Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Module mit Qualität“ im Deutschen Architektenblatt 06.2023 erschienen.
Serielles und modulares Bauen ist ein Phänomen, das in Zeiten erhöhten Wohnbedarfs erkennbar an Bedeutung gewinnt, zumal der rasante Anstieg der Baupreise die Situation aktuell zusätzlich verschärft. 2018 hatte der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) als Teil einer Wohnungsbauinitiative ein Bieterverfahren in die Wege geleitet, das an Bietergemeinschaften von System- und Modul-Herstellern mit freien Planungsbüros gerichtet war.
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4.500 neue Wohnungen dank Rahmenverträgen
Entsprechend den neun prämierten Konzepten wurden in den fünf Jahren der Laufzeit bundesweit rund 4.500 Wohneinheiten realisiert. „Es war ein guter Anfang“, so Fabian Viehrig, Leiter Bauen und Technik beim GdW. „Vor allem konnten wir durch den Rahmenvertrag das Thema des modularen Bauens in der Fachwelt nach vorne bringen.“ Wie aber sieht das qualitative Ergebnis einer Bauweise, die auf Kritik stößt („Tristesse in Serie“), in der Realität aus? Eine in Auftrag gegebene detaillierte Evaluierung der ersten Runde steht noch aus; die Erfahrungen der Beteiligten der inzwischen umgesetzten Projekte jedoch geben heute schon interessante Hinweise.
Holzmodulbau in Kriftel
Kurz vor der Fertigstellung steht eine Anlage mit 48 geförderten Wohnungen im hessischen Kriftel, die rund 3.500 Quadratmeter Wohnfläche umfasst. Bauherr ist die Gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft Kriftel mbH (Gewobau), verantwortlich für Entwurf und Planung das Architekturbüro Klose + Sticher, Bad Homburg, das gemeinsam mit AH Aktivhaus als Modulhersteller die Anlage realisierte. Unter den prämierten Konzepten war es das einzige, das eine Holzmodulbauweise vorsah und damit dem Faktor Nachhaltigkeit – mit zusätzlichen Solaranlagen auf dem Dach – besondere Beachtung schenkte.
Zwei Vier- sowie zwei Dreigeschosser werden durch Laubengänge aus einer hybriden Konstruktion aus Stahl und Stahlbeton erschlossen. Alle Wohnungen sind barrierefrei geplant, einige davon sind behinderten- und rollstuhlgerecht ausgeführt. Was die Gestaltung betrifft, so widerspricht das Endergebnis (soweit erkennbar) den Befürchtungen, mit der Modulbauweise sei notwendigerweise Monotonie verbunden.
Dafür sorgen die Variationsbreite der Wohnungsgrößen, die von der Ein- bis zur Fünfzimmerwohnung reicht, die aufgelockerte Fassadenstruktur mit einem Wechsel von Fenstern, Balkonen und Loggien an den Gebäudekanten sowie die Anordnung der vier Baukörper auf dem lang gestreckten und relativ schmalen Grundstück, die einen Quartiersplatz als Begegnungs- und Erholungsfläche ausbildet. An erster Stelle verleiht jedoch das Material Holz dem Ensemble eine vor allem im Mehrfamilienhausbau fast avantgardistische Anmutung.
Der Erfolg des modularen Ansatzes aber bleibt abhängig von der Qualität der Umsetzung. Genau an dieser Stelle kommt, wie Corinna Sticher, Partnerin bei Klose + Sticher und Entwurfsverfasserin, ausführt, ein wesentlicher Vorteil der Modulbauweise zum Tragen: „Die Qualität kann durch die Fertigung in einer trockenen und durchorganisierten Werkhalle durch ein eingespieltes Fertigungsteam erhöht werden.“
Modulbauweisen schwer vergleichbar
Im Hinblick auf Ausschreibung und das Verfahren sei angesichts der unterschiedlichen und meist kaum vergleichbaren Angebote der Modulhersteller (Maße der Module, Wand- und Deckenstärken) ein zweistufiges Wettbewerbsverfahren empfehlenswert. Bieterteams, die in die zweite Stufe kommen, in der dann die konkrete Gesamtkalkulation vorgelegt werden muss, sollten einen Großteil des Planungsaufwands erstattet bekommen. Jenseits dessen, so Corinna Sticher, sei zur Erreichung architektonischer Qualität beim Modulbau „ein externer Architekt so unabdingbar wie bei jeder konventionellen Bauaufgabe auch“.
Modulbau hat kaum weniger Planungsaufwand
Die Anforderungen im Hinblick auf Barrierefreiheit, Brandschutz, auf die größenrelevanten Richtlinien des geförderten Wohnungsbaus, auf die regionalen gesetzlichen Vorgaben und auf den Grundstückszuschnitt seien nicht weniger komplex als bei konventionellen Bauaufgaben. Die Modulbauweise, so könnte man zusammenfassen, bietet den Vorteil größerer Schnelligkeit: Bauzeiten beschränken sich – jenseits des Aushubs – auf sechs bis neun Monate.
