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[ Urteil ]

Ersatzneubau: Haben Urheber im Vergabe­verfahren Vorrang?

Ein Münchener Gericht entschied im Streit ­zwischen Auftraggeber und den Erben eines Urhebers: Das Vergaberecht schützt den freien Wettbewerb, aber nicht unbedingt das ­Urheberrecht des Architekten

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Urheber im Vergabeverfahren schutzlos?“ im Deutschen Architektenblatt 06.2021 erschienen.

Von Lia Möckel

Eine öffentliche Auftraggeberin kann bei der Umnutzung, Erweiterung oder Generalsanierung von urheberrechtlich geschützten Bauwerken Aufträge direkt im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben. Voraussetzung ist, dass der Auftrag wegen des Schutzes von sogenannten ausschließlichen Rechten nur von einem ganz bestimmten Unternehmen erbracht werden kann, § 14 Abs. 4 Nr. 2c Vergabeverordnung (VgV).

Ob sich damit aber aus urheberrechtlichen Schutzansprüchen ein Anspruch auf Direktvergabe ergibt, hatte am 28. September 2020 (Az.: Verg 3/20) das Oberlandesgericht (OLG) München zu entscheiden.

Welche Vergabeart?

Grundlage der Entscheidung sind unterschiedliche Auffassungen über die richtige Vergabeart. Dabei ging es um Planungsleistungen zu einem Ersatzneubau sowie einer Generalsanierung von Gebäuden einer Campus-Anlage mit Heimgebäuden und einer Schule für Sehbehinderte. Die Vergabestelle schrieb die Planungsleistungen in zwei Losen nach der VgV als Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus.

Teilnahmewettbewerb oder Direktvergabe?

Die Erbinnen und Erben des Architekten, der die Ursprungsanlage geplant hatte, beriefen sich darauf, dass der Komplex, bestehend aus den sternförmigen Heimgebäuden und dem riegelförmigen Schulgebäude, insgesamt als Werk der Baukunst urheberrechtlich geschützt sei. Damit stehe ihnen das Urheberrecht oder zumindest ein ausschließliches Nutzungsrecht zu und sie seien als Einzige in der Lage, die Aufträge auszuführen. Die Erben sind der Ansicht, aus der Planung eines „Ersatzneubaus“ ergebe sich zwingend, dass die Vergabestelle einen Abriss des urheberrechtlich geschützten Sternbaus voraussetze. Demnach sei die Vergabestelle nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet gewesen, die Aufträge direkt an sie zu vergeben, da aufgrund des Urheberrechtsschutzes alle anderen Bieterinnen als ungeeignet anzusehen seien.

Schutz des Wettbewerbs

Nach Ansicht des OLG München räumt § 14 Abs. 4 Nr. 2c VgV der Vergabestelle lediglich die Möglichkeit ein, auf den Teilnahmewettbewerb zu verzichten, eine diesbezügliche Pflicht lasse sich hieraus nicht ableiten. Nach der Zielsetzung des Vergaberechts ist der Regelfall die transparente Vergabe sowie die Eröffnung und der Schutz des Wettbewerbs, nicht dessen Einschränkung. Somit sei lediglich die Begrenzung des Wettbewerbs als Ausnahme zu rechtfertigen – nicht aber umgekehrt der Regelfall eines Wettbewerbs.

Schutz der Vergabestelle

Darüber hinaus diene die Möglichkeit der Direktvergabe allein dem Schutz der Vergabestelle, um Zeit- und Kostenaufwand zu sparen, der mit einem Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb verbundenen wäre. Damit sei jedoch nicht der Schutz von Bieterinnen bezweckt, die damit bei einer Direktvergabe leichter und ohne konkurrierende Mitbieter zum Vertragsschluss gelangen können. Ein Anspruch der Bieter auf fehlende Konkurrenz ist dem Vergaberecht fremd.

Urheber haben keinen Anspruch auf Folgeauftrag

Ob das Werk letztendlich urheberrechtlich geschützt ist, bedürfe keiner vergaberechtlichen Klärung. Dem Urheber (oder seinen Erbinnen) stehe, in der Regel, kein unbegrenzter Anspruch auf Erteilung sämtlicher weiterer Aufträge zur Änderung eines Bauwerks zu. Eine solche Zielsetzung sei wenig vereinbar mit dem deutschen Vergaberecht. Zudem gewähre das Urheberrecht zwar Abwehrrechte gegen Veränderungen und Entstellungen, einen Anspruch, bei Umbaumaßnahmen mit entsprechenden Architektenleistungen direkt beauftragt zu werden, ließe sich daraus aber gerade nicht ableiten.

Urheberrecht stellt kein Planungsverbot dar

Im vorliegenden Fall hatte die Vergabestelle ohnehin lediglich Planungsleistungen ausgeschrieben. Eine bloße Planung stelle weder eine Änderung noch eine Entstellung der Bauwerke oder der Gesamtanlage dar. Ein Denk- oder Planungsverbot enthalte das Urheberrecht gerade nicht. Insofern könnten die Planungsleistungen auch von anderen Bieterinnen erbracht werden. Zwar genießt auch das Planungswerk eines Architekten urheberrechtlichen Schutz – beispielsweise im Hinblick auf die Frage eines Nachbaurechtes nach den Plänen.

In dieses Schutzgut wird allerdings durch die Umplanung des Bestandsgebäudes nicht eingegriffen. Laut dem OLG seien Urheberinnen im Übrigen nicht schutzlos gestellt, da es ihnen bei einem rechtswidrigen Eingriff in Urheberschutzrechte offenstehe, ihre Ansprüche mittels einer Klage vor den Zivilgerichten geltend zu machen.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil dürfte in seiner Begründung konsequent sein, da die bisherige Rechtsprechung ohnehin dem Urheber eines Bauwerkes keinen Anspruch auf Beauftragung zubilligte. Nicht jede Änderung stellt einen unzulässigen Eingriff in das Urheberrecht dar. Vielmehr bedarf es sowohl bei einer Änderung als auch bei der Entstellung einer umfassenden Interessenabwägung, die jedoch auch zugunsten einer Urheberin ausfallen kann. Dies zu entscheiden, ist im Streitfall dann Aufgabe des Zivilgerichtsverfahrens. Architekten sind deswegen regelmäßig gut beraten, bei urheberrechtlichen Streitigkeiten mit Augenmaß vorzugehen und gemeinsam mit den Auftraggebern einen gerechten Ausgleich der Interessen auszuhandeln.

Lia Möckel ist Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) bei der ­Bayerischen Architektenkammer

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