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[ Abnahme ]

Abnahme und Restleistungen: Wann endet die Leistungsphase 8?

Wie ausstehende Bauleistungen auf die Abnahmereife des Architektenwerks durchschlagen können – und welche Auswege es für bauüberwachende ­Architekten gibt

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Gefangen in Leistungsphase 8“ im Deutschen Architektenblatt erschienen.

von Thomas Ryll und Tobias Wellensiek

Wer auch immer der sprichwörtliche Dritte sein mag, der sich bei einem Streit zwischen Bauherrn und Bauunternehmer freut – der bauüberwachende Architekt ist es sicherlich nicht. Wenn der Bauunternehmer gegenüber dem Besteller die Erbringung von Rest- und Mängelbeseitigungsleistungen, die Übergabe der Dokumentation oder gar die Stellung seiner Schlussrechnung verweigert, ergibt sich für den Bauüberwachenden folgendes Problem: Er kann die Grundleistungen der Leistungsphase 8 nicht abschließen.

Unmittelbaren Einfluss darauf, ob und wann der Unternehmer die ausstehenden Leistungen erbringt, hat der Architekt nicht. Verlangt er vom Bauherrn die Abnahme seiner Leistungen, wird sein Abnahmebegehren typischerweise unter Verweis auf den fehlenden Abschluss der bauunternehmerischen Leistung zurückgewiesen. Schließlich sei noch die Mängelbeseitigung zu überwachen, die Dokumentation zusammenzustellen und die Schlussrechnung zu prüfen. Es stellt sich die Frage, ob der Bauherr dem Architekten dann tatsächlich die Abnahme verweigern darf.

Voraussetzungen der Abnahme

Architektenleistungen sind abzunehmen, wenn diese vollständig vertragsgemäß erbracht sind (siehe DAB 03.2021, „Leistungsphase 5: wann abnahmereif?“ und DAB 05.2018, „Abnehmen leicht gemacht“). Unwesentliche Mängel oder Restleistungen stehen der Abnahmereife nicht entgegen.

Für die Bestimmung der Leistungspflichten ist der geschlossene Vertrag mit den darin beschriebenen Leistungspflichten maßgeblich. Wird zur Beschreibung der Leistungspflichten auf die Grundleistungen der HOAI verwiesen, gehören zu den Leistungen der Objektüberwachung unter anderem die systematische Zusammenstellung der Dokumentation, das Überwachen der Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel und die Rechnungsprüfung. Diese Grundleistungen gelten erst dann als vollständig erbracht, wenn der Architekt alle von den Unternehmern geschuldeten Dokumentationsunterlagen zusammengestellt und übergeben hat, alle bei der Abnahme festgestellten Mängel und Restleistungen erledigt und sämtliche Schlussrechnungen geprüft sind.

Unwesentliche Mängel und Restleistungen

Der Bauherr darf aber die Abnahme der Architektenleistungen bei nur unwesentlichen Mängeln oder Restleistungen nicht verweigern. Ein Mangel ist nach der Rechtsprechung unwesentlich, wenn es unter Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Besteller zumutbar ist, eine zügige Abwicklung des gesamten Vertragsverhältnisses nicht länger aufzuhalten und deshalb nicht mehr auf den Vorteilen zu bestehen, die sich ihm vor vollzogener Abnahme bieten. Dabei sind insbesondere Art, Umfang und Auswirkungen des Mangels zu berücksichtigen. Hiernach kann Unwesentlichkeit anzunehmen sein, wenn nur noch vereinzelte Teile von Grundleistungen fehlen, zum Beispiel ausstehende Schlussrechnungsprüfungen in Gewerken, deren Auftragswert in Summe lediglich einen geringen Prozentteil des Gesamtbauvolumens ausmacht.

Reduzierung der Leistungspflichten?

Teilweise wird auch die Auffassung vertreten, der Architekt habe seine Leistungen abnahmereif erbracht, wenn er alles in seiner „Macht” Stehende getan hat, damit der Bauunternehmer die bei ihm ausstehenden Leistungen erfüllen kann. Komme der Bauunternehmer beispielsweise einer Mängelrüge nicht nach, obwohl ihn der Bauherr dazu aufgefordert und eine Frist gesetzt habe, sei die Leistungsverpflichtung des Planers erfüllt, da die Vertragserfüllung des Planers nicht davon abhängig sei, ob der Bauunternehmer seiner Verpflichtung nachkomme. Das ist aber streitig und von der Rechtsprechung bislang noch nicht bestätigt.

Verzug des Auftraggebers bei Mitwirkungshandlungen

Es ist zwar der Architekt, der im Rahmen der Planung und Bauausführung die Leistungen der anderen am Bau Beteiligten in technischer Hinsicht zu koordinieren und zu integrieren hat. Wenn aber der Bauherr vertragsrechtlich der Auftraggeber der Bauunternehmer ist, hat er dafür zu sorgen, dass diese rechtzeitig alle Leistungen erbringen, die erforderlich sind, um den anderen am Bau Beteiligten – also auch dem Architekten – die Erbringung ihrer Leistungen zu ermöglichen.

