
Intensiv begrünt: Der unterkellerte (!) Innenhof des Projekts Q8 in Stuttgart zeigt eindrücklich, was mit einem entsprechenden Systemaufbau an Bepflanzungen möglich ist – bis hin zu gebäudehohen Kletterpflanzen.
CityArc
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Stadtklima? Alles im grünen Bereich!“ im Deutschen Architektenblatt 06.2025 erschienen.
Die Folgen des Klimawandels sind global betrachtet längst allgegenwärtig und seine Auswirkungen auf uns Menschen auch hierzulande bereits deutlich spürbar. Laut Daten des Deutschen Wetterdienstes war das aktuelle Jahrzehnt rund 1,9 °C wärmer als die ersten Jahrzehnte (1881–1910) der Aufzeichnungen. Die Temperaturen in Deutschland sind damit deutlich stärker gestiegen als im weltweiten Durchschnitt. [1]
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Das Problem: Versiegelung, mineralische Baustoffe und Klimaanlagen
Die zunehmende Flächenversiegelung, eine immer dichtere Bebauungsstruktur und wärmespeichernde Baustoffe wie Beton, Naturstein und Asphalt führen im urbanen Raum zu Wärmeinseleffekten. Wand-, Fassaden- und Dachbaustoffe mit versiegelten Oberflächen nehmen langwellige Strahlung je nach Material und Farbe auf und erhitzen sich deutlich mehr als die umgebende Lufttemperatur.
Diese Energie wird gespeichert, in das Gebäude geleitet oder in den urbanen Raum gestrahlt. Darüber hinaus fallen der zunehmenden baulichen Verdichtung in Städten wichtige kühlende Parks und Grünflächen zum Opfer. Fehlende Frischluftschneisen und anthropogene Wärmeemissionen von Gebäuden, Industrie und Verkehr verschärfen die Situation zusätzlich.
Urbane Wärmeinseln
In diesen urbanen Wärmeinseln liegen die Temperaturen bis zu 10 °C über den Umgebungstemperaturen im Umland. Die vorgenannten Faktoren verstärken die Hitzebelastung im urbanen Raum, was zu einer erheblichen und ernst zu nehmenden Gesundheitsbelastung führt.
Das gängige Konzept, diesen Belastungen zumindest in geschlossenen Räumen zu begegnen, ist die Installation von Kühlsystemen und Klimaanlagen – mit deutlich zunehmender Tendenz. Das Resultat ist nicht nur ein erhöhter Energieverbrauch, sondern auch die Wärmeemission in den städtischen Raum nimmt messbar zu und verschärft somit die Problematik urbaner Wärmeinseln.
Mehr Hitze, mehr ältere Menschen
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Urbanisierung – die Vereinten Nationen prognostizieren, dass bis 2050 zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben – müssen sich Metropolen und Städte den zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels stellen und entsprechende Klimaanpassungsstrategien entwickeln, um den gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung zu gewährleisten. Das gilt insbesondere für Deutschland, wo nicht nur der bereits sehr hohe Urbanisierungsgrad, sondern auch der demografische Wandel erheblichen Druck auf die Stadtentwicklung machen, um die Gesundheit und Lebensqualität in den Städten und Quartieren zu bewahren [2].
Auswirkungen auf Lufttemperatur und Luftfeuchte
Grünflächen im urbanen Raum tragen dazu bei, Wärmeinseleffekte zu minimieren, indem sie die Umgebungstemperatur mittels Photosynthese durch adiabate Kühlung reduzieren. Adiabate Kühlung beschreibt den Energieverbrauch für den Wechsel des Aggregatzustands von flüssigem Wasser zu Wasserdampf. Dieser Prozess kühlt das umgebende Medium ab – eintreffende Strahlung wandelt sich in „Verdunstungskälte“ um. Sind die Begrünungen vital, werden die Flächen in der Regel niemals wärmer als die Umgebungslufttemperatur. Das kann im Vergleich zu einer frei bewitterten Dachabdichtung die Temperatur auf der Dachfläche um bis zu 50 °C und mehr reduzieren [3].

