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[ Rechtsprechung ]

Verstoß gegen Berufspflichten: Kündigung berechtigt?

Architektinnen und Architekten genießen als Angehörige eines freien Berufs besonderes Vertrauen. Wird dieses erschüttert, können Auftraggeber kündigen. Aber wann kündigt ein Bauherr frei, wann außerordentlich und wann "mit Grund"? Aktuelle Urteile zeigen die Unterschiede

Dieser Text ist unter dem Titel „Enttäuschtes Vertrauen“ im Deutschen Architektenblatt 09.2023 erschienen.

Von Sinah Marx

Architekten üben einen Beruf aus, dessen Wirkungskreis über das Verhältnis zu ihrem jeweiligen Vertragspartner hinausgeht. Sie planen und gestalten die Orte, an denen unser Leben größtenteils stattfindet; sie schaffen Möglichkeiten für Gesellschaft, Familie, Freundschaft, Arbeit, Freizeit, Wohnen, Herstellen, (Ver)kaufen, Entwickeln, Forschen … Damit sie diese Aufgabe erfüllen können und das ihnen entgegengebrachte Vertrauen nicht enttäuschen, müssen Architekten – und gemeint sind ausdrücklich als solche in die entsprechende Architektenliste eingetragene – eine besondere Sachkunde mitbringen, die sie bei Eintritt in die Kammer nachweisen und ihr Berufsleben lang aufrechterhalten müssen.

Berufspflichten sollen Vertrauen stärken

Deswegen unterliegen sie besonderen gesetzlichen Berufspflichten, müssen etwa eine Haftpflichtversicherung unterhalten oder sich regelmäßig fortbilden. Potenzielle Auftraggeber können so ein gewisses Maß an kontrollierter Sachkunde erwarten, wenn sie einen „echten“ Architekten beauftragen. Anschauliche Beispiele dafür, was eine Kammermitgliedschaft an Rechten und Pflichten mit sich bringt, liefert ein Blick in die aktuelle Rechtsprechung.

Kündigung „mit Grund“ bei Verstoß gegen Berufspflichten

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat entschieden, dass ein Auftraggeber den Architektenvertrag „mit Grund“ kündigen kann, wenn der Architekt gegen die Berufsordnung verstößt (Urteil vom 18. Oktober 2022, Az.: 10 U 99/22, nicht rechtskräftig). Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Für eine Gemeinde beauftragte deren Erster Bürgermeister ein Architekturbüro mit der Planung für ein Bauvorhaben. Im Laufe der Erarbeitung überwarfen sich die Vertragsparteien. Der Gemeinderat vertrat die Auffassung, der Vertrag sei unwirksam, weil er ihn nicht genehmigt habe, und stellte die Zahlung ein. Bereits gezahlte Abschläge forderte die Gemeinde zurück und verklagte das Büro. Das Architekturbüro hingegen war der Meinung, ihm stehe noch weiteres Honorar zu, und erhob Widerklage.

Im Rechtsstreit klärte sich sodann, dass die fehlende Genehmigung durch den Gemeinderat den Vertrag kommunalrechtlich nicht unwirksam werden lässt. Allerdings stellte sich heraus, dass die beiden geschäftsführenden Gesellschafter des Architekturbüros wegen Verstößen gegen Berufspflichten aus der bei der zuständigen Architektenkammer geführten Architektenliste gelöscht worden waren. Daraufhin erklärte die Gemeinde die außerordentliche Kündigung des Vertrags und führte die berufsrechtlichen Verfehlungen als besonderen Grund dafür an.

Freie Kündigung oder außerordentliche Kündigung?

Die Vertragsparteien waren sich einig, dass der Vertrag durch Kündigung der Gemeinde beendet worden war: Das Architekturbüro wendete ein, die Gemeinde habe den Vertrag dadurch „frei“ (also ohne besonderen Grund) gekündigt, dass sie den Vertrag schon vor Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung für unwirksam erklärt und nicht mehr gezahlt habe. Die Gemeinde nahm aber an, dass sie erst später gekündigt habe, nämlich „außerordentlich“ wegen der fehlenden Zuverlässigkeit.

