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Plan und Foto des Augsburger Westparks

Der Augsburger Westpark entstand aus den zwei US-Kasernen Sheridan und Reese. (Klicken für mehr Bilder)

[ Fotostrecke ]

Konversionen: Bahngelände, Zechen und Kasernen werden zu Parks

Unsere Städte sind zu Ende gebaut? Mitnichten! Immer wieder fallen ­große Areale, die schon gar nicht mehr als Teil der Stadt wahr­genommen ­wurden, aus der ­Nutzung. So ergeben sich Chancen für fantastische ­Grün- und Erholungsräume

Förderturm als Aussichtsturm auf alter Zeche
Der rote Förderturm ist ein Wahrzeichen Kamp-Lintforts. Er bietet heute als Aussichtsplattform einen guten Überblick über den 25 Hektar großen Zechenpark.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Innenentwicklung“ im Deutschen Architektenblatt 04.2022 erschienen.

Von Frank Maier-Solgk

Das Grundprinzip ist so bekannt wie einfach: Flächen, deren meist langjährige Vornutzung überholt ist, werden im Hinblick auf neue Nutzungen transformiert. Lange galten Anlagen zur Kohleförderung als prominenteste Muster, aktuell scheint sich der Schwerpunkt neben urbanen Arealen der Bahn auf die Umwandlung ehemals militärisch genutzter Flächen zu verlagern, die nirgendwo größer sind als in Deutschland mit seinen alliierten Garnisonsstädten.

Über das Potenzial und die Bedeutung des Prozesses für die Kommunen besteht angesichts benötigter neuer Wohnflächen kein Zweifel. Wie jedoch hierbei der Bedarf an Freiraum, an ökologisch wie als Freizeitraum wertvollen Zwischenräumen ebenfalls zu seinem Recht kommt, wie die verschiedenen Nutzungsdimensionen auszutarieren sind, das ist – neben dem Umgang mit kulturhistorischem Gebäudebestand – eines der Kriterien, nach denen sich die folgenden Beispiele beurteilen lassen.

Plan Zechenpark Kamp-Lintfort
Das Zechengelände selbst wurde zum Wohnquartier, die angrenzende Brache zum „Zechenpark“.

Zechenpark Kamp-Lintfort: Landesgartenschau als Startschuss

Eine gelungene Balance zwischen heterogenen Nutzungsbedarfen scheint aktuell die Konversion der ehemaligen Kohleförderanlagen in Kamp-Lintfort zu sein. Die linksrheinisch gelegene Doppelstadt verdankt ihre Existenz der 1906 als deutsch-französische Kooperation gegründeten Steinkohlenzeche, die über Jahrzehnte eine Art unzugängliche Mitte der Kommune darstellte. 2012 war „Schicht im Schacht“, 2020 leitete eine Landesgartenschau die Konversion des Areals ein.

Wie oft bei großflächigen Konversionen, erwies sich eine klare Aufteilung des lang gestreckten Geländes entsprechend einem Masterplan von KRAFT.RAUM (2008) als wegweisend: Das 25 Hektar große Zechengelände selbst wurde für die Landesgartenschau zu einem linear gegliederten, temporären Schau- und Veranstaltungsort entwickelt, den ein Investor nun zu einem Wohnquartier für circa 1.000 Personen ausbaut (dreistöckiger Geschosswohnungsbau von New Architekten Keuthen Weichler Schulz und Schulz sowie Ortner & Ortner Baukunst).

Die östlich angrenzende Brache verwandelte das Berliner Büro bbzl – böhm benfer zahiri über die gesamte Länge zu einem großzügig wirkenden, durch Aufschüttungen gegliederten Landschaftspark, der das Zechengelände in die benachbarten städtischen Quartiere hinein öffnet und alte Verbindungen wiederherstellt.

Bäume und Wiese im Zechenpark
Der Zechenpark hat nicht nur industriellen, sondern auch landschaftlichen Charakter.

Abbruchmaterial und kontaminierte Böden verwendet

Landschaftsarchitektin Ulrike Böhm betont, dass man in Kamp-Lintfort – eine Ausnahme für Konversionen unter der Bauherrenschaft der Ruhrkohle AG – über Form und Gestaltung der Aufschüttungen selbst entscheiden konnte, wobei man hierfür die kontaminierten Böden und den Abbruch der abgebauten Kohlefördergebäude verwendete (plus Folie und einer Schicht Rekultivierungsboden).

