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[ Naturfaser-Dämmstoffe ]

Natürlich dämmen

Naturfaser-Dämmstoffe haben die Öko-Nische verlassen und sind wettbewerbsfähig geworden

Grün ist nicht nicht nur die Hoffnung: Aus nachwachsendem Hanf werden Dämmstoffe gewonnen

Von Marion Goldmann

Dämmstoffe aus Flachs, Hanf, Schafwolle, Zellulose oder Holzfasern werden aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt – anders als die konventionellen und marktbeherrschenden Materialien wie Mineralwolle und Polystyrol. Naturfaserdämmstoffe haben mit vier bis fünf Prozent, bezogen auf das gesamte verbaute Dämmstoffvolumen, einen kleinen, aber stabilen Marktanteil. Baubiologe Herbert Danner: „Angesichts der vergleichsweise geringen Verbreitung verwundert es nicht, dass bei vielen Bauherren, Handwerkern und Architekten bis heute Informationsdefizite bestehen.“ Bereits 2008 beauftragte deshalb das von der Stadt getragene Bauzentrum München Danner, eine Entscheidungshilfe in Form eines Handbuches zu erarbeiten. Die Publikation mit dem Titel „Ökologische Wärmedämmstoffe im Vergleich“ soll Aufklärung leisten und dadurch die Verwendung ökologischer Dämmstoffe fördern. Jetzt ist eine thematisch erweiterte und aktualisierte Version verfügbar.

Nachgefragt, aber zu selten angeboten

Vorteil aller Naturfaser-Dämmstoffe ist ihr günstiges bauphysikalisches Verhalten, vor allem die hohe Dampfdiffusionsfähigkeit. Weiterhin sind ihre guten Werte beim sommerlichen Hitzeschutz sowie beim Schallschutz hervorzuheben. Auch ihre Ökobilanzen sind akzeptabel, meinen Branchenkenner wie Eckhard Klopp. Der Architekt ist Fachberater für Bauen und Wohnen bei der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe in Gülzow-Prüzen (Mecklenburg-Vorpommern) und bemerkt: „Besonders bei Zellulose- und Holzfaser-Dämmstoffen deutet sich eine steigende Verwendung an.“

Bis in den letzten Winkel: Eingeblasene Zellulosedämmflocken füllen Dach- und Wandgefache ohne Wärme­brücken aus.

Zurückzuführen sei all das auf die größere Produktvielfalt und das Angebot kompletter Systeme, vor allem bei Holzfaser-Dämmstoffen. Auch ist Zellulose im ­Ein- oder Aufblasverfahren so preiswert geworden, dass sie zur Mineralfaser wettbewerbsfähig ist. Alle anderen Naturfaser-Dämmstoffe sind jedoch nach wie vor teurer als konventionelle Materialien. Bisher nehmen fast nur Eigentümer selbst genutzter Immobilien diese Kosten für einen höheren ökologischen Standard in Kauf.

Die Ergebnisse des Münchner Modellprojektes „BauTuning“ (siehe Info-Kasten auf Seite 37) machen deutlich, woran der praktische Einsatz bisweilen scheitert. Hier begleitete der Verein luXX die energetische Sanierung von zehn Altbauten unter der Prämisse, auch den Umgang mit ökologischen Dämmstoffen zu verfolgen. Dabei stellte sich heraus, dass das grundsätzliche Bauherreninteresse daran deutlich größer ist, als es der geringe Marktanteil widerspiegelt. Allerdings treten in der Praxis aufgrund von Informationsdefiziten bei Planern und Handwerkern sowie schlechter Handwerkerausrüstung unnötige Probleme und Reibungsverluste auf, die bei entsprechender Qualifikation leicht vermieden werden könnten. Argumentiert werde ausschließlich nur mit günstigeren Sanierungskosten. Würde nicht nur der Materialpreis, sondern die gesamte handwerkliche Leistung betrachtet, lägen viele Naturbaustoffe durchaus preislich im Rahmen. Ernüchternd ist auch, dass selbst von Bauherren gewünschte natürliche Dämm-Materialien von Planern und Handwerkern mit der Behauptung abgelehnt wurden, es seien keine ökologischen Alternativen verfügbar.

Die mineralisch beschichtete Holzfaserdämmplatte besitzt eine hohe Speicherfähigkeit für Feuchte und Wasserdampf.

Vielseitig verwendbar und schadenstolerant

Naturfaser-Dämmstoffe sind mittlerweile in vielfältigen Ausführungen vorhanden: Wärmedämmverbund-Systeme (WDVS), Aufdach- und Zwischensparren-Dämmung, Innendämmsysteme bis hin zu hydrophobierten Plattenwerkstoffen und schließlich ein- und aufblasbare Produkte. Ihr Einsatz empfiehlt sich nicht nur bei Neubauten, sondern gerade auch bei der Sanierung von Altbauten. Aufgrund ihres Faseraufbaus besitzen sie eine ausgeprägte kapillare Leitfähigkeit. Sie unterstützen die Regulierung des Feuchtehaushaltes besser als dampfdiffusionsdichte Konstruktionsaufbauten. Architekt Klopp: „Diese Dämmstoffe sind einfach schadenstoleranter.“

Ihrem Einsatz sind aber auch Grenzen gesetzt – zum Beispiel durch den Brandschutz. Durch die Einstufung in die Baustoffklasse B2 (normal entflammbar) ist die Verwendung nur für niedriggeschossige Gebäude erlaubt. Als Perimeterdämmung gegen Erdreich und auf Flachdächern sind organische Naturdämmstoffe bauaufsichtlich ebenfalls nicht zugelassen.

