
Bauen mit Elementen: Seriell hergestellte und im Werk vorgefertigte Bauteile können das Planen und Bauen nachhaltiger, qualitätvoller und ressourcenschonender gestalten.
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Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Serielles Bauen – quo vadis?“ im Deutschen Architektenblatt 05.2025 erschienen.
Das serielle Bauen als Element- oder Modulbauweise ist eng mit der Industrialisierung des Bauens verknüpft und damit Verursacher und gleichzeitig Lösungsansatz für die notwendigen Veränderungen des Bauens im 21. Jahrhundert. Im vergangenen Jahrhundert stand es für das Versprechen, durch technologischen Fortschritt schnell und kostengünstig Wohnraum, Bildungsbauten und andere öffentliche Einrichtungen zu schaffen.
Die meisten zu dieser Zeit umgesetzten Bauwerke zeigen eine relativ schwache Resilienz gegenüber den Herausforderungen des Anthropozäns. Ursachen sind vernachlässigte ganzheitliche Entwurfsansätze, die es verhindern, Herstellungskosten und Bauzeiten zu optimieren. Hinzu kommt die Annahme einer viel zu kurzen Nutzungsdauer.
Neue Herausforderungen für das serielle Bauen
Wenn nun erneut propagiert wird, das serielle Bauen würde aktuelle Wohnungs- und Facharbeiterkrisen [1] lösen, stellt sich die Frage nach der notwendigen Entwicklung des Grundkonzepts und inwieweit digitale Planungs- und Fabrikationsprozesse diese Veränderungen umfassend genug unterstützen können.
Hinzu kommen neue Anforderungen wie die Kreislauffähigkeit neuer Konstruktionen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der dringliche Sanierungsbedarf unseres Gebäudebestandes – wie kann das serielle Bauen hier Unterstützung leisten?
Vor dem Hintergrund der Wohnungskrise, der zunehmenden Urbanisierung und der anhaltenden Explosion der Baupreise ist das Interesse am seriellen Bauen in den letzten Jahren vor allem im Wohnungs- und Schulbau stark gestiegen. Im Jahr 2023 wurden in einem siebenmonatigen Verfahren unter der Schirmherrschaft des Bundesbauministeriums und des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie sowie der Mitwirkung der Bundesarchitektenkammer die 25 besten seriellen und modularen Konzepte zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum ausgewählt.
Auch im Schulbau verfolgt die Berliner Landespolitik – wie viele andere Bundesländer auch – die Strategie, die dringlich anstehenden Erweiterungen von Bestands- und Neubauten mittels standardisierter Modulbauten umzusetzen. Die Länder setzen damit eine langjährige, jedoch im Ergebnis umstrittene Praxis der 1960er- und 1970er-Jahre in großem Maßstab fort.

Bauen mit Modulen: Bei dieser Variante des vorgefertigten Bauens hat der Stahlbau eine lange Tradition, inzwischen sind aber auch Raummodule aus Holzwerkstoffen ausgesprochen populär.
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Serielles Bauen der ersten Generation
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts führte der dringende Bedarf an kostengünstigem Wohnraum und öffentlichen Einrichtungen zu einer breiten Akzeptanz experimenteller, modularer Bauweisen. Prominente Wohnungsbauprojekte wie das von Moshe Safdie für die Weltausstellung in Montreal entworfene Projekt Habitat 67 stießen auf internationales Interesse und versprachen flexiblen, anpassbaren Wohnraum. Auch in Deutschland wurden zu dieser Zeit verstärkt standardisierte Bauformen entwickelt, die in großer Zahl vorgefertigt und schnell reproduziert werden konnten.
Geprägt vom politischen Kontext, entwickelte sich das serielle Bauen in den beiden Teilen Deutschlands in unterschiedliche Richtungen. Während in der DDR das staatliche Bauen im Wohnungs- und Schulbau zu serienmäßig produzierten Typen- und Plattenbauten führte, die weitgehend unabhängig vom regionalen Kontext großmaßstäblich umgesetzt wurden, setzten Architekten, Ingenieure und private Baugesellschaften im Westen der Bundesrepublik beim seriellen Wohnungsbau auf individuelle Einzelversuche. Ebenso entstanden im Schulbau in ganz Deutschland verschiedene typisierte Schnellbauschulen.
