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[ Ratgeber ]

Photovoltaik an der Fassade: Technik, Regeln, Beispiele

Bauwerkintegrierte Photovoltaik an der Fassade hat bisher noch keine breite Akzeptanz gefunden. Doch Technik und Angebot haben sich weiterentwickelt. Wie hoch die Energieausbeute ist und was planerisch zu beachten ist

Bürohaus mit Photovoltaik-Fassade an Bahngleisen
Die Fassade des Bürohauses „Westspitze“ (a+r Architekten, Stuttgart) in Tübingen wurde mit 634 Glas-Glas-Dünnschichtmodulen bekleidet.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Photovoltaik in der Fassade“ im Deutschen Architektenbaltt 11.2023 erschienen.

Von Marion Goldmann

Erste Projekte mit bauwerkintegrierter Photovoltaik (BIPV) sind etwa 40 Jahre alt. Seitdem reiht sich ein Pilotprojekt an das andere. Obwohl in dieser Zeit viele Erfahrungen gesammelt werden konnten, sich das Produkt­angebot und die technischen Voraussetzungen deutlich verbessert haben, findet ein breitenwirksamer Einsatz bis heute nicht statt.

Doch vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklungen im Rahmen der Umwelt- und Klimapolitik stehen die Zeichen für eine zunehmende Verwendung jetzt günstig. Mehr als je zuvor rückt nunmehr die Nutzung der Gebäudehülle zur Stromerzeugung in den Fokus. Damit allein ist es allerdings nicht getan. Trotz jahrzehntelanger Erfahrungen stellen sich die Fragen, was könnte denn die Nachfrage begünstigen, welche Defizite und Hemmnisse bestehen?

BIPV-Knowhow in Leitfaden bündeln

Um das herauszufinden, startete die Architektenkammer Baden-Württemberg eine vom Umweltministerium des Landes geförderte BIPV-Initiative. Das für drei Jahre angelegte Forschungsprojekt endete im Juli 2023 und wurde gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE), der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) und dem Zentrum für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) durchgeführt. Eine wichtige Erkenntnis zu Beginn war, dass jeder BIPV-Bauwillige das Know-how infolge der Reihe an ­Pilotprojekten stets von Neuem zusammentragen muss.

Projektleiter Jochen Stoiber, Architektenkammer Baden-Württemberg, sagt: „Unser Ziel war es daher, das vorhandene Know-how in einem Leitfaden zu bündeln.“ Unter bipv-bw.de steht nun allen Interessenten ein frei zugängliches und umfassendes Angebot zur Verfügung (siehe Infokasten am Ende des Artikels). Neben solchen Fachinformationen mangelte es bisher zudem an der Kommunikation der BIPV-Akteure untereinander. Schulungen und die Möglichkeiten zum interdisziplinären Austausch könnten die Situation verbessern. Dass das Interesse daran groß ist, zeigen die rund 1.000 Teilnehmer der vier Roadshows, die im Rahmen der BIPV-Initiative stattfanden, sowie die inzwischen circa 20.000 Zugriffe auf die Website.

Bürohaus mit Photovoltaik an der Fassade
Die fassadenintegrierte PV-Anlage an der „Westspitze“ (a+r Architekten, Stuttgart) liefert einen Ertrag von circa 50.400 kWh/a.

BIPV muss Teil der Architektur sein

„Als Architektenkammer vertreten wir natürlich auch den Anspruch, dass sich die BIPV ins baukulturelle Umfeld einfügt“, argumentiert der Architekt Jochen Stoiber. Diese Anforderungen haben die Modulhersteller mittlerweile längst berücksichtigt, aber das Angebot ist weitestgehend unbekannt. Auch dies ist eine Erkenntnis, die vor allem aus den Diskussionsrunden im Rahmen der Roadshows resultiert. „Uns wurde oft die Frage gestellt: Was gibt es eigentlich für Produkte?“, resümiert Jochen Stoiber. Viele denken dabei immer noch an die blau schillernden und silbrig gerahmten Module aus den BIPV-Anfängen. Doch diese Zeit ist vorbei.

