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Baurecht: die wichtigsten Urteile 2019

Der Architektenberuf lässt sich ohne aktuelle Rechtskenntnisse kaum ausüben. Eine Übersicht über jüngste gerichtliche Entscheidungen, die Sie kennen sollten

Von Fatemeh Noghabaie

Urteile zu diesen Themen werden besprochen:

Barzahlung auch gegen Quittung kann für „Schwarzgeldabrede“ sprechen

Mangelhafte Planung trotz Übereinstimmung mit DIN-Normen

Leitungen im Boden: überwiegendes ­Mitverschulden des Bauherrn

Straftat in anderem Berufsfeld kann zur Löschung aus der Architektenliste führen

Keine Haftung des Architekten für fiktive Mängelbeseitigungskosten

Treppe zu kurz: Bauüberwachungsfehler allein reicht nicht für außerordentliche Kündigung

Handwerkliche Selbstverständlichkeiten müssen nicht überwacht werden, eine Abwasserleitung schon

Hinweispflicht des bauüberwachenden Architekten bei Rechnungsprüfung

Architektengutachten ist Werkvertrag


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Barzahlung auch gegen Quittung kann für „Schwarzgeldabrede“ sprechen

Ein Steuerpflichtiger, der für seine Werkleistung keine Steuern zahlt, leistet Schwarzarbeit gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG. Wie bekannt sein sollte, hat ein solcher Verstoß die Nichtigkeit des Werkvertrages (§ 134 BGB) mit weitreichenden Konsequenzen für beide Vertragsseiten zur Folge (siehe DAB 10.2018, „Risiko Schwarzarbeit“ und DAB 04.2016, „Vertrag nichtig!“): So verliert der Auftraggeber seine Gewährleistungsansprüche, der Auftragnehmer seinen Vergütungsanspruch – auch eventuelle Rückforderungsrechte können meist nicht mehr durchgesetzt werden.

So verwehrte auch das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig in seinem Beschluss vom 7. Januar 2019 einem Auftraggeber die Rückforderung eines Kostenvorschusses. Diesen hatte der Auftraggeber dem Auftragnehmer für die Beseitigung von Mängeln bar gezahlt und im Gegenzug eine Quittung erhalten, die jedoch die Mehrwertsteuer nicht auswies. Der Vorschuss wurde zudem nach Abschluss der Arbeiten in der Rechnung nicht aufgeführt. Das OLG kommt zu dem Schluss, dass dem Auftraggeber bewusst war, dass der Auftragnehmer diesen Teil der Vergütung nicht habe versteuern wollen. Zudem war er damit auch einverstanden, da er nicht auf eine vollständige Rechnung bestanden habe.

Der Umstand, dass die Barzahlung quittiert worden sei, beseitige nicht den Zweck einer Schwarzgeldzahlung. Auf der Quittung sei nämlich gerade nicht die Mehrwertsteuer und auch kein Betreff aufgeführt worden. Die Quittung sei damit für die Dokumentation gegenüber Behörden und Finanzämtern offensichtlich ungeeignet. Auch dem Einwand, dass die Barzahlung zwischenzeitlich ordnungsgemäß verbucht und der Auftragnehmer seiner Steuerpflicht nachgekommen sei, erteilt das OLG eine Absage. Denn auch für Abschläge gelte die Rechnungslegungs- und Vorauszahlungspflicht des Unternehmers. Da der Auftragnehmer für die Barzahlung keine Rechnung ausgestellt habe, habe er jedenfalls seine Zahlungspflicht innerhalb des Voranmeldezeitraums nicht erfüllt.

Wie weitreichend die Folgen einer Schwarzgeldabrede sind, zeigt auch eine Entscheidung des LG Erfurt. Das Landgericht urteilte, dass Gewährleistungsansprüche auch nicht gegenüber dem Bauunternehmer geltend gemacht werden können, wenn ein wegen einer Schwarzgeldabrede nichtiger Generalplanervertrag mit dem Architekten vorliegt. Der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verbiete dabei eine bloße Kürzung der Haftungsansprüche. Vielmehr sei die Haftung des Bauunternehmers vollumfänglich ausgeschlossen.