Soziale und bauliche Mängel
Die ursprünglich flexibel gedachten Konzepte der damaligen Zeit standen jedoch schnell aufgrund ihrer unzureichenden Anpassungsfähigkeit und fehlenden Integration in die Umgebung in der Kritik. Anstelle des angestrebten sozialen Miteinanders erwies sich die fehlende maßstäbliche Verhältnismäßigkeit als Katalysator für soziale Isolation.
Hinzu kamen baukonstruktive Mängel und hohe Betriebskosten, die ab den 1980er-Jahren sowohl im Schul- als auch im Wohnungsbau dazu führten, dass die Begeisterung für das serielle Bauen – insbesondere in Form der Raummodulbauweise – schnell abflaute.

Weitere Vorteile des seriellen Bauens sind der hohe Automatisierungsgrad des Fertigungsprozesses sowie das vergleichsweise geringe Gewicht von Holzbau-Raummodulen.
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Vorteile und Nachteile des seriellen Bauens
Die Vorteile des seriellen Bauens sind vielfältig – zentrale Aspekte sind aber vor allem die Kosteneffizienz und die schnelle Umsetzung durch die Produktion baugleicher Serien. Darüber hinaus steigert die präzise Vorfertigung im Werk die bauliche Qualität und minimiert zugleich den Ressourcenverbrauch. Dies führt am Ende zu einer präzisen und effizienten Montage vor Ort, wodurch die Bauzeit verkürzt und Störungen im Bauablauf auf ein Minimum reduziert werden.
Zugleich kann auf der Baustelle die vorzuhaltende Lagerfläche reduziert werden – insbesondere in beengten innerstädtischen Lagen ein bedeutsamer Vorteil. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Nachhaltigkeit der modularen Bauweise, da modulare Bausysteme bei Bedarf leicht umgebaut oder erweitert werden können. Dies fördert die nachhaltige Nutzung der Materialien und verlängert die Lebensdauer der Gebäude.
Wenig architektonische und konstruktive Vielfalt
Was am seriellen Bauen hingegen zu kritisieren wäre, ist die Einschränkung oder gar der Verlust einer konstruktiven Vielfalt sowie die Vernachlässigung regionaler ortsbezogener Bauweisen. Insbesondere beim Bauen im Bestand ist das serielle Bauen echte Pionierarbeit – hier sind noch viele Details anzupassen. Hoffnungsvolle Ansätze versprechen die konzeptionellen Entwicklungen und ersten umgesetzten Projekte von „ecoworks“ – einem Unternehmen, das sich auf die serielle Sanierung des Wohnungsbestands fokussiert [2].
Für die Verknüpfung des seriellen Bauens mit einer weiteren Herausforderung des Bauens in der heutigen Zeit – der kreislaufgerechten Konstruktion – gibt es eine Vielzahl sehr erfolgreicher historischer Beispiele des Eisen-, Stahl- und Holzbaus, aber auch des Mauerwerksbaus. Durch das Transformieren dieser historischen Bauweisen mittels digitaler Planung und Fertigung kann das serielle Bauen entscheidend dazu beitragen, das Bauen entsprechend zu verändern, wie unter anderem das Beispiel Projekt Kappe+ zeigt [3].

Projekt Kappe+: traditionelles Kappendeckensystem mittels robotisch unterstützter Produktion.
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Raummodule und Elementbauweise
Grundsätzlich lässt sich das serielle Bauen in zwei konzeptionell unterschiedliche Strategien unterteilen: in das Bauen mit Raummodulen und in die Elementbauweise.
Bauen mit Raummodulen
Während die Raummodule aus Stahl auf eine lange Tradition des temporären und mobilen Bauens zurückblicken können, haben sich in den letzten Jahren vor allem Raummodule aus Holzwerkstoffen als eine Antwort für Immobilien mit längerer Nutzungsdauer etabliert – insbesondere bei Schulen und Hotels, aber auch im Wohnungsbau. Der Holzbau ist nicht nur nachhaltig, sondern er erfüllt auch die thermischen Anforderungen mit relativ einfachen Mitteln – weitere Vorteile sind der hohe Automatisierungsgrad des Fertigungsprozesses sowie das vergleichsweise geringe Gewicht von Holzbau-Raummodulen.
Im Stahlbetonbau erweist sich hingegen das hohe Eigengewicht von Raummodulen als wesentlicher Nachteil, verbunden mit hohen Energie- und Transportkosten, was wiederum die Ökobilanz verschlechtert. Problematisch sind zudem die deutlich höheren Aufwendungen im Bauprozess und die geringe Flexibilität in Bezug auf lokale Gegebenheiten. Jedoch erfüllen Stahlbeton-Raummodule sehr gut die Anforderungen des Schall- und Brandschutzes und ermöglichen größere Spannweiten und Traglasten.