Die Nichterfüllung der Leistungspflichten durch den Bauunternehmer führt also gleichzeitig dazu, dass der Auftraggeber gegenüber dem Architekten bestimmte Mitwirkungsleistungen nicht erbringen kann. Denn den Bauherrn trifft im Verhältnis zum Architekten die Obliegenheit, die notwendigen „Vorleistungen“ zur Verfügung zu stellen, die der Architekt benötigt, um die von ihm geschuldeten Leistungen ordnungsgemäß erbringen zu können (zum Beispiel die Beseitigung der Abnahmemängel durch den Bauunternehmer als notwendige Vorleistung, um dem Architekten die Überwachung derselben zu ermöglichen). Die Verletzung der Obliegenheit durch den Bauherrn begründet eine Behinderung des Architekten. Das löst die Rechtsfolgen eines sogenannten Annahmeverzugs des Auftraggebers aus.

Leistungsphase 8 abschließen: Praktische Hinweise

Sofern der Architekt Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen kann, empfiehlt es sich, vertraglich Vorsorge zu treffen. In Anlehnung an die „Orientierungshilfen zur Vertragserstellung“ der Architektenkammern ist eine globalere Beschreibung der zu erbringenden Leistungen möglich, die nicht die Abarbeitung aller HOAI-Grundleistungen vorsieht. Erfolgt die Leistungsbeschreibung hingegen – wie üblich – durch Inbezugnahme auf die HOAI, stellt sich aus Architektensicht die Frage, wie das Problem gelöst werden kann. Hier gilt es zu unterscheiden:

  • Erbringt der Bauunternehmer vertraglich geschuldete (Nach-) Erfüllungsleistungen nicht (zum Beispiel Erstellen der Dokumentation, Beseitigung von Abnahmemängeln), sind die Handlungsmöglichkeiten des Architekten begrenzt. Er kann und muss im Rahmen der ihn betreffenden Beratungspflichten auf die Nacherfüllung hinwirken, um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Bauherr seine Ansprüche gegen das Bauunternehmen notfalls auf dem Rechtsweg geltend machen kann. Der Architekt hat hingegen keinen unmittelbaren Einfluss darauf, ob und wie der Bauherr die Durchsetzung seiner Ansprüche betreibt. Um zu vermeiden, auf ewig in der Leistungsphase 8 „verhaftet“ zu bleiben, kann – als Ultima Ratio – eine Kündigung wegen unterlassener Mitwirkung des Bauherrn nach §  643 BGB in Erwägung gezogen werden. Denkbare Entschädigungsansprüche nach § 642 BGB werden aufgrund der damit verbundenen Nachweisschwierigkeiten in der Regel ausscheiden.
  • Verweigert der Bauunternehmer „nur” die Schlussrechnungslegung, ist die Ausgangslage für den Architekten besser. Er hat den Bauherrn bei VOB/B-Verträgen zur Vorbereitung einer Ersatzschlussrechnung des Bauunternehmers zunächst dahingehend zu beraten, den Bauunternehmer unter Fristsetzung zur Schlussrechnungslegung aufzufordern (§ 14 Abs. 4 VOB/B). Nach fruchtlosem Ablauf der Frist kann die Ersatzschlussrechnung auf Kosten des Unternehmers aufgestellt werden. Hierzu ist der Architekt meist selbst in der Lage und kann diese Leistungen dem Bauherrn im Wege eines Nachtrags als zusätzliche Leistung anbieten (zur steuerrechtlichen Verpflichtung zur Aufstellung von Rechnungen siehe DAB 04.2021, „Strich durch die Rechnung“).
  • Der Architekt kann „ab der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers (…) eine Teilabnahme der von ihm bis dahin erbrachten Leistungen verlangen” (§ 650 s BGB), wenn der Architektenvertrag nach dem 31. Dezember 2017 geschlossen wurde. Zu beachten ist jedoch, dass die Voraussetzungen für diese Teilabnahme nach verbreiteter Rechtsauffassung nicht vorliegen, wenn auch nur ein vom Architekten zu verantwortendes Ausführungsgewerk noch nicht abnahmereif geleistet hat. Demgegenüber kommt § 650 s BGB zugunsten des Architekten zum Zug, wenn die Leistung des Bauunternehmers abgenommen wurde, dieser aber noch keine Schlussrechnung gestellt hat.

Thomas Ryll ist Syndikusrechtsanwalt bei a|sh sander.hofrichter architekten in Ludwigshafen. Tobias Wellensiek ist Rechtsanwalt, ­Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Partner bei Melchers Rechtsanwälte in Heidelberg.

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