Bei allen Vorteilen seien die Kosten, so Corinna Sticher, infolge der Entwicklung der vergangenen Jahre circa 30 Prozent höher als in konventioneller Bauweise, wozu auch die Transportkosten beitragen. Die Bauteile für Kriftel werden in Polen (Firma Unihaus) produziert. Hingegen sei prinzipiell auch bei dieser Bauweise eine Lebensdauer von 60 Jahren keineswegs ausgeschlossen.
Stahlmodulbau in Aschaffenburg
Für Module in Stahlbauweise steht auf Herstellerseite heute nicht zuletzt das Unternehmen Alho Systembau GmbH. In Kooperation mit dem Essener Büro Koschany + Zimmer Architekten KZA entwickelte man für die sogenannten Spessart-Gärten auf einem ehemals militärisch genutzten Gelände in Aschaffenburg aus den Modulen heraus die Wohnungen für fünf jeweils fünfgeschossige Punkthäuser. Kompaktheit der Baukörper sowie der Wohnungsmix waren vorgegeben, gestalterische Freiräume betrafen die durch versetzte Fensteranordnung aufgelockerte Fassade, an die die Balkone direkt angehängt wurden.
Betonmodulbau in Taunusstein
Erfahrung in modularer und serieller Bauweise hat auch das Architekturbüro planquadrat aus Darmstadt. Seit längerer Zeit pflegt man die Partnerschaft mit dem Unternehmen Lechner Group, das im fränkischen Uehlfeld seit über 100 Jahren Betonteile für die Baubranche produziert. Schon 2015 hat man gemeinsam mit dem Traditionsunternehmen Betonmodule mit hoher Fertigungstiefe entwickelt, die auch bei dem aktuellen Projekt einer Wohnanlage in Taunusstein/Hahn zum Einsatz kamen.
Die Anlage besteht aus drei rechteckigen Baukörpern mit insgesamt 72 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen. Architektonisch springen vor allem die zweigeschossigen, farblich unterschiedlich ausgeführten Portale sowie die filigranen Flugdächer ins Auge, die Vorstellungen von modularem Bauen durchaus entgegenstehen. Die Wohnungen selbst haben raumhohe Fenster und sind sämtlich mit Balkonen ausgestattet. Zwischen den drei versetzt angeordneten Gebäuden verläuft eine mit Bäumen bepflanzte Passage, von der aus jeweils die Erschließung erfolgt.
Modulbau schneller und sauberer, aber auch teurer
Die Modulbauweise, so Robert Müller, der für das Projekt verantwortliche Partner bei planquadrat, sei nicht unbedingt kostengünstiger; für sie spreche auch in diesem Fall in erster Linie die deutlich verkürzte Bauzeit: „Da pro Tag zehn bis 20 Module gesetzt werden konnten, ließ sich die Bauzeit auf weniger als vier Monate reduzieren; komplett, inklusive Tiefgarage, betrug sie gerade einmal 14 Monate.“ Daraus ergebe sich eine bessere Kalkulierbarkeit der Projekte.
Übereinstimmung besteht auch in der Einschätzung der besseren Ausführungsqualität. „Der Vorteil beim Modulbau liegt im sauber ausgeführten Detail“, so Müller. Insgesamt hat das Büro bislang zehn Projekte in Modulbauweise realisiert, aktuell seien rund 30 Wohnprojekte in Planung, zahlreiche weitere in serieller Bauweise. Was jedoch die Akzeptanz der Modulbauweise betrifft, so scheint noch viel Luft nach oben zu sein. Für den diesjährigen Tag der Architektur in Hessen wurde, so Müller, das Modulbau-Projekt in Taunusstein von der Jury leider nicht ausgewählt. „Eine Begründung hierfür wurde auch auf Rückfrage nicht genannt.“
Neues Modulbau-Bieterverfahren
Dass die Modulbauweise entsprechend dem Rahmenvertrag nicht alle Dringlichkeiten des Bedarfs – Stichwort Nachverdichtung – zur Gänze erfüllt, ergibt sich aus dem Verfahren. Die Grundstücksflächen, die den Wohnungsbaugesellschaften zur Verfügung stehen, liegen in der Regel nicht in Citylage. Was die Gestaltungsqualitäten der realisierten Wohnprojekte betrifft, so habe man laut Fabian Viehrig vom GdW im Verlauf der fünf Jahre eine qualitative Aufwertung verfolgen können. Den neueren Projekten sehe man den Modulcharakter vielfach gar nicht an.
Andersherum formuliert, so Viehrig, sei Monotonie „kein Privileg modularen Bauens. Beim zweiten Durchgang des Bieterverfahrens, das bis zum Herbst abgeschlossen sein soll, werde man die Zahl der Angebote erhöhen. Die Bundesarchitektenkammer wird hierbei weiterhin im Auswahlgremium mitwirken. Man werde bei der neuen Runde, was die Teilnehmer betrifft, den Fokus nicht mehr so stark auf Bietergemeinschaften von Herstellern und freien Büros legen. „Der Markt soll selbst regeln, aus welchen Partnern sich die Bietergemeinschaften zusammensetzen.“ Vorrangiges Ziel des Verfahrens bleibe, den Wohnungsunternehmen eine zusätzliche Möglichkeit zu geben, guten Wohnungsbau zügig zu organisieren.
Dr. Frank Maier-Solgk ist freier Journalist und Buchautor in Düsseldorf
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