Energiebilanz eines unbegrünten Daches im Tagesmittel: Ein Kühleffekt tritt nicht ein, da die Verdunstung ohne Pflanzen nur auf dem Oberflächenwasser beruht.
Prof. Dr. Nicole Pfoser

Energiebilanz eines Gründachs im Tagesmittel: Dank der Pflanzen werden rund 58 Prozent der Strahlungsbilanz in Verdunstungskälte umgewandelt.
Prof. Dr. Nicole Pfoser
Lufttemperatur ist nicht gleich gefühlte Temperatur
Die erhöhte Luftfeuchte hat den zusätzlichen Effekt, die gefühlte Temperatur zu reduzieren. Diese bestimmt sich nicht alleine aus der messbaren Lufttemperatur, sondern setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen. So fließen in die „physiological equivalent temperature“ (PET) auch die Luftfeuchtigkeit, die Windgeschwindigkeit sowie lang- und kurzwellige Spektralbereiche der solaren Strahlung mit ein.
Was eine Gebäudebegrünung leistet
Die positiven Effekte von Grünflächen auf das Mikroklima der Stadt sind bekannt und fester Bestandteil der Stadtplanung. Horizontale Grünflächen wie Parks und Grünzüge auf Bodenniveau stehen im städtischen Raum jedoch zunehmend in Konkurrenz zu wertvollen Bauflächen. Einen Ausweg und Ausgleich bieten Dach- und Fassadenbegrünungen – diese konkurrieren weder mit der städtischen Verdichtung noch gefährden sie den zunehmenden Wohnungsbedarf.
Die Pflanzen wirken durch das Verdunsten von Wasser nicht nur kühlend, sondern verschatten auch die Gebäudehülle und reduzieren somit die Wärmespeicherung der massiven Bausubstanz. Gebäudebegrünungen senken aber nicht nur die Umgebungstemperatur, sondern bewirken viele weitere Effekte:
- sie dämpfen die städtischen Lärmemissionen,
- sie reduzieren die Luftbelastung,
- sie erhöhen die Luftfeuchte,
- sie entlasten die Abwassersysteme durch Regenwasserretention und -verdunstung,
- sie wandeln CO2 zu O₂ mittels Photosynthese um,
- sie fördern die Biodiversität,
- sie schützen die Gebäudehülle vor Witterungseinflüssen,
- sie dämmen zusätzlich Dächer und Fassaden,
- sie verbessern die Aufenthaltsqualität auf Balkonen und in Freiräumen und werten Gebäude und städtische Strukturen insgesamt auf [3].
Praxisbeispiel Kö-Bogen II
Bei dem Projekt Kö-Bogen II hat der Architekt des Gebäudes – Christoph Ingenhoven – seiner Definition von „supergreen“ zufolge ein nach außen unverkennbares und zugleich städtebaulich wirksames Statement gegeben. Die vollständig begrünte Gebäudehülle des Gebäudes ist einzigartig in Europa und setzt mit seinen mikroklimatischen Effekten ein starkes Zeichen für die Antwort der Städte auf den Klimawandel.
Acht Kilometer Hainbuchenhecken mit mehr als 30.000 Pflanzen entsprechen der Verdunstungsleistung von rund 80 ausgewachsenen Laubbäumen. Nach Untersuchungen von Karl-Heinz Strauch, der das Projekt als Phytotechnologe begleitet hat, kommt die Pflanzenhülle der Fassade auf eine Laubfläche von mindestens 30.000 Quadratmetern. Dieser „pflanzliche Sonnenschirm“ schützt das Gebäude vor Aufheizung, wandelt die auftreffende Strahlung in Verdunstungskälte um und kühlt so die nahe Umgebungsluft spürbar herunter.

