
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wie beurteilt man eine gut ausgeführte VHF?“ im Deutschen Architektenblatt 04.2022 erschienen.
Interview: Marion Goldmann
Herr Winterfeld, Ihr Fachverband hat 2021 gleich drei neue Leitlinien herausgegeben. Gibt es nicht eigentlich schon genug Regeln? Oder sehen Sie Nachholbedarf bei vorgehängten hinterlüfteten Fassaden?
Welche bautechnischen Belange wir konkret aufgreifen, orientiert sich am Bedarf unserer Mitglieder, überwiegend Hersteller von Baustoffen und Bauteilen für vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF) und Fassadenfachverleger, aber auch Planer und Sachverständige. So haben wir festgestellt, dass bestimmte technische Regeln und Normen die Bauart der VHF nur teilweise aufgreifen.
Die Leitlinien, die zum Beispiel in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Normung, der Gerüstbauinnung oder der ITA Ingenieurgesellschaft für technische Akustik mbH erarbeitet wurden, schließen nun diese Lücken und bieten Architekten, Planern, Herstellern, Verarbeitern und Sachverständigen einen praxisnahen Handlungsleitfaden.

Welche baurechtliche Relevanz haben die Leitlinien?
Die FVHF-Leitlinien präzisieren, interpretieren und erweitern vorhandene technische Regeln, stellen sie verständlicher dar, erleichtern ihre Anwendung und dienen dem objektbezogenen Abstimmungs- und Planungsprozess sowie der fachgerechten Montage. Damit werden den am Bau Beteiligten Vorschläge an die Hand gegeben, um unklare bautechnische Belange zu lösen. Sofern sich die am Bau Beteiligten darauf verständigen, dass die Regeln der Leitlinien gelten sollen, müssen diese vertraglich vereinbart werden. Damit sind sie dann auch rechtsverbindlich festgelegt.
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Qualität und Beurteilung von VHF
VHF können ja gestalterisch ganz verschieden sein. Finden Sie da mit der neuen Leitlinie „Qualität und Beurteilung“ einheitliche Kriterien?
Es stand immer wieder zur Debatte: Wie beurteilt man eine gut ausgeführte VHF, wann ist das Erscheinungsbild beeinträchtigt und welche Abweichungen sind vertretbar? Die Leitlinie enthält nun Beurteilungskriterien, die berücksichtigen, dass es sich bei einer VHF um eine unter Baustellenbedingungen handwerklich erstellte Bauleistung handelt. Das heißt, anhand der festgelegten Merkmale lässt sich unter anderem ablesen, ob es sich um eine Bagatelle, eine hinnehmbare oder nicht hinnehmbare Beeinträchtigung handelt.
Welche Punkte sind bei der Beurteilung der Fassaden zu berücksichtigen?
Hierbei geht es um die richtige Definition von Oberflächenqualitäten und die Vereinbarung von Regelanforderungen und erhöhten Anforderungen an Toleranzen. Die hierfür maßgebliche DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau“ ist allerdings sehr allgemein gehalten. In Kooperation mit dem Deutschen Institut für Normung und aufbauend auf der DIN 18202 wurden die Toleranzwerte VHF-gerecht präzisiert und geeignete Beurteilungskriterien definiert. Die Leitlinie dient so auch der vertraglichen Vereinbarung, sofern Auftraggeber und Auftragnehmer dies wünschen.
FVHF-Leitlinie „Beurteilungsmethodik und Toleranzen von Vorgehängten Hinterlüfteten Fassaden (VHF)“
Die Schwerpunkte sind:
- Beurteilungskriterien und Grundbedingungen für eine optische Beurteilung
- „Oswald-Matrix“ – Gegenüberstellung von optischer Beeinträchtigung und optischem Erscheinungsbild
- Beurteilungsmethoden bezüglich -zulässiger Farbtoleranzen und Ober-flächenqualität
- Zulässige Toleranzen unter anderem für Maß-, Winkel- und Ebenheitsabweichungen
Die Leitlinie ist für 9,95 Euro zum Download im „Broschürencenter“ auf fvhf.de erhältlich.

