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Zurück Nachwuchs-Kolumne #257

Joanes-Preis: ein Prototyp für Wohnen über dem Supermarkt

Konkret in der Stadt nachverdichten und bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dazu animiert der Joanes-Preis Studierende. Die Jury hat vier Arbeiten für das Werkstattverfahren ausgewählt. Eine wird bestenfalls realisiert.

Von: Lorenz Hahnheiser
Lorenz Hahnheiser schreibt über die Architekturlehre an den Unis, architekturpolitische...

11.06.20255 Min. Kommentar schreiben

Das Team vom Joanes-Preis hat viel vor: Studierende sollen nicht nur zu Möglichkeiten für bezahlbaren Wohnraum forschen, sondern sie müssen auch die Voraussetzungen im Blick behalten, wie er kostengünstig und umweltverträglich durch die Berliner Baugenossenschaft bbg realisiert werden kann. Als Stiftungsratsmitglied der Joanes Stiftung begleite ich den Wettbewerb seit seiner Entstehung. Nun war ich Teil der Jury.

Die Aufgabe: gemeinschaftliches Wohnen über einem Supermarkt

Was der Joanes-Preis fordert, ist anspruchsvoll: Die Teilnehmenden sollten für ein beispielhaftes Grundstück am Berliner S-Bahnhof Tempelhof einen kompakten Wohnungsbau samt Supermarkt im Erdgeschoss entwerfen. Gesucht war ein Prototyp, der ökonomisch, ökologisch und sozial überzeugt und dessen Konzept sich auch auf andere Orte übertragen lässt. „Was tut der Mensch, wenn er wohnt?“ – diese Frage rahmte die Aufgabenstellung.

Vier Entwürfe, vier Prototypen

195 Einreichungen kamen beim Joanes-Preis zusammen: 646 Studierende in 426 Teams von 63 Universitäten und Hochschulen hatten sich angemeldet. In der ersten Jurysitzung standen dann 18 Projekte im Fokus, die in der Vorauswahl von Jurymitgliedern nominiert wurden.

Es war beeindruckend mitzuerleben, wie präzise und schnell die Jurymitglieder ihre Expertisen in Abgleich brachten und miteinander in sehr angenehmer und konstruktiver Stimmung Fragen zu Wohnformen, sozialräumlichen und nachbarschaftlichen Qualitäten aber auch zu Haustechnik, Bewirtschaftung und Bautechnik diskutierten.

Nach intensivem Austausch kristallisierten sich für den Joanes-Preis vier Entwürfe heraus, deren Potenzial wir für eine Umsetzung als besonders vielversprechend einschätzen:

  • InViva (Bildstrecke oben) überzeugt durch vielfältige Grundrisse und eine vertikale Zonierung von öffentlich nach privat.
  • Schichtsalat (Bildstrecke oben) spielt mit Halbgeschossen und erzeugt so eine bemerkenswerte Varianz an Wohntypologien.
  • Stadtfransen (Bildstrecke unten) erzeugt durch Vor- und Rücksprünge lebendige Zwischenräume und klare Adressbildung.
  • Wolpertinger (Bildstrecke unten) bringt mit Laubengängen und einem zentralen Gewächshaus eine progressive Nachbarschaftstypologie ins Spiel.

Jurysitzung: Zwischen Pragmatismus und Haltung

Als Jurymitglied habe ich manches gelernt – banal, aber wichtig: PDFs müssen schnell laden und die Kernaussagen layouttechnisch klar dargestellt sein. Bei nahezu 200 Beiträgen ist Beurteilungszeit ein rares Gut.

Was dann in den Diskussionen der Jury für den Joanes-Preis zählte, war nicht Perfektion, sondern Potenzial: Was lässt sich im Werkstattverfahren weiterdenken? Wo liegt ein Gedanke vor, der tragfähig ist? Was schließt eine mögliche Realisierung aus, oder lässt sich noch „heilen“?

Wer profitiert vom Joanes-Preis?

