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Museum der Fondation Louis Vuitton von Frank Gehry

[ Holzbau ]

Holz mit Schwung

Der moderne Ingenieurholzbau bietet hohe gestalterische Freiheit und macht eine visionäre Architektur möglich. Weil die Konstruktionen immer schlanker werden, lassen sich auch anspruchsvolle Formen wirtschaftlich umsetzen.

Von Susanne Jacob-Freitag

Eine Reihe internationaler Projekte zeigt, dass die Holzbauweise nicht zuletzt aufgrund der technologischen Innovationen mittlerweile weit verbreitet ist. Davon zeugen vor allem Projekte in Ländern, die keinen traditionellen Bezug zu dem Baustoff besitzen. Oft wählen inzwischen auch renommierte Architekten den Holzbau, um dessen technisches Potenzial zur Realisierung ihrer Ideen zu nutzen. Hier sei das Pariser Museum der Louis Vuitton Stiftung von Frank Gehry erwähnt – ein Mischbau aus Holz, Glas und Stahl, das an ein Schiff unter vollen Segeln erinnert, sowie der Neubau für die Filmkunst-Stiftung Fondation Jérôme Seydoux Pathé von Renzo Piano, ebenfalls in Paris, oder – ganz aktuell – das im April 2017 eröffnete Konzerthaus „La Seine Musicale“ von Shigeru Ban und Jean de Gastines auf der l‘Ile Seguin, einer Insel im Südwesten von Paris. Auch das neue Weinmuseum in Bordeaux ist einzigartig und wirbt seit seiner Eröffnung außer für Wein ganz nebenbei auch für das Bauen mit Holz. Detailliertere Informationen über diese Projekte sowie den modernen Holzbau insgesamt enthält die Festschrift der Studiengemeinschaft Holzleimbau „Sternstunden des Ingenieurholzbaus“ aus dem Juli letzten Jahres.

 

Der Holzbau von heute lädt vor allem dazu ein, einfach zu denken, um komplexe Formen optimal zu realisieren. Eines der hierfür in Frage kommenden Mittel ist neben Brettschichtholz das Furnierschichtholz. Es besteht aus mehreren, verklebten Schälfurnierschichten der Fichte und wird dadurch zu einem formstabilen und leistungsfähigen Werkstoff. Beeindruckende Bauten wie etwa der Metropol Parasol vom Berliner Architekturbüro Jürgen Mayer H. in der Altstadt von Sevilla (Spanien) konnten nur mit Furnierschichtholz errichtet werden. Ein anderes Beispiel ist die Immanuelkirche in Köln, die 2015 mit dem Deutschen Architekturpreis und dem Deutschen Holzbaupreis ausgezeichnet wurde. Ein Projekt der Superlative stellt außerdem eine Sportanlage in Clamart bei Paris (Frankreich) dar: Hohlkasten-Träger aus Furnierschichtholz bilden die komplexe, hochtragfähige Struktur des gitterartigen Tragwerks, das mithilfe von 3D-Software modelliert und dimensioniert wurde. Furnierschichtholz ermöglichte hier wesentlich schlankere Bauteilabmessungen als Brettschichtholz. Das organisch geschwungene Dach ist in seiner Dimension und Ausführung bisher einzigartig, weshalb es im Folgenden näher beleuchtet wird.

Dach als Landschaft

Bei der Sportanlage Clamart bei Paris bestand die architektonische Herausforderung darin, zwei gegensätzliche Stadtviertel zu verbinden: ein Wohngebiet mit Einfamilienhäusern und einen Bezirk aus bis zu zwölf geschossigen Hochhäusern mit Sozialwohnungen. Gleichzeitig sollte der Neubau die auf dem Campus bereits vorhandenen vier Schulgebäude ergänzen, ebenso aber durch eine eigene Formensprache überzeugen und das gesamte Viertel optisch aufwerten. So fällt dem Betrachter heute auch unmittelbar das lang gestreckte Dach mit seinen sanften Hebungen und Senkungen ins Auge, das den Vorstellungen der Architekten zufolge die hügelige Landschaft der Umgebung aufgreift. Ein Gitterwerk aus Holz, das die Dachschwünge formt und an den Enden des Gebäudes zu Wänden heruntergezogen wurde, überspannt das Ganze wie eine Klammer. Entwurf und Konzept für das Gebäude lieferte – in Übereinstimmung mit den Wünschen der Behörden vor Ort – Gaëtan Morales und sein Team vom Architekturbüro Gaëtan Le Penhuel aus Paris.