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Schallschutz von VHF
Welchen Einfluss haben VHF auf den Schallschutz? Funktionieren sie zum Beispiel als Puffer? Was können Sie Planern dazu an die Hand geben?
Die Leitlinie „Schallschutz bei VHF“ ist vor allem für diejenigen interessant, die bei der Planung von Gebäuden Schallschutzanforderungen gegen Außenlärm berücksichtigen müssen. Das gilt in erster Linie zum Beispiel für Krankenhäuser und Wohngebäude an Schnellstraßen oder in Flughafennähe oder an Bahngleisen. Immer wichtiger wird zudem die steigende Lärmbelästigung in dicht bebauten Innenstadtlagen.
Anhand von Schallschutzmessungen wurde nachgewiesen, dass vorgehängte hinterlüftete Fassaden je nach Konstruktion und Art der Bekleidung im Vergleich zu Außenwänden ohne VHF ein Schalldämm-Verbesserungsmaß von bis zu 18 Dezibel erreichen. Die Messungen erfolgten an insgesamt acht in Clustern gebündelten Materialarten – zum Beispiel Aluminium, Keramik, Faserzement. Auf Grundlage der Messergebnisse können Architekten die schalldämmenden Eigenschaften einer VHF jetzt besser beurteilen. Umgekehrt lässt sich mit einem Blick in die Tabelle auch schnell erkennen, welche Schalldämmung sich mit einem bestimmten Bekleidungsmaterial erzielen lässt.
FVHF-Leitlinie „Schallschutz mit Vorgehängten Hinterlüfteten Fassaden (VHF)“
Die Schwerpunkte sind:
- Erläuterung der Begrifflichkeiten und normativen Anforderungen an die Luftschalldämmung
- Berechnung einer Vorher-Nachher-Situation am Beispiel der FVHF-Schallprüfung
- Einfluss der Konstruktionsbestandteile einer VHF auf den Schallschutz
- Prüfberichte und Messergebnisse der geclusterten FVHF-Schallprüfungen
- Schallabsorption durch Fassadenstrukturen
Die Leitlinie ist für 9,95 Euro zum Download im „Broschürencenter“ auf fvhf.de erhältlich.

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Gerüstbau an VHF
Was gab den Anstoß für die dritte Leitlinie „Planung und Erstellung von Gerüsten an Gebäuden mit VHF“? Und was müssen Architekten darüber wissen? Sie sind ja schließlich keine Gerüstbauer.
Die Fassadenfachverleger, die die Fassaden montieren, finden immer wieder für VHF ungeeignete Gerüste vor. Der Grund dafür sind häufig unzulängliche Ausschreibungen, auf denen ja das Angebot der Gerüstbaufirmen basiert. Die Leitlinie entstand deshalb auch in enger Zusammenarbeit mit der Bundesinnung für das Gerüstbauer-Handwerk.
Welche Unterstützung wird konkret geboten?
Der Architekt erhält in erster Linie einen Leitfaden zur Ausschreibung fachgerechter Gerüste, der die wichtigsten Parameter enthält, die zu berücksichtigen sind. Dazu gehören auch eine Checkliste für die Leistungsbeschreibung sowie Beispieltexte für eine Reihe von LV-Positionen. Prinzipiell ist vor allem beschrieben, welche Anforderungen an Arbeits- und Schutzgerüste gestellt werden, wenn eine VHF montiert werden soll. Außerdem sind möglicherweise darüber hinausgehende Anforderungen aufgeführt. Zum Beispiel, wenn die spätere Nutzung des Gebäudes mitzuberücksichtigen ist. Zur Vermeidung von Unfällen ist es unabdingbar, dass VHF-Gerüste je nach Verwendung den berufsgenossenschaftlichen Sicherheitsanforderungen entsprechen. Für bauleitend tätige Architekten dürfte zudem die Checkliste zur Überprüfung von Arbeits- und Schutzgerüsten hilfreich sein.
FVHF-Leitlinie „Gerüste für Arbeiten an Gebäuden mit Vorgehängten Hinterlüfteten Fassaden (VHF)“
Die Schwerpunkte sind:
- Anforderungen für die Erstellung von Arbeits- und Schutzgerüsten sowie bei deren Instandhaltung nach DIN 31051 und DIN EN 13306
- Gerüstbauarten, ihre Brauchbarkeit und Eigenschaften wie Belagbreite, Wandabstand, Lastklassen und Standfläche
- Verankerung und Zugänglichkeit von Gerüsten
- Standsicherheit und konstruktive Aussteifung
- Inkl. Checkliste zur Leistungsbeschreibung
Die Leitlinie ist kostenfrei zum Download im „Broschürencenter“ auf fvhf.de erhältlich.
Fassadenpreis ausgelobt
Bis zum 20. Mai können sich Architekten und ihre Bauherren mit bis zu drei Projekten mit vorgehängter hinterlüfteter Fassade für den Deutschen Fassadenpreis bewerben. Bewertet werden gestalterische, technisch innovative und nachhaltige Lösungen, die fachgerecht ausgeführt sind. Der auslobende FVHF vergibt insgesamt 10.000 Euro.