenn ein PAK-belasteter Bodenbelagskleber noch zusätzlich Asbestfasern enthält, was oft in Klebeschichten unter Parkett oder Vinyl-Platten aus den 1960er-Jahren vorkommt, ist unbedingt auf ein staubarmes Sanierungsverfahren (zum Beispiel mit Spezialfräsen) zu achten. Soll der Bodenbelag erhalten bleiben, hilft die Anleitung „Sanierung PAK-haltiger Klebstoffe“ der BG Bau bei der Auswahl der geeigneten Maßnahmen.

Gestapelte Spanplatten
Spanplatten, die unter Verwendung von Harnstoff-Formaldehydharzen bis Mitte der 1980er-Jahre hergestellt wurden, können den Schadstoff bis heute ausdünsten.

Formaldehyd

Formaldehyd emittiert aus Baustoffen in die Raumluft, meist aus minderwertigen Holzwerkstoffen. Insbesondere Spanplatten, die unter Verwendung von Harnstoff-Formaldehydharzen hergestellt wurden, geben über Jahre hinweg Formaldehyd ab. Manche Fertighäuser aus den 1960er- bis 1970er-Jahren weisen aufgrund der verwendeten Spanplatten auch heute noch bedenkliche Konzentrationen von Formaldehyd auf.

Bei beweglichen Teilen wie Möbeln oder leicht zu entfernenden Einbauten ist die Entsorgung zu empfehlen. Bei großen Flächen oder tragenden Wänden sollte anhand von Raumluftuntersuchungen ein Sanierungskonzept erstellt werden. Hier reichen die möglichen Maßnahmen vom nachträglichen Einbau einer Lüftungsanlage über die teilweise Entfernung von belasteten Materialien bis hin zum vollständigen Rückbau in Extremfällen.

Dipl.-Geoökologe Helmut Köttner ist Umweltchemiker und Technischer Leiter des Sentinel Haus Instituts
Volker Lehmkuhl ist Fach­journalist für Bauen, Sanieren und erneuerbare Energien


Gesundheits­gefahren durch Schadstoffe in Gebäuden

Asbest

Feine Asbestfasern sind lungengängig und ­erhöhen das Risiko für Krebs­erkrankungen der Lunge, des ­Rippen- und des Bauchfells.

PCB (polychlorierte Biphenyle)

PCB werden in der Regel nur in geringsten Mengen auf­genommen, reichern sich aber sehr stark im Fettgewebe an. Die Kenntnisse zur Langzeit­wirkung von PCB auf das Hormon-, das Immun- und das zentrale Nervensystem sind bisher ­lückenhaft. Möglicherweise wirken ­polychlorierte Biphenyle darüber hinaus krebsfördernd.

Holzschutzmittel (PCP, Lindan, DDT, ­Pyrethroide)

Meist unspezifische ­Symptome wie Müdigkeit, Mattigkeit, verstärkte Infektanfälligkeit, Leistungs- und Konzentrations­schwächen, Kopfschmerzen und Übelkeit. Vereinzelt wurden auch Reaktionen besonders empfindlicher Personen bereits auf ­geringe Spuren von PCP beobachtet.

Formaldehyd

Reizung der Schleimhäute von Augen, Nase und Rachen. Auslösen von ­allergischen Reaktionen.

PAK (polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe)

Hist besonders die krebs­erzeugende Wirkung von Bedeutung. Der kanzerogene Effekt tritt überwiegend am Ort der Aufnahme auf. So ­erhöht sich nach Einatmen von PAK hauptsächlich das Lungenkrebs­risiko, nach Aufnahme über die Haut vor allem das Hautkrebsrisiko.


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Informationsstellen zur Schadstoffbeseitigung


Handlungshilfen und gesetzliche Vorgaben zur Schadstoffbeseitigung

 

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