Die Unterscheidung zwischen „frei“ und „außerordentlich“ ist deswegen so bedeutsam, weil der Auftragnehmer nur bei der freien Kündigung ein Nachkündigungshonorar nach § 648 BGB erhalten kann (vgl. dazu und zur Höhe des Nachkündigungshonorars auf DABonline: „Nach Kündigung 5 oder 60 Prozent Honorar?“). Erfolgt eine außerordentliche Kündigung, steht ihm kein Nachkündigungshonorar zu. Dafür muss allerdings ein besonderer Kündigungsgrund vorliegen. Das Gericht hatte hier also über zwei Dinge zu entscheiden:

  1. War die Aussage der Gemeinde, der Vertrag sei mangels Zustimmung unwirksam, schon eine Kündigung? Und wenn nicht, ist dann
  2. die berufsrechtliche Verfehlung ein besonderer Kündigungsgrund?

Die Gerichtsentscheidung

Zur ersten Frage hat das Gericht entschieden: Die Aussage der Gemeinde zur Unwirksamkeit des Vertrags sei lediglich die Kundgabe einer Rechtsmeinung, die zudem fehlerhaft sei. Dabei ist zu beachten, dass das rechtsverbindliche Handeln einer Gemeinde sich immer am jeweiligen Landesrecht orientiert und teilweise strenge Formvorschriften bestehen. In diesem konkreten Einzelfall maß das Gericht der Erklärung der Gemeinde nicht den Erklärungsgehalt einer Kündigung bei. Es komme entscheidend darauf an, ob sich aus der Erklärung eindeutig der Wille ergebe, den Vertrag sofort zu beenden. Hier habe aber nur eine Erfüllungsverweigerung und keine Kündigung stattgefunden. Folglich hatte der Vertrag auch noch weiterhin Bestand.

Das Gericht entschied allerdings, dass der Vertrag später wirksam, und zwar außerordentlich, gekündigt worden war. Nach der ständigen Rechtsprechung ist ein Auftraggeber berechtigt zu kündigen, wenn ihm wegen eines schuldhaften Verhaltens des Auftragnehmers die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann, weil der Auftragnehmer das für die Durchführung des Vertrags erforderliche Vertrauensverhältnis massiv erschüttert und dadurch den Vertragszweck erheblich und dauerhaft gefährdet hat.

Verstöße gegen Berufspflichten rechtfertigten Kündigung

Den dafür erforderlichen Grund sah das Gericht nicht allein in den Löschungen der geschäftsführenden Gesellschafter aus der Architektenliste, sondern vor allem in den Handlungen, die zur ­Löschung geführt haben: Die beiden Gesellschafter wurden in einem berufsgerichtlichen Verfahren wegen Verstößen gegen die für Mitglieder der Architektenkammer geltende Berufsordnung „verurteilt“. Trotz Geldbußen habe einer der Geschäftsführer erneut massiv und in hochstaplerischer Weise Verstöße gegen die Berufsordnung begangen, indem er in VOF-Verfahren unrichtige Angaben über verfahrensrelevante Tatsachen gemacht habe, zum Beispiel über die im Architekturbüro fest angestellten Mitarbeiter und deren Berufserfahrung sowie über Referenzprojekte. Damit habe er dem Ansehen des Berufs geschadet.