Architekten sollten beachten, dass ein Gericht einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG in Verbindung mit § 134 BGB auch von Amts wegen prüfen kann, sofern entsprechende Indizien wie Arbeiten erheblichen Umfangs ohne schriftliche vertragliche Grundlage vorliegen: zum Beispiel Barzahlungen ohne Rechnung oder Vereinbarung eines Stundensatzes, der deutlich unter den Stundensätzen liegt, die bei ordnungsgemäß mit Steuern und Abgaben belegten Geschäften üblich sind.

OLG Schleswig, Beschluss vom 7. Januar 2019, Az.: 7 U 103/18
LG Erfurt, Urteil vom 11. März 2019, Az.: 10 O 1069/12


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Mangelhafte Planung trotz Übereinstimmung mit DIN-Normen

Eine Planung kann auch dann mangelhaft sein, wenn sie zwar mit den DIN-Normen übereinstimmt, jedoch nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht (siehe auch DAB 02.2019, „Allgemein anerkannt“). Die Übereinstimmung mit den DIN-Normen stellt lediglich eine Vermutung dar, dass die Planung den anerkannten Regeln der Technik entspreche. Diese Vermutung kann jedoch widerlegt werden – so auch in einem aktuellen Fall, in dem es um eine Keller-Außenwand-Abdichtung durch WU-Betonbodenplatten und eine kunststoffmodifizierte Bitumendickbeschichtung ging. Diese entsprach trotz Übereinstimmung mit der DIN 18195-6 beziehungsweise DIN 18533 nicht den anerkannten Regeln der Technik. Architekten sollten sich immer wieder vor Augen führen, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen, sondern „private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter“ (so der BGH) sind.

OLG Hamm, Urteil vom 14. August 2019, Az.: 12 U 73/18 – nicht rechtskräftig


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Leitungen im Boden: überwiegendes ­Mitverschulden des Bauherrn

Um die Eignung des Baugrunds zu ermitteln, sollten zuvor Leitungsverläufe geklärt werden. Generell seien Architekten, die mit den Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 der HOAI beauftragt sind, hierzu verpflichtet, so das OLG Frankfurt am Main. Hat jedoch der Bauherr dem Einbau einer Leitung zu einem früheren Zeitpunkt zugestimmt und weiß er somit um deren Verlauf, überwiege sein Mitverschulden. Entstehen dann Bauverzögerungen, weil in öffentlich-rechtlichen Bebauungsplanunterlagen diese Leitungen nicht verzeichnet sind, haften die Architekten letztlich nicht. Der Bauherr ist also verpflichtet, zu dokumentieren und anlässlich einer späteren Bebauung offenzulegen, dass und wo Leitungen im Grundstück verlegt sind.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30. September 2019, Az.: 29 U 93/18


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Straftat in anderem Berufsfeld kann zur Löschung aus der Architektenliste führen

Eine Steuerhinterziehung über mehrere Jahre kann – auch wenn sie in einem gänzlich anderen Berufsfeld begangen wird – die Annahme der Unzuverlässigkeit für den gleichzeitig ausgeübten Beruf des Architekten begründen. Da es dem Architekten unter anderem obliegt, die Vermögensinteressen des Bauherrn zu beachten, und er verpflichtet ist, unabhängig von eigenen finanziellen Interessen und übertriebener Gewinnorientierung zu handeln, kommt das OVG Saarland zu diesem Schluss: Eine als „Szenewirt“ begangene Straftat der Steuerhinterziehung zeige, dass genau diese Berufspflichten nicht mehr erfüllt werden können. Vielmehr sei zu befürchten, dass der Architekt gegenüber Bauherren die eigenen Vermögensinteressen in den Vordergrund stelle und nicht mehr unabhängig und als Sachwalter der Bauherren tätig werde. Deswegen sei der Architekt aus der Architektenliste zu löschen. In der Rechtsprechung haben sich bereits Einzelfälle zu Löschungsgründen entwickelt (siehe DAB 02.2019, „Zuverlässig oder nicht?“).