Thomas Stark, Professor für energieeffizientes Bauen an der Fakultät Architektur und Gestaltung der HTWG Konstanz, begleitet das Thema seit etwa 25 Jahren. Bereits während seines Architekturstudiums an der Universität Stuttgart organisierte er für die Architektenkammer Baden-Württemberg die ersten Seminare zur BIPV. Er fasst zusammen: „Das Produktangebot hat sich deutlich verändert. Es sind farbige und bedruckte Module in individuellen Abmessungen verfügbar und die Erträge der Solarzellen konnten gesteigert werden.“ Da lohnt sich ein genauer Blick auf die Entwicklungen der letzten Jahre.

Außenansicht des Gebäudes des Fraunhofer ISE mit farbigen Solarzellen
Die vom Fraunhofer ISE entwickelte MorphoColor-Farbschicht reduziert die Verluste auf etwa fünf Prozent.

Farbige Solarzellen

Für die breite Verwendung von BIPV an der Fassade war das farbige Bedrucken oder Beschichten des Frontglases der Module ein entscheidender Schritt. Diese beiden Verfahren sind mittlerweile fest im Markt etabliert. Ihr Nachteil ist: Der Farbauftrag reduzierte damals die Sonneneinstrahlung auf die Solarzelle im Vergleich zu schwarzen Modulen um bis zu 20 Prozent und mehr. Durch spezielle Bedruckungs- und Beschichtungstechnologien konnten die solaren Verluste deutlich reduziert werden. „Sie betragen heute im Durchschnitt nur noch etwa zehn Prozent. Das Bedrucken und Beschichten ist somit sehr effizient geworden. Auch die Kosten sind mittlerweile gesunken“, sagt Thomas Stark.

Höherer Wirkungsgrad mit MorphoColor

Die neueste Entwicklung, um die Diskrepanz zwischen Farbe und Effizienzverlusten weiter zu minimieren, ist die MorphoColor-Technologie – ein vom Fraunhofer ISE entwickeltes und patentiertes Verfahren. Damit lassen sich die Verluste auf bis zu fünf Prozent senken. Frank Ensslen, der sich beim Fraunhofer ISE als Projektleiter für nationale und internationale Forschungsprojekte schwerpunktmäßig mit der solaren Gebäudehülle befasst, erläutert: „MorphoColor ist eine Farbschicht mit einer photonischen Struktur, die aus dem Sonnenlichtspektrum nur einen ganz kleinen Wellenlängenbereich reflektiert. Das ist jeweils die Farbe, die man auf dem Modul sieht. Der weitaus größte Teil der Strahlung trifft durch den speziellen Schichtenaufbau und eine entsprechende Oberflächenstruktur des Glases ungehindert auf die Solarzelle auf und kann daher für die Stromerzeugung genutzt werden.“

Wichtig war den Forschern bei der Entwicklung auch, dass der Farbauftrag möglichst homogen erscheint und eine hohe Neigungswinkelstabilität besteht. Letztere bewirkt, dass beim Blick auf die Fassade aus unterschiedlichsten Richtungen die Farbe stets gleich aussieht. Mit der MorphoColor-Technologie beschichtete PV-Module sind bereits verfügbar (Hersteller Megasol).

Matrix-Schindeltechnologie für Photovoltaik
Die vom Fraunhofer ISE entwickelte Matrix-Schindeltechnologie nutzt die Fläche durch dicht an dicht verlegte PV-Zellen effektiv aus.

Effizienzsteigerung von Photovoltaik

Verbesserungen lassen sich auch hinsichtlich der Erträge konstatieren. „Kristalline Silizium-Solarzellen erreichen heute eine Effizienz zwischen 19 und 24 Prozent und der Systemwirkungsgrad liegt bei circa 20 Prozent. Das heißt, aus 1.000 Watt pro Quadratmeter Einstrahlung ergibt sich ein solarer Gewinn von 200 Watt“, erläutert Frank Ensslen. Bei Dünnschicht-Solarzellen liegen die Erträge zwischen 18 und 20 Prozent. Die Dünnschicht-Technologie wie auch organische Solarzellen spielen im globalen Markt und in der BIPV eine eher untergeordnete Rolle. Kristalline Silizium-Solarzellen sind hier mit einem Anteil von rund 95 Prozent dominierend.

