Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Abtretungsvereinbarungen vermeiden!“ im Deutschen Architektenblatt 06.2025 erschienen.
In der Praxis fordern Auftraggeber Architekten in Vertragsverhandlungen immer häufiger dazu auf, dass die Planer ihnen die Versicherungsansprüche gegen ihre Berufshaftpflichtversicherungen abtreten sollen. Die Auftraggeber erhoffen sich hiervon eine leichtere Durchsetzbarkeit etwaiger zukünftiger Forderungen an die Versicherer, gegen die ohne eine solche Abtretung grundsätzlich kein Direktanspruch besteht. Teilweise sehen die auch von öffentlichen Auftraggebern verwendeten Architekten-Musterverträge eine Abtretungsvereinbarung von vornherein standardmäßig vor.
Abtretungsvereinbarung nur scheinbar vorteilhaft
Eine solche Abtretung führt nach § 398 BGB dazu, dass die Ansprüche, die der Architekt gegen den Versicherer hat, auf den Auftraggeber übergehen und nur noch diesem zustehen. Der Auftraggeber tritt durch die Abtretungsvereinbarung also rechtlich voll und ganz an die Stelle des Architekten aus dem mit dem Berufshaftpflichtversicherer geschlossenen Vertrag.
Aus Sicht der Architekten könnte der Eindruck entstehen, dass solche Abtretungen im Falle eines Schadens arbeitserleichternd und zeitsparend und damit vorteilhaft sind. Denn man könnte annehmen, dass nun der Auftraggeber die für die Schadensregulierung erforderliche Arbeit hat, mit dem Versicherer korrespondieren und diesem die nötigen Informationen und Unterlagen aufbereiten und zur Verfügung stellen muss.
Aber der Schein trügt: Mit solchen Abtretungen können erhebliche Nachteile für Architekten einhergehen, weshalb sie es tunlichst vermeiden sollten, solche Vereinbarungen ohne Zustimmung ihrer Versicherung abzuschließen.
Freistellungsanspruch
Bis 2008 war eine Abtretung von Ansprüchen der Planer gegen ihre Berufshaftpflichtversicherung überhaupt nicht möglich, da die damals gültigen Versicherungsbedingungen ein umfassendes Abtretungsverbot vorsahen. Gegen solche Abtretungsverbote schritt der Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) im Jahr 2008 ein. In den Augen des Gesetzgebers liefen diese Abtretungsverbote, soweit sie sich auf den sogenannten Freistellungsanspruch bezogen, insbesondere den Interessen der Geschädigten zuwider.
Beim Freistellungsanspruch handelt es sich um den Anspruch des Architekten gegen seine Berufshaftpflichtversicherung, ihn von begründeten Forderungen des geschädigten Dritten durch Zahlung an diesen zu befreien.
Seit 2008 sieht § 108 Abs. 2 VVG vor, dass Versicherer in ihren Bedingungen eine Abtretung des sogenannten Freistellungsanspruchs an den „geschädigten Dritten“ nicht durch Versicherungsbedingungen ausschließen können. Architekten können also Absicherungsansprüche gegen ihre Versicherung grundsätzlich an den „geschädigten Dritten“ ohne Zustimmung des Versicherers abtreten. Aber wer ist dieser „geschädigte Dritte“?
Wer ist der geschädigte Dritte?
In der Berufshaftpflichtversicherung ist der geschädigte Dritte jemand, der durch die Tätigkeit des Planers einen Schaden erlitten hat. Dies kann der Auftraggeber des Architekten sein, der durch einen (zum Beispiel durch einen Planungsfehler oder Bauüberwachungsfehler des Architekten verursachten) Baumangel nun Kosten zur Beseitigung aufwenden muss.
Geschädigte Dritte können auch Nachbarn sein, die einen Schaden durch Risse an ihrem Gebäude haben, die durch eine vom Architekten falsch geplante Art der Unterfangung verursacht wurden. Kommt der Planer beispielsweise seiner Aufsichtspflicht für die Absicherung der Baustelle nicht nach, könnten Handwerker die Geschädigten sein.
Abtretung ohne geschädigten Dritten
Wird die Abtretung der Deckungsansprüche nun bereits im Architektenvertrag vereinbart, gibt es noch keinen solchen geschädigten Dritten, da der Architekt zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses in der Regel noch keine Leistungen erbracht hat.
Keine Abtretung an nicht geschädigten Dritten
Darüber hinaus muss es nicht immer der Vertragspartner des Architekten sein, der geschädigter Dritter ist. Hat der Architekt in einer solchen Konstellation seine Absicherungsansprüche an den Auftraggeber abgetreten, hätte er keine eigene Versicherung mehr und müsste den Schaden des tatsächlich geschädigten Dritten aus eigenen Mitteln bezahlen.