OVG Saarland, Beschluss vom 11. November 2019, Az.: 1 A 338/18


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Keine Haftung des Architekten für fiktive Mängelbeseitigungskosten

Der Auftraggeber hat grundsätzlich Anspruch auf Mängelbeseitigungskosten, wenn vom Architekten Planungs- und Überwachungsfehler zu vertreten sind, die sich im Bauwerk bereits ausgewirkt haben. Allerdings setzt ein solcher Anspruch voraus, dass der Auftraggeber die Baumängel tatsächlich beseitigt hat, somit hierfür tatsächlich Kosten angefallen sind. Ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten gegen den Architekten scheidet aus. Damit hält der BGH weiterhin an seiner Rechtsprechungsänderung von 2018 hinsichtlich fiktiver Mängelkosten fest (siehe DAB 11.2018, „Fiktiver Schaden nicht ersetzt“) und wendet sie ausdrücklich auf Architekten-Fälle an.

BGH, Urteil vom 21. November 2019,  Az.: VII ZR 278/17


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Treppe zu kurz: Bauüberwachungsfehler allein reicht nicht für außerordentliche Kündigung

Ob Mehrkosten eines stillstehenden Bauvorhabens geltend gemacht werden können, hatte das OLG Dresden zu entscheiden. Der Bauherr hatte den Architekten außerordentlich gekündigt (und sodann das Bauvorhaben gestoppt), da diese bei der Errichtung des Einfamilienhauses ein Fehlmaß der Fertigteiltreppe von circa drei bis vier Zentimetern übersehen hätten. Der vom Bauherrn verlangte Rück- und Neuaufbau der Böden und der Fußbodenheizung wurde von den Architekten mit der – zutreffenden! – Begründung, dies sei technisch nicht erforderlich, verweigert. Die Fertigstellung wurde nach einer Verzögerung, dann aber auf Basis eines Vorschlags der Architekten fortgesetzt. Die aus der Verzögerung resultierenden Mehrkosten wollte der Bauherr von den Architekten ersetzt bekommen.

Das OLG lehnte die Geltendmachung dieses Kündigungsfolgeschadens ab, da der Auftraggeber ohne ausreichenden Grund gekündigt habe. Die festgestellten Verletzungen der Überwachungspflichten seien hierfür nicht ausreichend. Vielmehr setze eine außerordentliche Kündigung voraus, dass die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses aufgrund einer grundlegenden Störung des Vertrauens nicht mehr zumutbar wäre. Auch die Weigerung, den Rückbau anzuordnen, begründe kein Kündigungsrecht, da die von den Architekten vorgeschlagene technische Lösung zutreffend gewesen und letztendlich auch ausgeführt worden sei.

Zu beachten ist, dass eine außerordentliche Kündigung grundsätzlich nur bei erheblichen Pflichtverletzungen (wie zum Beispiel beim Bauen ohne Genehmigung, bei erheblicher Überschreitung der vorgegebenen Baukosten oder bei Verletzung wesentlicher Aufklärungspflichten) und meist nur bei vorheriger Abmahnung in Betracht kommt.

OLG Dresden, Urteil vom 4. Juli 2019, Az.: 10 U 1402/17


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Handwerkliche Selbstverständlichkeiten müssen nicht überwacht werden, eine Abwasserleitung schon

Ist der Architekt mit der Objektüberwachung beauftragt, muss er die Arbeiten grundsätzlich in angemessener und zumutbarer Weise überwachen und sich durch häufige Kontrollen vergewissern, dass seine Anweisungen sachgerecht erledigt werden. Er muss sich jedoch nicht ständig auf der Baustelle aufhalten. Handwerkliche Selbstverständlichkeiten, deren Beherrschung durch den Bauunternehmer vorausgesetzt werden kann, müssen nicht vom Architekten überwacht werden; er darf sich insoweit bis zu einem gewissen Grad auf die Zuverlässigkeit und auf eine ordnungsgemäße unternehmerische Bauausführung verlassen. Nur bei wichtigen oder kritischen Baumaßnahmen, die erfahrungsgemäß ein hohes Mängelrisiko aufweisen, besteht eine erhöhte und intensive Überwachungspflicht.