Es bleibt die Reihe der denkmalgeschützten Betriebsgebäude (Fördermaschinenhaus, Lohnhalle, Lüftergebäude etc.) entlang der Friedrich-Heinrich-Allee im Westen, die der Investor zusätzlich erwarb und derzeit für verschiedene Neunutzungen wie Lofts, Büros, Arztpraxis und Gastronomie instand setzt. Einige Freiflächen werden bereits von der Öffentlichkeit gut genutzt; doch erst nach Abschluss dieser Konversion wird man über die Integration sämtlicher Bereiche des Areals abschließend urteilen können.

Mehr Freizeitsport in der Stadt

Auch wenn mit dem politisch festgelegten Ausstieg aus der Steinkohleförderung ein Ende entsprechender Aufgaben absehbar ist, so stehen allein im Kontext der IGA Metropole Ruhr im Jahr 2027 in der Region mehrere große Projekte dieses Typs an. Freilich: Die längerfristigen Schwerpunkte der Profession sieht Böhm, aktuell Fachsprecherin des BDLA für Städtebau und Freiraumplanung, außer in Klima­anpassungsaufgaben auf unterschiedlichen Ebenen derzeit im Umgang mit der Nutzung städtischer Grünanlagen durch den Freizeitsport, der durch die Corona-Krise zuletzt deutlich wichtiger geworden sei.

Westpark Augsburg: Von der Kaserne zur Prärie

Wie diese hybride Nutzung gelingen kann, sieht man derzeit gut am neuen Augsburger Westpark. Er erstreckt sich in Form eines circa vier Kilometer langen Bandes in nord-südlicher Richtung am Rande der Stadt. So verbindet er zwei zuvor getrennte Stadtteile und wird seinerseits von einem neuen Gewerbepark entlang der Bundesstraße sowie auf der östlichen Stadtseite von neuen Wohnsiedlungen flankiert.

In der Mitte des Bandes verläuft als mäandernde Achse ein asphaltierter, sich gelegentlich gabelnder Weg, von dem separate Gärten wie tropfenförmige ­Inseln abzweigen. 17 solcher markant bepflanzten und auch in ihrer Terrainbildung hervorgehobenen, überwiegend sportlich genutzten Gärten entstanden: Wasserspielplatz, Schaukelspielplatz, Klettergarten, Skatehügel, Beachvolleyballplatz und anderes mehr demonstrieren eine außergewöhnliche Vielfalt. Die Landschaftsarchitekten Lohaus Carl Köhlmos (Hannover), die den 2004 ausgeschriebenen Wettbewerb für die Freiraumanlagen gewonnen hatten, wurden hierfür 2021 mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnet.

Amerikanische Wiesenlandschaft

Das übrige Parkgelände beließen sie als offene Wiesenlandschaft, auf der der erhaltene Baumbestand wohltuende Akzente setzt und hiermit bewusst an amerikanische Prärielandschaften erinnert – mehr als 50 Jahre lang, von 1945 bis 1998, hatten auf dem Gelände der Sheridan– und der Reese-Kasernen bis zu 15.000 GIs samt ihren Familien gelebt und dort ihren Dienst absolviert. Zum amerikanischen Bild tragen neben der Flora auch die beiden einzigen erhaltenen Gebäude jener Phase bei: die „Chapel“ mit ihrem Spitzturm sowie das Kasino am Südende des Parks, das ursprünglich in den 1930er-Jahren als NS-Repräsentationsbau errichtet worden war. Die eigentlichen US-Kasernen selbst sind längst abgerissen und neuen Wohn- und Gewerbebauten gewichen.

Dreiteilung für Gewerbe, Wohnen, Landschaft

Dass das Gesamtensemble in seinen Aufteilungen insgesamt überzeugend wirkt, das habe, wie die Landschaftsarchitekten betonen, auch damit zu tun, dass man seitens des Bauherrn sich schon mit den ersten Bebauungsplänen auf eine Dreiteilung in Gewerbe, Wohnen und den grünen Freizeitraum in der Mitte – mit etwa gleichen Anteilen – festgelegt habe. Dadurch konnte vermieden werden, dass die Arbeit der Landschaftsarchitekten zum bloßen „Sahnehäubchen“ einer ansonsten dominierenden neuen Wohnbebauung wurde.

