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Klassisches Architekturbüro oder experimentelles Kollektiv?

Wie arbeitet die junge Generation? Was ist ihr wichtig? Zwei junge Büros aus verschiedenen Ecken der Republik geben darauf sehr unterschiedliche Antworten. Während ein florierendes Büro in der Südpfalz alle Hände voll damit zu tun hat, die Auftragsbücher abzuarbeiten, sucht ein Teilzeitteam in Berlin einen Weg zwischen Forschung und Experimenten.

Von: Christoph Gunßer
Christoph Gunßer ist für das DAB vor allem in Süddeutschland...

30.05.20256 Min. Kommentar schreiben

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Zwischen Erfolg und Alternativen“ im Deutschen Architektenblatt 06.2025 erschienen.

Ideenreich Architektur Sebastian Metz, Insheim

Sebastian Metz hat schon als Kind gern gezeichnet. Durch seinen Onkel, der Architekt war, ist er quasi auf der Baustelle aufgewachsen. Schon an der Schule belegte der technikaffine Südpfälzer Informatik-Kurse. Als eloquente Frohnatur ist er ein Netzwerker par excellence.

Wohnküche mit Holzdecke und Lehmwand

Imposante und kunstvoll wirkende Lehmwände prägen die Innenräume des Hauses in Leinsweiler.
Stephan Baumann, www.bild-raum.com

Baukrise kein Thema für das junge Architekturbüro

So fügte sich während des Architekturstudiums am KIT in Karlsruhe eines zum anderen: Stipendien, Jobs beim führenden regionalen Büro, erste Aufträge von Freunden und Bekannten. 2015, mit 27, gründete er sein eigenes Büro in Ins­heim, südlich von Landau. Heute leitet er ein siebenköpfiges Team und hat volle Auftragsbücher. Die Baukrise ist für ihn kein Thema.

Großes Portfolio verschiedener Bauaufgaben

Die Südliche Weinstraße ist traditionell wohlhabend, zudem verzeichnet sie beträchtliche Zuzüge aus den angrenzenden Ballungsräumen. Da gibt es offensichtlich viel zu tun für ein aufstrebendes Architekturbüro. Großzügige Einfamilienhäuser, aber auch Umbauten, etwa von Weingütern, zählen zu den Aufgaben des „Ideenreichs“, wie sich das Büro nennt. Sogar knifflige Kirchensanierungen zog der junge Mann selbstbewusst an Land.

Einfamilienhaus am Hang mit Fassade aus Holzschindeln

Das Haus in Leinsweiler nutzt geschickt die Hanglage.
Stephan Baumann, www.bild-raum.com

Architekturwettbewerbe nur auf Einladung

Inzwischen reihen sich Dutzende Projekte in sein medial gut aufbereitetes Portfolio. Auf Instagram ist Metz auch persönlich präsent, stellt sein Licht nicht unter den Scheffel. „Einfach machen und mutig sein“ ist sein Motto. An Wettbewerben nimmt Sebastian Metz nur noch teil, wenn er eingeladen wird, etwa zuletzt erfolgreich beim Kirchenumbau im Mannheimer Franklin Village.

Im Architekturbüro fehlen die Mitarbeiter

Doch je weiter das Büro seine Kreise zieht – es hat Mühe, Mitarbeiter zu finden. Aus Karlsruhe etwa will offenbar niemand aufs Land pendeln, auch wenn Insheim über die Autobahn nur eine Viertelstunde entfernt ist: „Der Rhein ist die magische Grenze“, sagt Sebastian Metz. Also räumt er seinem Team, das derzeit fast ausschließlich aus Frauen besteht, zumindest sehr flexible Arbeitszeiten ein.

Alte Mühle wird umgebaut

Bisher im Ortskern von Insheim angesiedelt, hat der Architekt zuletzt zwei Dörfer weiter eine alte Mühle gekauft. Die baut er derzeit für sich und seine Familie nach ökologischem State of the Art um: Sie wird über Eisspeicher beheizt und gekühlt werden und das Prinzip der Kreislaufwirtschaft spielt eine Rolle. Im Spätsommer schon soll alles fertig sein und auch das Büro dorthin umziehen.

WDVS sind tabu

Das Projekt reiht sich ein in den Wissensfundus des umtriebigen Pfälzers, der seit Langem auf nachhaltige Konstruktionen setzt und bereits mit Stroh, Stampflehm und Kork Erfahrungen gesammelt hat. Ein Wärmedämmverbundsystem mit Bauchemie ist bei ihm tabu, Holzbau die erste Empfehlung für seine Bauherren. „Aber das ist, auch wegen der vielen Vorschriften, eben etwas teurer“, räumt er ein.

Der enorme Output des Büros lässt bei Sebastian Metz denn auch keine Bauscham aufkommen. Natürlich spürt er angesichts der beträchtlichen Probleme in der Welt eine „Zerrissenheit“ in sich, wenn gleichzeitig Villen für etliche Millionen Euro entstehen. Gerade mal Ende dreißig, wird ihn sein Ideenreich aber wohl weiter vorantreiben. 


Supertype Group, Berlin

Die Berliner Architekten und Stadtforscher Tobias Schrammek, Max Becker und Pia Brückner sind in einem ähnlichen Alter wie Metz – sie beschäftigen jedoch ganz andere Themen. Gemeinsam haben sie das Kollektiv Supertype Group gegründet, das unlängst für ihr Wintergartenhaus in Berlin-Pankow Anerkennung beim Bauwelt-Preis für Erstlingswerke fand.