Eine Frage ist auch, wie sich die Naturfaserdämmstoffe im Rennen um immer energieeffizientere Systeme zukünftig im Markt behaupten. Ihre Wärmeleitfähigkeit erreicht bestenfalls einen Wert von 0,040 W/(mK). Viele der konventionellen Materialien liegen darunter, und die Werte sinken weiter. Naturstoffe erfordern also dickere Dämmschichten. Kritisch ist das bei nachträglich gedämmten massiven Außenwänden mit WDVS. Baubiologe Danner sieht hier eine Dämmschichtdicke über 16 Zentimeter als problematisch an. Und ob sich bei der Altbaumodernisierung damit ein U-Wert von 0,20 W/(m²K) erreichen lässt, hängt stark von der vorhandenen Gebäudehülle ab. Und „wenn die Naturfaserindustrie es nicht schafft, die Wärmeleitfähigkeit deutlich unter 0,040 W/(mK) zu senken, sind die EnEV-Forderungen ab 2012 nicht mehr zu erreichen“. Die Hersteller von Holzfaserdämmstoffen argumentieren: Durch die Kombination von druckfester und flexibler Platte lassen sich schon jetzt bessere Dämmwerte erzielen. Architekt Klopp sieht die Problematik gelassener: „Bei Sanierungen empfiehlt sich zunächst das Ausloten baurechtlicher Spielräume.“

Wo ausreichend Platz ist, spielt dieses Thema ohnehin keine entscheidende Rolle. So lassen sich im Dachgeschoss durch die Kombination von Zwischensparren- und Aufdachdämmung auch über EnEV-Niveau liegende Wärmeschutzanforderungen problemlos erreichen. Ebenso bei der Holzständerbauweise, die mit 30 Zentimetern Wanddicke Passivhaus-Standard ermöglicht.

Wohngesund – mit Einschränkungen

Gerade von ökologischen Baustoffen erwarten Verbraucher, dass sie frei von bedenklichen Inhaltsstoffen sind. Erwartung und Realität stimmen aber auch bei Naturfaser-Dämmstoffen nicht immer überein. Bei Zellulose-, Schafwoll-, Flachs- oder Hanfprodukten werden die borhaltigen Flammschutzmittel kritisiert. Sie sind schwach wassergefährdend, sodass die Dämmstoffe nicht kompostiert werden dürfen. Es sind aber kristalline Stoffe, die deshalb nicht in die Raumluft emittieren. Wohngesundheitsexperten wie Peter Bachmann empfehlen sie dennoch nur zur Verwendung in luftdicht abgeschlossenen Bauteilen und nicht zur Dämmung von Innenwänden. Der Geschäftsführer des auf die Qualität der Raumluft spezialisierten Sentinel-Haus Instituts rät, für Innenräume besser Schafwolle, Flachs, Hanf oder flexible Holzweichfaserplatten einzusetzen. Bei Hanf und Holzweichfaser seien zudem auch die Kosten akzeptabel. „Ein entscheidendes Auswahlkriterium ist für uns, dass die Baustoffe mit NaturePlus zertifiziert sind.“ Produkte mit diesem Qualitätszeichen bestehen zu mindestens 85 Prozent aus nachwachsenden oder mineralischen Rohstoffen und wurden hinsichtlich ihrer Umwelt- und Gesundheitsrelevanz über den gesamten Produktlebenszyklus geprüft. Wegen des breiten Untersuchungsspektrums gilt das Label als das derzeit beste am Markt.

Kritische Gemüter erhitzt auch die PMDI-Verklebung der im Trockenverfahren hergestellten Holzfaserplatten. PMDI-Kleber enthalten hochtoxische Isocyanate, von denen im verarbeiteten Zustand keine Gefahren ausgehen. Im Brandfall aber entsteht Blausäure; auch das Recycling ist ungeklärt. Isocyanate sind andererseits in zahlreichen konventionellen Baustoffen ebenfalls enthalten. Im Nassverfahren hergestellte Holzfaser-Dämmstoffe enthalten keine chemischen Zusätze; ihre Kritiker werfen dieser Art der Produktion aber einen zu hohen Energieverbrauch vor. Architekten sollten sich in diese Diskussion jedoch nicht zu tief verstricken, denn alle Dämmstoffe bergen gewisse Risiken. „Generell ist die potenzielle Schadstoffbelastung und somit das Risiko bei Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen sehr gering“, lautet das Fazit von Fachberater Klopp.

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