Coole Fassade: Die thermografische Aufnahme des Kö-Bogens II vom 12. Mai 2024 offenbart den Kühleffekt der Fassadenbegrünung.
Uwe Grützner, TU-Dortmund
Niedrigere Lufttemperatur vor dem Kö-Bogen II
Messungen an einem 42 °C heißen Sommertag belegten die positiven Auswirkungen auf das Mikroklima in der unmittelbaren Umgebung: Während sich bei einer benachbarten, sonnenexponierten und unbegrünten Metallfassade die Lufttemperatur in einem Meter Abstand vor der Fassade auf 76 °C aufheizte, ergab die Vergleichsmessung mit identischem Abstand und Exposition vor der begrünten Fassade lediglich 38 °C. Dies zeigt eindrücklich, welche ökophysiologischen Leistungen die Pflanzen für uns Menschen im urbanen Raum bieten können.
Ohne Wasser bleiben die Effekte aus
Ihre vielseitigen Vorteile können Gebäudebegrünungen aber nur dann ausspielen, wenn genügend und regelmäßig Wasser in entsprechender Qualität zur Bewässerung der Pflanzen zur Verfügung steht. Nur mit einer ausreichenden Wasserversorgung bleibt die grundsätzliche Vitalität der Pflanzen gewährleistet, kann der Photosyntheseprozess der Pflanzen laufen und stellt sich der gewünschte mikroklimatische Effekt über adiabate Kühlung ein.
Das bedeutet andererseits, dass ein zunächst naheliegender Ansatz, nämlich primär trockenresistente „klimaangepasste“ Pflanzen zu priorisieren, durchaus irreführend sein kann. Diese Arten „verbrauchen“ einerseits wenig Wasser, verdunsten andererseits aber auch wenig Wasser. Exakt dieser Prozess bringt jedoch die gewünschte Kühlungsleistung im urbanen Raum, die wir als Klimaanpassungsmaßnahme benötigen. Auch der Begriff des „Wasserverbrauchs“ ist an dieser Stelle irreführend. Die Verdunstung an Land ist Grundlage für regionale Niederschläge und somit Bestandteil des natürlichen Wasserkreislaufes.
Extensive Dachbegrünungen mit begrenzter Wirkung
Der Anteil einfacher, extensiver Dachbegrünungen lag 2023 in Deutschland bei 86,2 Prozent aller Gründachflächen [4]. Diese können zwar theoretisch Verdunstungsleistungen von bis zu 4,5 Liter pro Tag erreichen [5], aber nur dann, wenn eine entsprechende Wassermenge verfügbar ist.
Da aber extensive Dachbegrünungen in der Regel nicht aktiv bewässert werden oder über ausreichend Anstauwasser verfügen, ist es fraglich, ob sich dieser Verdunstungseffekt tatsächlich einstellt und ob die Resilienz und Leistungsfähigkeit solcher Systemaufbauten den klimatischen Trends mit mehr und längeren Dürrephasen, Hagel und Starkregen [6] langfristig genügen kann.
Regenwassermanagement: speichern statt ableiten
Um Dach- und Fassadenbegrünungen permanent und geregelt mit Wasser zu versorgen, bieten sich mittlerweile etliche technische marktverfügbare Lösungen an, deren verbindendes Element letztlich immer das „Regenwassermanagement“ darstellt. Im Gegensatz zu der tradierten Definition dieses Begriffes geht es hierbei jedoch nicht mehr um das möglichst schnelle und gezielte Ableiten oder Versickern des Regenwassers, sondern um eine möglichst nachhaltige Bewirtschaftung der Ressource Regenwasser.
Ziel ist das Schließen des natürlichen Wasserkreislaufs, indem ein Großteil der Niederschlagsmenge wieder der Verdunstung zugeführt werden kann. Entsprechende Bevorratungs- oder Retentionsvolumina können dabei gleichzeitig als Überflutungsschutz bei Starkregenereignissen dienen und der Einsatz von kostbarem und aufwendig aufbereitetem Trinkwasser kann vermieden werden.