Dies kann bei der Verlegung von Abwasserleitungen der Fall sei. So entschied das OLG Brandenburg in zwei Fällen, dass es an der ordnungsgemäßen Objektüberwachung fehlt, wenn der damit beauftragte Architekt das Verlegen von Abwasserleitungen nicht stichprobenartig überwacht. Das OLG begründet dies damit, dass die Abwasserleitungen nach der Ausführung verdeckt sind. Vorher hingegen könne die Ausführung mit sehr mäßigem Aufwand überprüft werden. Denn bei noch offenem Graben hätten der Durchmesser, das Gefälle und die Rohrleitungsführung im Rahmen einer Sichtprüfung erkannt werden können. Damit bewahrheitet sich wieder der alte Rat: „Lieber einmal zu viel, als einmal zu wenig“.

OLG Brandenburg, Urteil vom 23. Januar 2019, Az.: 4 U 59/15
OLG Brandenburg, Urteil vom 24. Oktober 2019, Az.: 12 U 47/19


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Hinweispflicht des bauüberwachenden Architekten bei Rechnungsprüfung

Sofern der bauüberwachende Architekt im Bauleitvertrag mit der Rechnungsprüfung beauftragt ist, hat er zu überprüfen, ob der von einem ausführenden Unternehmer erreichte Leistungsstand in Quantität und Qualität eine in Rechnung gestellte Zahlung rechtfertigt. Sollte dies nicht der Fall sein, besteht eine Hinweispflicht des bauüberwachenden Architekten darauf, in welchem Umfang die von dem Unternehmer geforderte Zahlung überhöht ist, um ihn vor einer ungerechtfertigten Zahlung an den Unternehmer zu bewahren. Wird diese Pflicht verletzt und leistet der Bauherr deshalb eine überhöhte Zahlung an den ausführenden Unternehmer, entsteht dem Bauherren mit der Zahlung ein Schaden in Höhe des überhöhten Betrages. Diesen Schaden muss der bauüberwachende Architekt dem Bauherrn ersetzen (siehe auch DAB 08.2017, „Mit schlechten Empfehlungen“).

KG Berlin, Urteil vom 11. Juni 2019, Az.: 21 U 142/18


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Architektengutachten ist Werkvertrag

Entspricht die horizontale Abdichtung zwischen der Bodenplatte und den Wänden eines im Bau befindlichen Hauses den anerkannten Regeln der Technik? Mit dieser Frage beauftragte der Bauherr einen Planer, der unzutreffend feststellte, dass die Abdichtung nicht den Regeln der Technik entspreche. Die Beantwortung einer solchen Frage stelle nach der Entscheidung des OLG Brandenburg eine gutachterliche Tätigkeit des Planers dar. Und da Ziel der Begutachtung die Sicherstellung der Funktionalität des Bauwerks gewesen sei, sei auch der hinreichende und erkennbare Bezug zur Bauleistung gegeben und die Tätigkeit als Überwachungsleistung zu werten. Anders als bei sonst üblichen, rein feststellenden Gutachten liege in diesem Fall ein Werkvertrag vor. Ist diese Werkleistung wie in diesem Fall mangelhaft, gilt demnach die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB und nicht die allgemeine dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB.

Architekten sollten nicht vergessen, dass Begehungsberichte und andere Kurzgutachten als Werkverträge einzuordnen sind und damit der längeren Verjährungsfrist unterliegen! Damit diese Frist alsbald zu laufen beginnt, sollten Architekten eine solche Leistung wie jede andere Planungsleistung auch belegbar abnehmen lassen. Die Architektenkammern halten hierzu Formulare bereit.

OLG Brandenburg, Urteil vom 19. Juli 2019, Az.: 7 U 164/18


Fatemeh Noghabaie ist Rechtsreferendarin und zurzeit im Rahmen ihrer Wahlstation bei der Bayerischen Architektenkammer tätig

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