Wintergartenhaus der Supertype Group mit gelber Wendesltreppe und Holzwänden

Das Wintergartenhaus besteht aus kleinen Räumen und hohen Lichthöfen.
Marina Hoppmann

Bauen als Nebensache

Trotzdem ist das Bauen für die drei bislang eher eine Nebentätigkeit, ihr Erstling eher ein „Luxushaus“, mit dem sie jedoch die Möglichkeit hatten, ihre Überzeugungen zu materialisieren und Gestaltungsansätze experimentell zu erproben.

„Wir haben Probleme mit dem Standardbauen in Deutschland“, sagt Schrammek unumwunden. „Schwarzbrotprojekte wären für uns schwierig“, gesteht er ein. Neben ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeitende, Schrammek an der TU Berlin, Brückner in Braunschweig, widmen sie lediglich zwei Tage pro Woche dem Büro.

„Das reicht nur für Mini-Projekte“, sagt Tobias Schrammek. Max Becker ist gar die Hälfte des Jahres in einem sozialen, partizipativen Stadtentwicklungsprojekt in einer informellen Nachbarschaft in Kolumbien eingebunden, sodass sie sich dann nur in Zoom-Konferenzen treffen können.

Wintergartenhaus als Anbau an ein Wohnhaus

Das Berliner Wintergartenhaus der Supertype Group setzt eine nur teilweise beheizte Klimahülle vor einen Bestandsbau.
Tobias Schrammek

Inspiriert von tropischer Architektur

Tatsächlich spielt Lateinamerika eine Hauptrolle, wenn man nach den Ursachen für die Neugier und den Veränderungsdrang des jungen Teams sucht. 2013 waren Tobias Schrammek und Max Becker im Rahmen des Studiums erstmals dort. Später studierten alle drei in São Paulo und Santiago de Chile und „verliebten“ sich in die architektonischen Möglichkeiten im subtropischen Kontext.

Die Art, wie der Naturraum dort in die Architektur hineinreicht, spiegelt sich auch in ihrem Wintergartenhaus wider: Bau-, Klima- und Sozialsystem sollten in ihrer Sichtweise ineinandergreifen, Lowtech, Leichtigkeit und Anpassungsfähigkeit sind das Ziel.

Modelle mit verschiedenen Varianten eines Wintergartens

Das Wintergartenhaus kann innerhalb einer regalartigen Konstruktion verschieden ausgebaut und genutzt werden (KLICKEN zum Vergrößern).
Supertype Group

Ein neuer Strukturalismus

Supertype Group begreifen sich als Strukturalisten. Schrammek hat sich eingehend mit partizipativen Bausystemen beschäftigt. Walter Segal, der frühe Otto Steidle, aktuell Büros wie Lacaton Vassal, aber auch brasilianische Architekten weisen aus seiner Sicht Wege zu einer solchen Offenheit und Anpassungsfähigkeit.

Im Rahmen seiner Dissertation zum Thema hat er aber auch gemerkt, dass keines der bisher entwickelten Bausysteme sich je wirklich durchgesetzt hat, weshalb das Kollektiv vor allem an prototypischen Strategien und offenen systemischen Ansätzen arbeitet.

Mehr Freiheiten durch Digitalisierung und Robotik

In Seminaren an der Hochschule macht Tobias Schrammek immer wieder Typen-Konzepte und nutzerfreundliche Konfigurationsmöglichkeiten zum Thema. Auch Pia Brückner beschäftigt sich in Lehre und Forschung an der TU Braunschweig kritisch mit Themen der Systematisierung, vor allem in Bezug auf die Digitalisierung des Bauprozesses. Ihr ist wichtig, wie Architekten sich durch das Erlernen neuer Werkzeuge selbst ermächtigen und Prozesse mitgestalten können.

Während die Architektin aktuell mit Studierenden an den Potenzialen von Robotik im Holzbau forscht, sucht Büropartner Schrammek nach prototypischen Transformationsstrategien für Berliner Plattenbauten im Hinblick auf die für 2034 geplante IBA. „Wir wollen die Autoren-Architektur des 20. Jahrhunderts überwinden“, so ihr Credo.

Prototypische Ideen weiterentwickeln

Indes trägt die Hochschultätigkeit die beiden nur noch ein gutes Jahr, „dann beginnt der Ernst des Lebens“, so Tobias Schrammek. In Südamerika an sozialen, aber wenig bezahlten Projekten zu arbeiten, wird das Team nicht finanzieren: „Wir können hier nicht von 1.000 Euro im Monat leben“, so die realistische Einschätzung.

Derzeit versuchen Supertype Group daher, solange sie noch an der Uni arbeiten, kleine Projekte wie einen Hof-Umbau in Brandenburg oder ein Kultur- und Bildungszentrum in Medellín, Kolumbien, voranzutreiben (siehe Bildstrecke).

Parallel wollen sie mit neuen Auftraggebern in Kontakt treten, um ihre prototypischen Ideen weiterzuentwickeln und möglichst zu skalieren – am besten mit einer gehörigen Portion lateinamerikanischem Spirit, versteht sich. 

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