BImA hat noch viele Kasernen im Angebot

Was in Augsburg in einem längeren Prozess zum Abschluss gebracht wurde, steht andernorts noch bevor. In Mannheim und Heidelberg, in München oder Garmisch haben die Amerikaner ihre militärischen Stützpunkte ebenso verlassen wie die Franzosen in Tübingen oder die Engländer in Celle, Hameln, Münster oder Osnabrück. Die Verwaltung der Liegenschaften erfolgt durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA), deren aktuelles Verkaufsportfolio für die Jahre 2022 bis 2026 laut Auskunft rund 4.000 Hektar an Konversionsfläche beinhaltet – vor allem militärische Anlagen –, die entweder in Verhandlungen mit den Kommunen direkt im Wege des Erstzugriffs oder auf dem freien Grundstücksmarkt angeboten werden.

Die konkreten Umwandlungspläne sind breit gefächert. Mit 100 Hektar wird das ehemalige Patrick-Henry-Village vor den Toren Heidelbergs zum Wissenschaftsstandort ausgebaut werden; fast immer geht es bei diesen Planungen um die flächenmäßige Kombination mehrerer Nutzungsschwerpunkte.

Plan der Gleislinse in Berlin
Die „Gleis­linse“, ein ehemaliger Rangierbahnhof im Berliner Südosten, verbindet Erholung und Naturschutz.

Noch immer liegen Bahnflächen brach

Dass Bahngelände heute noch zu den relevanten Flächen für aktuelle Konversionsvorhaben zählen, würde man in einer Zeit der (angekündigten) ökologischen Mobilitätswende nicht unbedingt annehmen. Dennoch gibt es sie, die verlassenen Rangieranlagen, ehemaligen Bahnbetriebswerke, aufgelassenen Güterbahnhöfe oder auch die lange übersehenen Brachen links und rechts der Gleisanlagen, die als neue Eingangstore der Großstädte nicht nur als Bürostandorte taugen.

Auffallend vielfältig sind derzeit die entsprechenden Konversionsaktivitäten in Berlin, wo nach dem Aushängeschild des Parks auf dem historischen Gleisdreieck in Kreuzberg sich gleich mehrere Projekte in der Planung befinden: Da gibt es den ehemaligen Rangierbahnhof Berlin-Pankow, für den vor Kurzem eine Grundsatzvereinbarung zur Nachnutzung für ein „vitales und lebendiges Wohnquartier“ getroffen wurde; da ist das Areal des ehemaligen Güterbahnhofs Berlin-Köpenick, auf dem man plant, 1.800 Wohnungen zu errichten; derzeit werden hierfür städtebauliche Werkstattverfahren durchgeführt.

Geh- und Radweg in der Berliner Gleislinse
Ein Geh- und Radweg wurde in die vorhandenen Strukturen aus Schotter und Vegetation integriert, in denen sich im Laufe der Jahre bedrohte Tierarten wie Zauneidechsen und Steinschmätzer – eine sehr seltene Vogelart – niedergelassen hatten.

Gleislinse Berlin: Animal Aided Design

Bei beiden Projekten scheinen die Prioritäten des Wohnungsbaus den zukünftigen Grünflächen eher enge Grenzen zu setzen. Dagegen nimmt sich das gerade fertiggestellte Gelände der sogenannten Gleislinse nahe dem Wissenschaftsstandort Berlin-Adlershof, das bis 1998 als Rangierbahnhof diente, ungewöhnlich aus – nicht nur, weil es der Errichtung der Gewerbebauten vorausging.

Bei der Konversion eines etwa einen Kilometer langen Streifens zwischen Bahngleisen und Gewerbebauten haben Schönherr Landschaftsarchitekten (Berlin) ausnahmsweise die Idee der Verbindung von Erholungsfläche und Naturschutz („Animal Aided Design“) umsetzen können, indem sie einen neu angelegten Geh- und Radweg in die vorhandenen Strukturen aus Schotterflächen und ortstypischer Ruderalvegetation integrierten, die sich zudem für die zuvor zufällig im Umfeld entdeckte Zauneidechse als geeignetes Habitat erwiesen. Gestalterisches Hauptmerkmal sind außerdem Relikte der Bahnnutzung wie die aufgetürmten Betonschwellen und die im Abstand von je 100 Metern angebrachten Hektometerzeichen, die tatsächlich den spezifischen ästhetischen Charakter vermitteln.

Weitere Beiträge finden Sie in unserem Schwerpunkt Draußen.

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