Zweck der Joanes Stiftung ist es, bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Die Stiftung verfügt nicht über die Mittel, selbst zu bauen. Darum bringt sie mit dem Joanes-Preis Akteur:innen zusammen, die sich dem Stiftungszweck gemeinsam stellen. Mit dem Wettbewerb bringt die Stiftung eine Auseinandersetzung mit bezahlbarem Wohnraum an die Hochschulen und dann wird idealerweise tatsächlich welcher geschaffen.

Dass Stifter Nikolaus Ziegert in der Immobilienwirtschaft tätig ist, löste in der Anfangsphase des Joanes-Preises teilweise scharfe Kritik aus. Es kursierte die Befürchtung, durch den Wettbewerb würde der Ziegert Gruppe insgeheim Zugriff auf die Entwurfsideen der Studierenden verschafft. Damit würdedie Arbeit der Teilnehmenden und Lehrenden am Markt vorbei ausgebeutet.

Studierende fragten deutlich: Wem dient meine Arbeit?

Auf Nachfrage betonte die Stiftung ihre Unabhängigkeit. Als gemeinnütziges Organ darf sie ohnehin nicht im Interesse einzelner Akteur:innen handeln, sondern muss dem Gemeinwohl dienen. Des Weiteren bleibt laut Wettbewerbsprogramm das Urheberrecht bei den teilnehmenden Studierenden.

Die Diskussion um den Joanes-Preis war fruchtbar: Selten fragen sich Studierende so deutlich: Wem dient meine Arbeit eigentlich? In welchem Kontext würde mein Entwurf in der Realität umgesetzt? Welche Einfluss- und Entscheidungsmöglichkeiten habe ich in diesem Prozess? So gab es im Zuge des Wettbewerbes viel zu lernen – auch für jene, die sich gegen die Einreichung entschieden haben.

Dioe Jury begutachtet Pläne der Einreichungen

Die Jury (v. l. n. r.): Sabine Wolf (Thiesen & Wolf), Felix Thumm (beratend, Transsolar KlimaEngineering), Elise Pischetsrieder (weberbrunner architekten), Claudia Kromrei (beratend, Hochschule Bremen/Joanes Stiftung), Tom Friedrich (Robertneun Architekten), Lorenz Hahnheiser (nexture+/Joanes Stiftung), Andreas Klein (bbg) und Tobias Götz (Pirmin Jung). Mitglied ist auch Jens Kahl (bbg, nicht im Bild). © Joanes Stiftung
Joanes Stiftung

Werkstattverfahren: Vom Konzept zur Realisierung

Im nächsten Schritt werden die Studierenden der vier ausgewählten Teams ihre Wettbewerbsbeiträge so weiterentwickeln, dass mit Supermarktketten über die Umsetzung gesprochen werden kann. Dabei unterstützt die Joanes Stiftung mit ihren Partner:innen. In zwei Workshops begleiten erfahrene Planer:innen die vier eingeladenen Teams.

Grundrisse werden geschärft, Bauweisen angepasst, Anforderungen von Supermarkt und Bauherr bbg integriert. Um hier anzugelangen, müssen Genossenschaft, Architekturbüros, Bauunternehmen und schließlich auch eine Supermarktkette an einem Strang ziehen. Dass dies gelingt, ist der Verdienst der Stiftung und ihres Netzwerks: „Höflichkeit und Hartnäckigkeit helfen, die richtigen Partner an einen Tisch zu bringen“, so Stiftungsvorstand Sebastian Bührig.

Die nächsten Schritte beim Joanes-Preis

Am 12. September 2025 wird die finale Juryentscheidung über die Reihenfolge der Auszeichnungen und die Verteilung des Preisgeldes getroffen, am 4. November folgt die Preisverleihung. Der Joanes-Preis beweist: ein studentischer Wettbewerb kann ein Impulsgeber sein – für Diskussion, für Kooperation und für reale Veränderung.


Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.

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