Bauen mit Elementen
Seriell hergestellte Elemente gibt es in allen erdenklichen Materialkombinationen. Was die Innovation in der Fertigung und die Vielfalt bei Voll- und Halbfertigteilelementen angeht, liegt der Holzbau an vorderster Stelle.
Im Stahlbetonbau umfassen seriell hergestellte Elemente vor allem die bekannten Deckensysteme, wie vorgespannte Rippenplatten, Elementdecken und so weiter. Ausgesprochen vielfältig zeigen sich schlaff bewehrte oder vorgespannte Halbfertigteile.
Neue Möglichkeiten für das serielle Bauen: 3D-Druck, Infraleichtbeton
Ganz neue Möglichkeiten verspricht der 3D-Betondruck, vor allem hinsichtlich geometrisch komplexer Elemente [4]. Aber auch neue Materialien wie Infraleichtbeton erweitern das Spektrum der Elementbauweise. Durch rein mineralische Zuschläge und ein sehr geringes Eigengewicht ist der Baustoff problemlos recycelbar und weist durch die schnelle und lang andauernde Carbonatisierung eine deutlich bessere Ökobilanz auf als Normalbeton [5]. Das gleichzeitig tragende und dämmende Material kommt ohne den herkömmlichen Schichtenaufbau aus, wodurch sich monolithische Konstruktionen im Sinne des „einfachen Bauens“ umsetzen lassen [6].
Die wärmedämmende Eigenschaft des Materials ermöglicht einen direkten Übergang der Bauteile von innen nach außen, ohne problematische Wärmebrücken zu verursachen. In der Konsequenz entstehen räumliche Fertigteile, die ohne weitere thermische Trennung, beispielsweise zwischen Fassade und Balkon, auskommen.
Traditionelle Planungsprozesse erschweren serielles Bauen
Serielles Bauen erfordert eine ganzheitliche Planung in den frühen Leistungsphasen. Dem steht die aktuelle Planungskultur, die sich nach wie vor am Leistungsbild der HOAI orientiert, entgegen. Der dort festgelegte geringe Leistungsumfang in Grundlagenermittlung und Vorentwurf sowie der zeitlich stark versetzte Beitrag anderer Fachplaner verschieben die integrierte Detailentwicklung in die Ausführungsplanung. Das verursacht häufig eine Mehrfachbearbeitung und somit Zeitverluste, was der Effektivität des seriellen Bauens entgegensteht.
Ein weiterer Schwachpunkt im Hinblick auf das serielle Bauen ist die im traditionellen Planungsprozess sehr spät vorgesehene Vergabe an ausführende Unternehmen und damit die verzögerte Abstimmung der Planung mit Herstellungs- und Montageverfahren. Eine Reaktion darauf könnte die planmäßige Einbeziehung von Herstellern in den Entwurfsprozess sein.
Holzbauingeniure früh einbeziehen
Damit die Potenziale des seriellen Bauens in der Breite wirksam werden, müssten die entsprechend veränderten Planungsprozesse wesentlich entschlossener vorangetrieben werden. Vorbild könnte die frühe Einbindung von Holzbauingenieuren in den Entwurf sein, die sich in der Schweiz etabliert hat [7]. Hier sind die Ingenieure nicht nur für die Tragwerksplanung, sondern auch oder vor allem für die Planung der Herstellung, Fertigung und Montage verantwortlich.
Digitalisierte Planung und Fertigung schon beim Entwurf mitdenken
Die umfassende Digitalisierung des Planungsprozesses kann diese systematischen Schwächen im Planungsablauf nicht ausgleichen. Gleichzeitig erschwert sie eine konsequente Integration digitaler Fertigungsmethoden in den Entwurf. Neue Technologien wie die robotische Fertigung oder der 3D-Druck müssen stärker in den Entwurfsprozess eingebunden werden, um die Potenziale digitaler Fertigung wirklich ausschöpfen zu können.
Die Effektivität in der Vorfertigung lässt sich durch entsprechende Innovationen noch steigern. Allerdings müssen hierzu die Planungs- und Fabrikationsprozesses angepasst werden. Die Kehrtwende hin zu einer ganzheitlichen Planung einschließlich einer entsprechend angepassten Honorarordnung ist unerlässlich, um Fachingenieure und Hersteller in die frühen Planungsphasen mit einzubeziehen.