Eine weitere Stellschraube, um die Effizienz zu steigern, sind bedarfsgerecht modifizierte Zelldesigns. Das für Dachanlagen geeignete annähernd quadratische Waferformat stößt bei Verwendung in der Fassade aufgrund der verschiedenen geometrischen Anforderungen an Grenzen. Deshalb werden die Solarzellen zunehmend halbiert, gedrittelt oder geschindelt. Dadurch reduzieren sich die Abstände der Solarzellen und die elektrischen Verluste, was letztendlich die Flächeneffizienz der Module erhöht.

Stronfluss in PV-Zellen nach der Matrix-Schindelung
Bei der Matrix-Schindelung sind die dicht angeordneten PV-Zellen elektrisch so verschaltet, dass der Strom verschattete Bereiche umfließt.

Matrix-Schindelung: hohe Energieausbeute

Eine besonders hohe Effizienz verspricht die vom Fraunhofer ISE entwickelte Matrix-Schindeltechnologie. „Hierbei werden Zellstreifen wie Schindeln überlappend angeordnet. Dadurch kann die Fläche ohne Zellabstände maximal genutzt werden. Die Zellen sind zudem elektrisch parallel verschaltet. Diese Verschaltungssystematik sorgt bei einem Schattenwurf dafür, dass der Strom die verschatteten Bereiche umfließt, erhöht also die Verschattungsresilienz. Bei der herkömmlichen Zellverbindung ist bei Verschattung dagegen der gesamte Strang betroffen und fällt für die Stromversorgung aus“, erklärt Frank Ensslen das Prinzip. Gestalterischer Vorteil ist zudem, dass die Module ein sehr gleichmäßiges Erscheinungsbild wie bei der Dünnschichttechnologie erzeugen.

BIPV erfordert flexible Maße

Für die geometrischen Anforderungen müssen die PV-Module bei Integration in die Fassade in ihren Maßen flexibel sein. Module mit standardisierten Abmessungen eignen sich daher häufig nicht. Als Alternative kommen objektbezogene Sonderlösungen infrage. Aufgrund des bis heute geringen Automatisierungsgrades bei der Herstellung sind objektbezogene Sonderlösungen etwa doppelt so teuer wie Standardmodule, auch die Zahl der Anbieter ist überschaubar.

Ein direkter Kostenvergleich zwischen Standard- und Sondermodulen sei allerdings nicht realistisch, sagt Thomas Stark: „Es sind immer die Kosten der Bauteile gegenzurechnen, die die BIPV ersetzt. In der Regel sind das die Fassadenbekleidung oder Verschattungselemente.“ Eine völlige Kostenneutralität zu erreichen, ist dennoch eher unwahrscheinlich.

Ersetzt die BIPV die Fassadenbekleidung, dann meist als vorgehängte hinterlüftete Konstruktion. Zur Befestigung der häufig rahmenlosen Module eignen sich in der Regel Montagesysteme, die für plattenartige Bekleidungen zugelassen sind. Da es sich bei den Modulen um Verbundglas-Konstruktionen handelt, können sie auch in Wärmedämm-Isolierglas verbaut werden und die Funktion der thermischen Hülle übernehmen. Einzelne Bereiche von warmen Ganzglasfassaden ließen sich so beispielsweise mit PV belegen.

Außenansicht eines Gebäudes der Universität Gießen mit BIPV
Bei der Sanierung des alten Institutsbaus der Justus-Liebig-Universität werden die Brüstungsbänder mit PV-Standardmodulen belegt.