Auf einer Grundfläche von 5.200 Quadratmeter beherbergt die Anlage mit 130 Metern Länge und 40 Metern Breite eine Sporthalle, einen Trainingsraum für Kampfkünste, einen Leichtathletikbereich und einen Tennisplatz. Dem Gebäude liegt ein Konstruktionsraster von drei Meter in Längs- und Querrichtung zugrunde. Auf diesem Raster haben die Architekten zunächst das Raumprogramm untergebracht. Da die Anordnung der einzelnen Sportbereiche wesentlichen Einfluss auf die Dachform haben würde – Täler und Erhebungen des Daches sollten sinnvoll mit den Raumfunktionen in Übereinstimmung gebracht werden – verwendeten sie viel Mühe auf eine entsprechende Einteilung. So musste etwa die Tennishalle eine gewisse Höhe erhalten, damit dort auch hohe Bälle gespielt werden können, ohne dass diese die Dachkonstruktion berühren.

Die Längsfassaden wurden mit einer Art Stahlgitter, das heißt Stahlstützen mit diagonal darüber angeordneten, stabilisierenden Stahlprofilen, tragend ausgeführt. Die Stützen dienen den Längsträgern als Auflager bzw. den äußersten Querträgern, die die Traufe der Holzdachkonstruktion bilden, zur Aufhängung. Das Tragwerk der Längsfassade, die den Schulgebäuden auf dem Campus zugewandt ist, misst an der höchsten Stelle knapp zwölf Meter mit Dachaufbau, der mit einer Aluminiumeindeckung abschließt. Als Fassadenmaterial wählten die Architekten milchglasartige Polycarbonat-Platten.

Die Fassadengestaltung der Gebäudelängsseiten stellt einen Bezug zu den Nachbargebäuden her und integriert den Neubau damit gut ins Gesamtensemble des Campus. Die zu Wänden heruntergezogenen Dachflächen im Norden und Süden dagegen schließen den Sportkomplex nicht nur formschön ab, sondern dienen auch als Lärmschutz für die seitlich anschließenden Wohngebiete.

Form und Funktion 3D-optimiert

Der Designprozess für das Gebäude erfolgte auf Basis einer 3D-Software. Damit entwickelten die Architekten die ersten Entwürfe und Volumenmodelle am Computer. Zusammen mit dem Ingenieurbüro Van Santen & Associés (VS-A) aus dem französischen Lille, das mit der Konstruktion des Tragwerks und der Gebäudehülle beauftragt war, verfeinerten sie diese Modelle: Bei der Formfindung legten sie ein engmaschiges Netz als virtuelles Tuch so über den Grundriss mit den einzelnen Raumvolumen der Sportbereiche, dass es die Struktur darunter abbildete. Dieses neue Gesamtvolumen variierten sie am Bildschirm solange, bis Form und Funktion optimal zusammenpassten.

Wegen der vielen verschiedenen Krümmungsradien, der außergewöhnlichen Gebäudeabmessungen und der großen ovalen Öffnung im Dach mit Achsmaßen von 18 und 36 Metern über dem Leichtathletikbereich modellierten und berechneten die VS-A-Ingenieure zahlreiche Varianten der Tragstruktur und analysierten bzw. prüften so ihre Effizienz. Auch die Dachentwässerung beeinflusste die Modellierung der Konstruktion. Regenwasser darf sich auf dieser komplexen Oberfläche nirgendwo anstauen und zu unkontrollierten Zusatzlasten führen. Aus all diesen Randbedingungen resultierte die endgültige Form des lang gestreckten Daches. Da der Prozess der Modellierung auch die Vordimensionierung der Querschnitte mit sich bringt und diese für einen filigranen Gesamteindruck möglichst schlank ausfallen sollten, was mit Brettschichtholz nicht zu erreichen war, schlugen die Ingenieure vor, Kerto-Furnierschichtholz für die Träger zu verwenden.