Kündigungsgründe hängen vom Einzelfall ab

Die auf ein Nachkündigungshonorar gerichtete Widerklage des Planungsbüros wurde also abgewiesen. Damit bestätigte das OLG Stuttgart, dass das Fehlen der Zuverlässigkeit des Architekten ein Kündigungsgrund ist, was der ständigen Rechtsprechung entspricht. Eine allgemeingültige Liste von anerkannten Kündigungsgründen gibt es nicht. Vielmehr ist eine Kündigung immer dann begründet, wenn im konkreten Einzelfall das Festhalten am Vertrag die Schwelle der Unzumutbarkeit erreicht. Dasselbe gilt übrigens auch für Kündigungen durch Architekten, bei denen es stets eines besonderen Grundes bedarf. Freie Kündigungen sind ihnen nicht möglich.

Offenbarungspflicht von fehlender Architekteneigenschaft

Ein anderes interessantes Urteil zum Thema Vertrauen in Architekten hat das OLG Düsseldorf gefällt (Urteil vom 2. Februar 2023, Az.: 22 U 58/22). Danach muss eine Person, die weder in die Architektenliste eingetragen ist noch über die notwendigen Qualifikationen verfügt, um in die Architektenliste eingetragen werden zu können, diesen Umstand offenbaren, wenn sie mit Aufgaben beauftragt werden soll, die regelmäßig nur von Architekten erbracht werden. Denn das Gericht stellt erfreulich klar fest, dass „die Eintragung als Architekt (…) für den Auftraggeber von Architektenleistungen von entscheidender Bedeutung (ist). Sie bietet Gewähr für die Qualifikation des Auftragnehmers. Der eingetragene Architekt unterliegt zudem zahlreichen Standespflichten, die dem Schutz seines Auftraggebers dienen. Schließlich muss der eingetragene Architekt versichert sein.“

Das Gericht meint sogar: Die „Offenbarungspflicht setzt nicht voraus, dass sich der Auftragnehmer als eingetragener Architekt geriert (dann liegt schon eine aktive Täuschung vor). Sie greift vielmehr schon dann ein, wenn ein Auftraggeber Leistungen nachfragt, wie sie üblicherweise von einem Architekten erledigt werden, weil für ihre Erbringung besondere Sachkunde notwendig ist.“ Das sah das Gericht im entschiedenen Fall gegeben: Ein Bauherr hatte an einem Bestandsgebäude Änderungen vornehmen lassen wollen und bereits einen Bauvorbescheid erwirkt. Nun wollte er einen Architekten mit der weiteren Planung, auch der Genehmigungsplanung, beauftragen und schloss darüber einen Planungsvertrag mit einer Person, die nicht Architekt ist, sondern im späteren Verfahren lediglich vortrug, Architektur studiert zu haben.

„Nicht-Architekt“ erhält kein Honorar

Im konkreten Fall wollte ein Auftraggeber die gezahlten Abschläge und eine Summe, die er an ein Vermessungsbüro gezahlt hatte, zurückbekommen. Das Gericht gestand ihm das zu. Und zwar mit dieser Argumentationskette: Hätte der Auftraggeber von der fehlenden Architekteneigenschaft gewusst, hätte er den Beklagten nicht beauftragt, und wäre die Beauftragung nicht erfolgt, hätte er die vom Beklagten gestellten Rechnungen nicht bezahlt und er hätte auch die Rechnung des Vermessungsbüros nicht bezahlen müssen. Deswegen waren die Zahlungen, die der Auftraggeber an den Auftragnehmer geleistet hatte, zurückzahlen. Der „Nicht-Architekt“ ging also (trotz geleisteter Arbeit) leer aus.

Dazu passt auch eine Entscheidung des OLG Koblenz. Dieses hat entschieden, dass ein Innenarchitekt, der allenfalls nur beschränkt bauvorlageberechtigt ist, den Auftraggeber ungefragt darüber aufzuklären hat, wenn es zweifelhaft erscheint, ob er objektiv dazu befugt ist, die Baugenehmigung für das Vorhaben zu beantragen (Urteil vom 25. Februar 2021, Az.: 6 U 1906/19).

Sinah Marx ist stellvertretende Geschäftsführerin und stellvertretende Justiziarin bei der Hamburgischen Architektenkammer

 

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