BIPV in der Praxis: Uni Gießen

Dass nicht unbedingt auf Sondermodule zurückgegriffen werden muss, haben HHS Planer + Architekten bei einer Reihe ihrer Projekte bewiesen. Erste Erfahrungen sammelte das Kasseler Büro bereits Ende der 1990er-Jahre mit der Fortbildungsakademie in Herne, die damals als europaweit größtes BIPV-Kraftwerk galt. Es folgten das Aktivstadthaus Frankfurt, der Energiebunker in Hamburg oder das SolarDecathlon-Plus-Energie-Haus von 2009, um nur einige zu nennen. Standardmodule kommen auch bei der aktuell geplanten Sanierung des ehemaligen Institutsgebäudes für Chemie der Justus-Liebig-Universität (JLU) Gießen zum Einsatz.

Außenansicht eines Insitutsgebäudes der Uni Gießen
Das Unigebäude in Gießen vor der Fassadensanierung.

An dem etwa 50 Jahre alten Hochhaus am Heinrich-Buff-Ring werden die Brüstungsbänder auf einer Fläche von insgesamt rund 5.000 Quadratmetern mit PV belegt. „Dadurch konnten wir die Struktur des Gebäudes erhalten“, erklärt Vorstandsmitglied und Projektleiter Guido Höfert. Hinsichtlich der gestalterischen Optionen fühlt sich der Architekt nicht eingeschränkt. „Es gibt die Module in einer sehr großen Vielfalt und man sieht häufig gar nicht mehr, dass es PV-Module sind. Daher wäre es schön, wenn sich mehr Bauherren dafür interessieren würden.“ Dass hier noch Luft nach oben ist, bestätigt Jochen Stoiber. „Während unserer Recherche im Rahmen der BIPV-Initiative begegnete uns oft das Argument, dass Bauherren kein Gebäude wollen, das optisch einem Versuchsbau ähnelt.“

Die Gestaltung ist jedoch lediglich ein Aspekt von vielen. Jochen Stoiber sagt: „Als Problem wurde uns auch oft die mögliche Blendwirkung auf die Umgebung genannt.“ Das sei auf jeden Fall wichtig, bestätigt Guido Höfert, wobei es sich jeweils um objektspezifische Anforderungen handelte. Bei dem JLU-Hochhaus werden matte Gläser notwendig, um neben der Blendung auch Vogelschlag zu vermeiden. „Der Farbton wird ebenfalls mit der Stadtplanung abgestimmt, wozu wir gerade ein 1 : 1-Modell mit Mustern verschiedener Hersteller aufbauen“, sagt Guido Höfert.

BIPV und Brandschutz

Für die Planung ist auch der Brandschutz essenziell, gerade bei Hochhäusern, bei denen an der Fassade nur nicht brennbare Baustoffe (A2-Klassifizierung) zugelassen sind. PV-Module können aber aufgrund der Verbundfuge mit polymeren Einkapselungsmaterialien zwischen den Glasscheiben höchstens als schwer entflammbar (B1-Klassifizierung) eingestuft werden. Zudem enthält die Verkabelung brennbare Kunststoffe. „Das Problem ließe sich aber zum Beispiel durch die Bildung von Brandsperren lösen, weil es im Wesentlichen um die Verhinderung einer möglichen Brandausbreitung durch bauliche Maßnahmen geht“, beschreibt Guido Höfert eine wirksame Lösung.

Konkret ist bei dem JLU-Hochhaus geplant, die ehemaligen Fluchtbalkone in Wartungsstege umzufunktionieren, die auch die Feuerwehr nutzen kann. „Im Brandschutzgutachten wird argumentiert, dass die Wartungsstege auch ­deshalb eine mögliche Brandausbreitung verhindern können, weil sie einen guten Löschangriffsweg bieten“, nennt Guido Höfert den zweiten Aspekt, der zur Kompensierung der B1-Einstufung genutzt werden kann. Diese Maßnahmen sind aber noch mit den Genehmigungsbehörden abzustimmen.