Hohlkasten-Träger aus Furnierschichtholz

Hohlkasten-Träger, die wie eine Röhre aus Furnierschichtholz- bzw. Kerto-Q-Platten zusammengesetzt sind, können wesentlich schlanker dimensioniert werden; sowohl wegen der Gewichtseinsparung durch den Hohlraum, vor allem aber wegen der Materialeigenschaften, denn das Furnierschichtholz besteht aus nur drei Millimeter dicken, längs und quer verklebten Schälfurnierschichten. Durch die flächige Lagenverklebung ist es besonders formstabil, verfügt über eine hohe Biege-, Zug- und Druckfestigkeit und kann daher zweiachsige Beanspruchungen, wie sie bei Bogenbindern auftreten, problemlos aufnehmen. Gleichzeitig lassen sich Bogenbinder aus Furnierschichtholz mit kleineren Krümmungsradien ausführen als mit Brettschichtholz, und derer gab es viele wie beispielsweise die Doppelkurven in bestimmten Abschnitten des Daches oder die Übergänge des Daches in die Wandkonstruktionen an den Schmalseiten des Gebäudes. Kerto-Q stellte daher für die komplexe Geometrie des Daches, die die Träger bzw. das Material der Träger zweiachsig beansprucht, einen idealen Werkstoff dar. Mit ihm ließ sich nicht nur die architektonische Vision realisieren, das Dach der Sportanlage mit schlanken Trägern auszuführen, sondern auch sie wirtschaftlich herzustellen.

Das Dachtragwerk besteht aus 41 (mehrteiligen) Bogen-Hauptträgern in Gebäude-Querrichtung sowie aus 562 kurzen, dazwischen eingefügten, ebenfalls bogenartigen Nebenträgern in Gebäudelängsrichtung. Beide reihen sich jeweils im Abstand von drei Metern aneinander und bilden zusammen einen räumlichen Trägerrost im Raster von drei mal drei Meter. Jeder Träger ist ein Unikat. Auf die Grundfläche projiziert sind die Hauptträger zwar jeweils 39 Meter bzw. die Nebenträger drei Meter lang. Durch die unterschiedlichen Krümmungen und Neigungen aber hat jeder eine andere Abwicklungslänge und individuelle Form. Bei den Nebenträgern variieren die Längen zwischen 2,8 und 4,3 Metern.

Dipl.-Ing.(FH) Susanne Jacob-Freitag ist freie Baufachjournalistin in Karlsruhe


BAUTAFEL SPORTZENTRUM IN CLAMART

Baukosten: Schulhaus und Sportanlage: ca. 30,78 Mio. Euro (netto),
davon Sportanlage: Los 1: ca. 4,35 Mio. Euro (netto), Los 2 (Dachkonstruktion, Dachaufbau und Fassade): ca. 4,76 Mio. Euro (netto)
Bauherr: Stadt Clamart, F-92140 Clamart, www.clamart.fr
Architektur: Gaëtan Le Penhuel & Associés architectes, F-75002 Paris, www.lepenhuel.net
3D-Modellierung und Vordimensionierung Gebäudehülle: VS-A, Van Santen & Associés, F-59000 Lille, www.vs-a.eu
Dachkonstruktion und Fassade: Poulingue SAS, F-27210 Beuzeville, www.poulingue.fr
Tragwerksplanung und Konzeption Holzkonstruktion: Charpente Concept SA, F-74800 St. Pierre-en-Faucigny, www.charpente-concept.com
Ausführendes Holzbauunternehmen: Metsä Wood, Division construction, F-92407 Courbevoie cedex, www.metsawood.com/fr

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