Baukultur für serielles Bauen
Für die Entwicklung eines neuen seriellen Bauens genügt es nicht, sich im traditionellen Sinn auf die Kosteneffektivität und Beschleunigung von Bauprozessen zu fokussieren. Weitere Parameter wie die Flexibilisierung und Adaptivität, Kreislauffähigkeit, Material- und Energieeffizienz sowie eine verlängerte Nutzungsdauer sind notwendig und unerlässlich.
Damit ein Gebäude möglichst langfristig genutzt wird, muss es einen entsprechend hohen baukulturellen Wert aufweisen und seine gesellschaftliche Relevanz bewahren. All das funktioniert nicht, wenn einem Gebäude der Bezug zur Umgebung fehlt und es nicht auf den baulichen Kontext reagiert. Ein gesellschaftlich und vom Nutzer akzeptiertes serielles Bausystem muss flexibel auf die individuelle Umgebung reagieren und sich in angemessenem Maßstab in diese einfügen können.
Elementbauweise im Vorteil
Die Elementbauweise ist hierfür gegenüber der Raummodulbauweise deutlich im Vorteil, da sich mit ihr einzelne Bauteile an ortsspezifische Gegebenheiten individuell anpassen lassen, was die Beziehung zwischen Gebäude und Umgebung stärken kann. Dieser Gestaltungsspielraum ist ebenso eine entscheidende Komponente für die Planung der Adaptivität von Gebäuden an sich wandelnde Anforderungen und lokale Nutzungsgegebenheiten. Ein Kriterium, das die aktuellen Schnellbau-Schulsysteme nur unzureichend erfüllen.
Serielles Bauen und Kreislaufwirtschaft
Die Entwicklung tatsächlich kreislauffähiger serieller Bausysteme ist herausfordernd. Der Anspruch, Materialien und Elemente in einem stetigen Kreislauf ohne Qualitätsverlust zu erhalten, bedingt eine intensive Auseinandersetzung mit sortenreinen Konstruktionsmethoden und Fügetechniken [8]. Auch die Transportfrage spielt eine wichtige Rolle: Komplette Raummodule kreuz und quer durch die Lande zu fahren, ist aufgrund der damit verbundenen Umweltbelastung kritisch zu sehen. Je kürzer der Transportweg, desto weniger CO2-Emissionen fallen an.
Hier ist die Elementbauweise durch kleinere, leichter zu transportierende Teile ökologisch klar im Vorteil. Das lässt den Schluss zu, dass ein Paradigmenwechsel von der recht starren Modulbauweise hin zur flexibleren Elementbauweise die Aspekte Effizienz, Anpassungsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Gestaltungsspielraum besser ausbalancieren würde.
Christoph Gengnagel ist Professor für Konstruktives Entwerfen und Tragwerksplanung (KET) im Studiengang Architektur an der UdK Berlin. Eveline Jürgens leitet am Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen und Tragwerksplanung der UdK Berlin das Forschungsprojekt „Schnellbau Modulschule aus Infraleichtbeton“
Literatur und Quellen zum seriellen Bauen
[1] Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen: Serielles und modulares Bauen 2.0: Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW legt neue Rahmenvereinbarung vor, 17.10.2023
[2] https://www.ecoworks.tech
[3] Gengnagel, C., Brechenmacher, E.: Kappe+ – Überprüfung einer traditionellen Bauweise auf ihre Leistungsfähigkeit für das Bauen von morgen, Bautechnik, Volume 100,
Issue 1, January 2023, Pages 45–54, doi.org/10.1002/bate.20220009
[4] Aziz, S., Bradley, A., Gengnagel, C., Loutfi, J.: Minimal Mineral – Deckensysteme neu gedacht: Die Zukunft des Bauens nachhaltig gestalten, Beton- Stahlbetonbau, Volume 120, Issue3, March 2025, Pages 229–239, https://doi.org/10.1002/best.202400079
[5] Lösch, C. et al.: Infraleichtbeton, Entwurf/Konstruktion/Bau, 2018
[6] Nagler, F.: „Einfach Bauen: ein Leitfaden“, Basel, Birkhäuser, 2022
[7] Rinke M., Krammer M.: Architektur fertigen: Konstruktiver Holzelementbau, Triest Verlag, 1. Edition, Dezember 2020
[8] Hebel, D. et al.: Sortenrein bauen: Methode, Material, Konstruktion, 1. Auflage, 2023
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