Nachweise für BIPV

Für BIPV-Anlagen, die nicht in den Regelungsbereich fallen, liegt die Krux oft bei den entsprechenden Verwendbarkeits- und Anwendbarkeitsnachweisen. Die PV-Anlage muss nämlich den Regularien für ein elektrisches Bauteil entsprechen und zusätzlich für den Einbau in Gebäuden und baulichen Anlagen auch die Bestimmungen aus dem Bauordnungsrecht erfüllen. „Es gibt derzeit sieben Modulhersteller, die über eine AbZ/aBG vom Deutschen Institut für Bautechnik verfügen.

Erfordert die Fassadengeometrie jedoch maßgefertigte Sondermodule, ist eine Zustimmung im Einzelfall für die Module und eine vorhabenbezogene Bauartgenehmigung für die Gesamtkonstruktion nötig“, erläutert Thomas Stark. Seinen Erfahrungen zufolge arbeiten die Baurechtsbehörden diesbezüglich mittlerweile recht routiniert, sodass zumindest der Zeitaufwand überschaubar geworden ist.

Elektrorecht versus Baurecht

Nichtsdestotrotz müssen die bauordnungsrechtlichen Regularien weiter an die realen Bedingungen angepasst werden. Im Grunde geht es darum, die Elektrowelt mit der Bauwelt zu verknüpfen, nicht nur technisch, sondern auch mit Blick auf die Vernetzung der Gewerke und die Kommunikation der verschiedenen Akteure insgesamt. Daran arbeitet auch das Team von Frank Ensslen beim Fraunhofer ISE mit. „Vereinfacht gesagt, gehören die Anwendungsbedingungen von in die Gebäudehülle integrierten Glas-Glas-PV-Modulen durch die Organe der Bauministerkonferenz überprüft beziehungsweise neu bewertet.“

Ensslen bezieht sich dabei auf die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen Abschnitt B 3.2.1.27, Spalte 4.c1 und je nach Einbausituation die Bestimmungen von A 1.2.7 (im Wesentlichen DIN 18008 – Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln). „Die Neubewertung könnte anhand einer Risikoanalyse durchgeführt werden, die sich nicht ausschließlich an den derzeitigen Regeln für Glaskonstruktionen orientiert“, meint Frank Ensslen. Allein das lässt erahnen, dass derart komplexe Prozesse langwierig sind und mit Ergebnissen so schnell nicht gerechnet werden kann.

Ausschreibung und Vergabe für BIPV

Bei BIPV in der Fassade sollten sich Planer nicht zu früh auf ein bestimmtes Konstruktionsraster und dafür geeignete Module eines Herstellers festlegen. Schließlich ist der Auftraggeber an das Vergaberecht gebunden, das vor allem bei öffentlichen Auftraggebern eine produktneutrale Ausschreibung erfordert. Wichtig ist, die gewünschte Qualität exakt zu beschreiben, Mindeststandards zu definieren und bestimmte Kriterien offenzuhalten. „Zum Beispiel die Art der Verklebung, das Leistungsspektrum und die Farbgebung“, rät Guido Höfert und ergänzt, dass ihm mindestens drei Anbieter von Standardmodulen bekannt sind, die diese Anforderungen bei dem JLU-Hochhaus erfüllen können.

Im Zuge der Ausschreibung stellt sich oft auch die Frage, ob die Montage der BIPV-Module der Kostengruppe 300 „Bauwerk – Baukonstruktionen“ oder der Kostengruppe 400 „Bauwerk – technische Anlagen“ zuzuordnen sind. Für Guido Höfert liegt die Antwort klar auf der Hand: „Die BIPV ist Bestandteil der Fassade und demnach der Kostengruppe 300 zuzuordnen. Darüber müssen sich Planer und Bauherr verständigen, weil es um Zuständigkeiten geht und letztendlich honorarrelevant ist.“

Die Arbeiten führt der Fassadenbauer aus, der im besten Fall die Module auch miteinander verbindet. Das ist zugleich die Schnittstelle zum Elektriker, der die Verkabelung übernimmt. Im Vorfeld hat der Elektriker die Qualitäten der Leistungen und die Bedingungen, die das Modul unter elektrotechnischen Gesichtspunkten erfüllen muss, detailliert zu beschreiben. Diese Beschreibung fließt dann in die Ausschreibung ein.

