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„Leistet Widerstand, wenn ihr könnt“

Warum wir theoretisch keinen Wohnungsneubau brauchen und wieso Architekten toxische Aufträge ablehnen sollten.

 

29.08.2023 4min
Wohnungsbau Tag der Architektur
Portrait Florian Fischer-Almannai

Florian Fischer-Almannai ist Partner im Architekturbüro Almannai Fischer und Mitgründer der Münchner Wohnungsbaugenossenschaft Kooperative Großstadt. Seit 2022 ist er Professor am Lehrstuhl und Institut für „Wohnbau und Grundlagen des Entwerfens“ an der RWTH Aachen.
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Dieses Interview ist unter dem Titel „Leistet Widerstand, wenn ihr könnt“ im Deutschen Architektenblatt 09.2023 erschienen.

In Deutschland herrscht Wohnungsnot: 700.000 Wohnungen fehlen, 400.000 sollen pro Jahr neu geschaffen werden. Ihrer Berechnung zufolge existiert aber schon genug Wohnraum. Wie kommen Sie darauf?

Wir haben berechnet, wie viele Personen im baulichen Bestand leben könnten, wenn die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf von heute 48 auf 35 Quadratmeter gesenkt würde. Theoretisch könnten so 30 Millionen Menschen mehr in Deutschland wohnen. Die 35 Quadratmeter ergeben sich, wenn man die Richtlinien für geförderten Wohnungsbau mit den aktuellen Haushaltsgrößen in Deutschland verrechnet und zusätzlich um zehn Prozent Gemeinschaftsflächen ergänzt. Das Problem ist, dass viele der Räume und Flächen in den bestehenden Wohnhäusern regelrecht gefangen sind. Man müsste sie also „befreien“.

Dann brauchen wir also doch Neubauten.

Neben der Wohnungskrise haben wir ja auch die Klimakrise. Wir müssen Ressourcen schonen und CO2-Neutralität erreichen. Wir können also nur mit dem umgehen, was schon da ist. Alle staatlichen Fördermittel im Bauen sollten in proaktive Umbauten gelenkt werden. Und nur, damit es gesagt ist: Niemand muss dafür enteignet werden!

Welche Rolle spielen Architektinnen bei der Wohnungsfrage?

Wir haben zunächst einmal keinen Handlungsspielraum darin, die sozialen Fragen planerisch zu beantworten. In Realisierungsprojekten sind die Rahmenbedingungen eigentlich immer bereits zu eng gesetzt.

Das heißt, Planer können gar keinen Einfluss nehmen?

Unsere Kompetenz liegt darin, konkrete Lösungen für besseren und flexibleren Wohnungsbau zu liefern. Viele Planerinnen haben in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen gar keine Kapazitäten, in Eigeninitiative nach besseren Lösungen zu suchen. Aber die Unis und einige etablierte Kollegen schon. Sie können anhand exemplarischer Projekte aufzeigen, dass auch vermeintlich utopische Dinge möglich sind. Darauf aufbauend muss dann natürlich die Politik dringend steuernd eingreifen.

Sie haben eine Wohnungsbaugenossenschaft mitgegründet und sind damit in die Rolle der Bauherrin geschlüpft. Warum?

Das war eine regelrechte Ausweichbewegung für uns im Wohnungsbau, um unser Scheitern durch Handlungsspielraum zu ersetzen. Die Genossenschaft lässt Ideen für neue Wohnformen direkter zu.

Sie rufen Kollegen dazu auf, sich ebenfalls nicht „vor den Karren spannen zu lassen“ und aus zweifelhaften Bauaufgaben auszusteigen. Wie kann das gehen?

Vermutlich ist es weder mehrheitsfähig noch wirtschaftlich auskömmlich, toxische Bauaufgaben ganz zu verweigern. Aber es gibt genug wirtschaftlich gut abgesicherte Vertreterinnen unseres Berufsstandes – mich selbst eingeschlossen –, die auf der Suche nach den benötigten Lösungen Widerstand und Ungehorsam leisten können. Neben vielen anderen nicht zuletzt etwa verbeamtete Professoren. Diese meint unser Aufruf zuallererst!

Wie würden Sie uns Lust auf die Wohnungsfrage machen?

Ich plädiere dafür, die Transformation als einen optimistischen Umbau und ein adäquates Nutzen des Bestandes zu sehen. Wenn wir als Gesellschaft die Vielfalt, das Unfertige, das nicht Perfekte und auch mal nicht so Schöne zuließen, wären wir schon sehr weit.


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Florian Fischer-Almannai erleben Sie auf dem DAT 23 im Themenpanel 2.2 „Wohnquartiere und Mischnutzungen“.
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