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Touch Wood: Holzbau vom Wald bis zum Hochhaus

Ein gehaltvolles Buch über das Verhältnis zum und die Nutzung von Holz: Biologie, Forstwirtschaft und Holzbau.

 

Christoph Gunßer
25.11.2022 4min
Nachhaltigkeit Holzbau Holz Bundesweit

So unprätentiös und reduziert das Paperback „Touch Wood“ auch gestaltet ist – als Leser merkt man rasch die Begeisterung seiner Macherinnen für das Phänomen Holz. Die drei Herausgeberinnen Carla Ferrer, Thomas Hildebrand und Celina Martinez-Cañavate bauen in ihrer Praxis von Architektur und Stadtplanung schon seit Jahren auch mit Holz.

Historisches Foto eines mehrstöckigen Holzhauses mit Giebel
Knochenhaueramtshaus in Hildesheim, koloriertes Foto. Urheber unbekannt

Biologie des Holzes und Waldnutzung

Für dieses Begleitbuch zur gleichnamigen Ausstellung im Zentrum Architektur Zürich gewannen sie viele namhafte Autoren, die erst den Wald, dann das Holz, dann die Architektur aus Holz kundig betrachten und erklären. Der Bielefelder Technik- und Umwelthistoriker Joachim Radkau etwa ist mit einer (sehr) kurzen Kulturgeschichte des Holzes vertreten, ehe Biologie und Waldnutzung, Schnitt und Fügung, Handwerk und Systembau erläutert werden.

Holzverarbeitung und Holzbau

Pirmin Jung erläutert den Ingenieurholzbau, Beat Weiss ein Holzhochhaus. Es gibt auch Notizen aus der Fertigung eines führenden Holzbaubetriebes (das Buch wurde einschlägig gesponsort), aber auch eher randständige Themen wie die Agroforstwirtschaft, die Initiative SlowWood (die eine möglichst umfassende Nutzung von Bäumen anstrebt), Freiformen, Krummholz oder das traditionell praktizierte Recyceln von Holz finden Beachtung: Da sei mehr drin als die übliche thermische Verwertung, sofern die Konstrukteure die Demontage mitdenken.

Das Ganze ersetzt in seiner kaleidoskopischen Breite keinen Holzbauatlas, eröffnet aber auch Fachleuten noch ungeahnte Perspektiven. Und erfüllt den ausgelatschten Begriff der Nachhaltigkeit endlich umfassend mit Leben.

Kleines Holzhaus an Kran hängend
Junya Ishigmi, Home for the Elderly, 2012, ©Junya Ishigami + associates Foto: ©Yasuhiro Takagi

Zögerliche moderne Anfänge und frühe Holzbauten großer Meister

Die zweite Hälfte des Readers – die Texte sind zwar recht trocken layoutet, aber durchweg lesenswert – erhellt zunächst den Weg des Schweizer Holzbaus, der es in der Moderne durchaus nicht leicht hatte. Die Vorbehalte („Barackenbau“) sind stets dieselben. Doch seit den 1990ern ging die Schweiz im Holzbau mit voran: Herzog & de Meuron etwa begannen mit sehr schlichten Holzbauten, Peter Zumthor auch.

Es folgt ein reich bebildertes Panorama der gegenwärtigen Holzarchitektur in der Schweiz und sodann, leider nur jeweils zweiseitig, weltweit – das haben Zeitschriften schon besser präsentiert. Hier erfreut besonders ein persönliches Resümee von Kengo Kuma.

Eine tiefe Beziehung zum Holz

Poetisches und Rationelles gehen im Holzbau oft eine Verbindung ein, „die Technik erlaubt es zu träumen“ schreibt ein Autor. „Touch Wood“ („Klopf auf Holz!“) ist traditionell eine Formel, um jemandem Glück und Gelingen bei einem Vorhaben zu wünschen. Sie zeugt aber auch von der tiefen, vorrationalen Beziehung des Menschen zum Baum und zum Holz. Es ist das Verdienst dieses Buches, das Thema von diesen Wurzeln bis zu Ökonomie und Ästhetik der Nutzung ganzheitlich, subjektiv und objektiv, zu durchdringen.


Buch cover Touch WoodCarla Ferrer, Thomas Hildebrand und Celina Martinez-Cañavate (Hg.)
Touch Wood. Material Architektur Zukunft
Lars Müller Publishers, 2022
204 Seiten, 40 Euro
Es ist auch eine englische Fassung erschienen.

 

© privat

Christoph Gunßer

Freier Fachautor

Christoph Gunßer ist für das DAB vor allem in Süddeutschland unterwegs. Nach Architekturstudien in Hannover, Stuttgart und den USA wurde er erst Redakteur, dann freier Fachautor, der einige Bücher zu wegweisenden Wohnbauten publiziert hat.

Mit Basis in Hohenlohe, wo er für seine Familie ein altes Hospital ausgebaut hat, berichtet er heute vor allem aus dem Süden und der Mitte Deutschlands für das DAB und andere, darunter die Bundesstiftung Baukultur und die KfW. Auch Kritiken und Essays zum Architekturgeschehen schreibt er gern. Am liebsten klappert er aber zu Fuß oder mit dem Fahrrad neue Projekte in Stadt und Land ab.