Wohnhochhaus in Bremen mit Balkonen
Die GEWOBA Bremen ließ an der Fassade und den Balkonbrüstungen dieses Wohnhauses Standardmodule mit einem Jahresertrag von 35.000 kWh installieren.

Weiterer Optimierungsbedarf für BIPV

Für einen breiten Einsatz der BIPV muss die Komplexität in der Planungs- und Bauphase verringert werden. Das betrifft beispielsweise die Schnittstelle zwischen Fassadenbauer und Elektriker. Jochen Stoiber sagt: „Es ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Akteure erforderlich, doch die ist noch nicht weit verbreitet.“ Es fehlten auch verlässliche Planungskennwerte über Kosten und Erträge, sodass jedes Projekt eine individuelle Ertragsermittlung erfordert. Guido Höfert würde BIPV auch gern einmal an einer Nordfassade realisieren. „Wir sind der Meinung, dass sich dort außer im Winter durch Streulicht Erträge erzielen lassen.“

Um das herauszufinden, wäre ein Forschungsauftrag, zum Beispiel im Rahmen eines Realisierungsprojekts, ein guter Weg. Für Thomas Stark liegt eine der künftigen Herausforderungen in der Automatisierung bei der Fertigung der bisherigen Sondermodule: „Das würde individuelle Lösungen zu niedrigeren Kosten ermöglichen.“ Ein Schwerpunkt der Forschung liegt daneben weiterhin auf der Erhöhung der Effizienz.

Frank Ensslen sagt: „Bei den Zellen und der PV-Anlage müssen die Verluste weiter gesenkt werden, zum Beispiel durch optimierte Zelldesigns und eine verbesserte elektrische Verschaltung der Zellen und Module.“ Nicht zuletzt herrscht auch beim Recycling noch Forschungs- und Entwicklungsbedarf. Es gibt zwar gesetzliche Rücknahmevereinbarungen, große Teile der Module sind recycelbar, doch ein vollständig praktiziertes kreislauffähiges Gesamtkonzept fehlt bislang.


Hier berichten wir über ein Ärztehaus in Marburg, das nach der Sanierung eine schwarze Photovoltaik-Fassade mit abgerundeter Ecke erhielt.

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Leitfaden zu BIPV

Der Leitfaden Bauwerkintegrierte ­Photovoltaik (BIPV) ist ein kostenlos zugängliches Onlineportal. Der Fokus liegt auf der Architektur mit Photo­voltaik in Dach und Fassade, doch ­neben den architektonischen werden auch planungsrelevante Aspekte nach Leistungsphasen aufgegriffen. Hervorzuheben sind:

  • eine Galerie mit 60 Projekten, unterteilt nach Gebäudetypologien, downloadbare Steckbriefe inklusive
  • eine Übersicht der Modulanbieter
  • eine Linksammlung zu weiterführenden Informationen
  • ein umfangreiches Glossar zu Fach­begriffen

Zu finden unter: bipv-bw.de

 

 

1 Gedanke zu „Photovoltaik an der Fassade: Technik, Regeln, Beispiele

  1. Redaktionelle Ergänzung nach Veröffentlichung im Heft: Das im Beitrag angeregte Forschungsprojekt zur BIPV-Anwendung an einer Nordfassade gibt es bereits beim BIPV-Reallabor des Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) in Adlershof (Planung: DGI Architekten). In den ersten zwei Betriebsjahren wurde unter anderem ermittelt, dass im flächenvergleichenden Monitoring die Nordseite überschlägig circa 10 Prozent des Stromertrags der Südseite generiert. Neben dem Reallabor betreibt das HZB das Beratungsbüro BAIP, das Bauherren, Architektinnen, Investierende und Planende zu BIPV projektbezogen, initial, und kostenfrei berät: https://www.helmholtz-berlin.de/industrie/

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