Um dieser Gefahr zu begegnen, sehen die gängigen aktuellen Bedingungen der Berufshaftpflichtversicherung (vgl. A(GB)-1 der Musterbedingungen des GDV) von Architekten vor, dass Abtretungen an Dritte, die (noch) nicht geschädigt sind, unzulässig und damit unwirksam sind. Eine Abtretung an den geschädigten Dritten bleibt jedoch ausdrücklich zulässig.
Unklare Rechtslage zur Abtretungsvereinbarung
Es kommt hinzu, dass der Architekt mit einer vor dem Schadenfall vereinbarten Abtretung seine Rechte aus dem Versicherungsvertrag in Gänze aus der Hand gibt und keine Ansprüche mehr gegenüber seiner Berufshaftpflichtversicherung geltend machen kann. Wird er wegen solcher Ansprüche belangt, kann er sie bei dem Versicherer nur über den Auftraggeber geltend machen und ist insoweit auf dessen Mitwirkung angewiesen.
Auf der anderen Seite wird der Planer in Verhandlungen zwischen seiner Versicherung und dem Bauherrn gegebenenfalls nicht mehr eingebunden und kann deshalb nicht verhindern, dass aus seiner Sicht unbegründete oder überhöhte Forderungen des Auftraggebers durch den Versicherer reguliert werden. Das ist besonders misslich, weil der Architekt aus dem Versicherungsvertrag in erster Linie den Schutz genießt, dass der Versicherer solche unbegründeten Ansprüche für ihn abwehrt.
Rechtsschutzanspruch nicht abtretbar
Dieser sogenannte Rechtsschutzanspruch (auch: Abwehranspruch) ist nach der herrschenden Meinung in der Literatur indes aufgrund seiner Zweckbindung nach § 399 BGB gar nicht abtretbar, sondern untrennbar mit der Person des Architekten als Versicherungsnehmer verbunden.
Es ist daher nicht abschließend geklärt, wie sich eine unbeschränkte Abtretungsvereinbarung auf diesen Rechtsschutzanspruch auswirkt. So wird beispielsweise vertreten, dass eine solche Abtretung insgesamt unwirksam ist. In der Praxis können diese rechtlichen Unklarheiten zu erheblichen Unsicherheiten führen.
Architekt hat keinen Einfluss mehr auf Schadenfälle
Es besteht schließlich die Gefahr, dass der Auftraggeber – durch den Architekten ungeprüft – vermeintliche Schadenfälle beim Versicherer anmeldet, die aus Sicht des Architekten (und nach dessen Rücksprache mit dem zuständigen Sachbearbeiter der Versicherung) offensichtlich unbegründet sind und gar nicht erst als Schadenfall bei der Versicherung angelegt worden wären.
Gleiches gilt, wenn es sich zwar um begründete Schäden handelt, die aber der Summe nach so gering sind, dass sie den Selbstbehalt nicht überschreiten und daher aus diesem Grund durch den Architekten nicht beim Versicherer gemeldet worden wären.
Zeigt der Bauherr aber mehrere unbegründete und/oder kleine Schadenfälle beim Berufshaftpflichtversicherer an, kann dies dort zu der möglicherweise unzutreffenden Einschätzung führen, dass der für die behaupteten Schäden verantwortliche Architekt besonders viele Fehler begeht und deshalb ein (zu) hohes Schadensrisiko darstellt. Dies kann zu Prämienerhöhungen und im schlimmsten Fall zur Kündigung des Versicherungsvertrages durch die Versicherung führen.
Fazit: Abtretungsvereinbarung vermeiden oder beschränken
Im Ergebnis ist Architekten dringend zu empfehlen, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Architektenvertrages in keinem Fall eine Abtretung von Ansprüchen gegen die Berufshaftpflichtversicherung zu akzeptieren – um Nachteile zu vermeiden und (aufgrund des nach wie vor in den allermeisten Versicherungsbedingungen vorhandenen Abtretungsverbots an nicht geschädigte Dritte) um keine unberechtigten Erwartungen ihrer Auftraggeber zu erwecken.
Verlangt der geschädigte Dritte nach Eintritt eines Schadens eine Abtretung von Ansprüchen, sollte der Architekt aufgrund der geschilderten Risiken auch dann nicht ohne Rücksprache mit seiner Versicherung eine Abtretung vornehmen. Stimmt der Versicherer ausnahmsweise einer Abtretung zu, muss diese auf den Freistellungsanspruch beschränkt werden.
Dr. Florian Krause-Allenstein ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Fachanwalt für Versicherungsrecht bei SK Rechtsanwälte in Hamburg
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