Retentionsgründächer
Sogenannte „Retentionsgründächer“ können – je nach Systemaufbau – sehr viel Regenwasser zurückhalten und die darüberliegende Begrünung via Kapillarbrücken bewässern. Je nach Systemanbieter lässt sich die Anstauebene aktiv steuern und somit das Retentionsvolumen im Falle eines bevorstehenden Starkregenereignisses vergrößern, um mehr Wasser speichern zu können.
Fassadenbegrünungen
Auch Fassadenbegrünungen mit Kletterpflanzen – egal ob boden- oder dachgebunden – profitieren durch ein optimiertes Regenwassermanagement mittels Retentionssystemen, um die Verdunstungsmenge zu erhöhen und somit mehr Kühleffekte zu erzielen. Wandgebundene Fassadenbegrünungen lassen sich über Zisternen ebenso problemlos bei längeren Trockenphasen bewässern.
Gründächer mit Photovoltaik
Wie bei allen Dachflächen ist auch bei einem Gründach die Kombination mit Photovoltaikmodulen möglich. Dass die Pflanzen von den Modulen stellenweise verschattet werden, sorgt für heterogenere Standortbedingungen und fördert sogar die Biodiversität. Gleichzeitig kühlt der Verdunstungseffekt der Begrünung die Photovoltaikmodule und erhöht deren Leistung um zwei bis acht Prozent gegenüber unbegrünten Dächern [5].

Rundum grün: Der Kö-Bogen II in Düsseldorf gilt als Europas größte begrünte Fassade.
Jakob Leonhards Söhne GmbH & Co. KG
Fazit: Gebäudebegrünung ganzheitlich konzipieren
Damit Gebäudebegrünungen – insbesondere in Anbetracht des fortschreitenden Klimawandels – langfristig bestehen und resilient gegenüber allen Anforderungen bleiben, ist eine ganzheitliche Planung und Konzeption folgender drei Punkte unerlässlich:
- bauliche Schnittstellen zum Gebäude,
- vegetationstechnische Kriterien für die Pflanzen sowie
- wassertechnische Anforderungen für ein langfristig gesichertes Regenwassermanagement.
Technisch ausgereifte Lösungen für eine vitale und leistungsstarke Gebäudebegrünung sind längst verfügbar – man muss nur die entsprechenden Aspekte frühzeitig berücksichtigen und über die fachlichen Kompetenzen im Planungsprozess verfügen.
Dipl.-Biol. Kilian Lingen absolvierte 2013 das Studium der Biologie mit den Schwerpunkten Botanik, Pflanzenphysiologie und Vegetationsökologie an der TU Darmstadt. Seit Gründung von CityArc im Jahr 2022 verantwortet er als Vorstand die Geschäftsführung. Er ist sehr erfahren in der Konzeption von Gebäudebegrünungen.
Literatur und Quellen zur Gebäudebegrünung
[1] Deutsches Klima-Konsortium, Deutsche Meteorologische Gesellschaft, Deutscher Wetterdienst, Extremwetterkongress Hamburg, Helmholtz-Klima-Initiative, klimafakten.de (Hrsg.), 2020: Was wir heute übers Klima wissen – Basisfakten zum Klimawandel, die heute in der Wissenschaft unumstritten sind
[2] Ärzte Zeitung Online (Hrsg.), Studie zu Klimawandel – immer mehr Hitzetote in Deutschland, 2020
[3] Dr. Pfoser, Nicole, Bauwerksbegrünung im Bestand, Rudolf Müller Medien, Köln, 2025
[4] Bundesverband GebäudeGrün e. V., BuGG-Marktreport 2024, Berlin, 2025
[5] Bundesverband GebäudeGrün e. V., BuGG-Fachinformation „Positive Wirkungen von Gebäudebegrünungen (Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünungen)“, Berlin, 2023
[6] Klimapressekonferenz des Deutschen Wetterdienstes (2025)
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