Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Zuschlagskriterium Präsentation“ im Deutschen Architektenblatt 10.2025 erschienen.
Ausgeschrieben war ein Dienstleistungsauftrag über die Objektplanung für Gebäude und Innenräume für eine Ganztagesschule und die Erweiterung eines Schulcampus als Verhandlungsverfahren nach VgV.
Formulierung des Zuschlagskriteriums „Präsentation“
Eines der Zuschlagskriterien war wie folgt formuliert: „Aufforderung zur Abgabe eines Angebots/Konzepts, Verhandlungsverfahren/Präsentation (…): Die Bieter haben neben dem Honorarangebot ein Konzept (…) einzureichen, welches inhaltlich auf die Zuschlagskriterien eingehen soll (.…). Die einzureichenden Konzeptunterlagen werden von einem vom Auftraggeber bestimmten Gremium (…) vorab bewertet. Im Nachgang wird den Bietern noch einmal Gelegenheit gegeben, einzelne Schwerpunkte des Konzepts vor dem Gremium beim AG zu präsentieren. Die Auswahl der Schwerpunkte bleibt dem Bieter überlassen und ist Bestandteil der Wertung (s. Wertung Zuschlagskriterien). Bitte beachten Sie das Gewichtsverhältnis von Konzept, Honorarangebot und Präsentationstermin (gem. Wertung Zuschlagskriterien).“
In den Vergabeunterlagen war zudem ein Bewertungsbogen „Konzept/Präsentation“ enthalten, in dem die einzelnen qualitativen Wertungskriterien sowie die Umrechnungsmethode des Honorarangebots in Bewertungspunkte dargestellt waren. Es wurde aufgeführt, dass folgende Aspekte gewertet würden: die Schwerpunktsetzung der Präsentationspunkte, das Zeitmanagement des Bieters im Rahmen der Präsentation sowie die Antworten auf fachliche Nachfragen des Gremiums.
Im ebenfalls den Vergabeunterlagen beigefügten Entwurf für den Architektenvertrag wurde unter anderem geregelt, dass der Auftragnehmer verpflichtet sei, an projektbezogenen Besprechungen und Verhandlungen mit Behörden teilzunehmen.
Planungsbüro stellt Nachprüfungsantrag
Ein Planungsbüro stellte fristgerecht seinen Teilnahmeantrag, gab ein Angebot ab, nahm am Verhandlungsgespräch teil und reichte fristgerecht ein finales Angebot ein. Die Auftraggeberin teilte dem Büro jedoch mit, dass ein anderes Angebot den Zuschlag erhalten solle. Die nicht zum Zuge gekommene Bieterin rügte die Entscheidung als vergaberechtswidrig. Der Rüge wurde jedoch nicht abgeholfen, woraufhin das Büro einen Nachprüfungsantrag stellte.
Die Vergabekammer Südbayern gab dem Nachprüfungsantrag statt (Beschluss vom 15. Oktober 2024, Geschäftszeichen: 3194.Z3-3_01-24-38). Sie hält die Ausgestaltung und Wertung des Kriteriums „Präsentation“ für vergaberechtswidrig. Dieses nicht preisliche Zuschlagskriterium lasse den gemäß § 127 Abs. 3 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen) nötigen Auftragsbezug vermissen.
Wertung der Präsentation muss Auftragsbezug haben
In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Vergabestelle, ein Auftragsbezug sei sehr wohl gegeben: Die Bewertung der mündlichen Präsentation sei notwendig, weil sich das Projektteam auch während des Auftrags einem Dialog stellen müsse. Zudem zeige sich bei einer Präsentation das Zusammenspiel des Projektteams. Die Auftraggeberin trug ergänzend vor, man müsse in der Praxis seine Planung ständig präsentieren – und dies meist in einem sehr engen Zeitrahmen.
Zwar erschien es der Vergabekammer schlüssig, dass sich anhand eines beispielhaften Vortrags grundsätzlich die Fähigkeiten von Referenten hinsichtlich Schwerpunktsetzung, Zeitmanagement und Reaktion auf Rückfragen beurteilen ließen. Das Kriterium falle somit unter die Regelung des § 58 Abs. 2 S.2 Nr. 2 VgV. Hiernach können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden. Dazu zählen insbesondere die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann.
Jedoch müsse darüber hinaus ein hinreichender Bezug zur konkreten späteren Leistungserbringung der vortragenden und bewerteten Person im Rahmen des zu vergebenden Auftrags gegeben sein.
Anforderungen müssen für Ausführung relevant sein
Das Problem im vorliegenden Fall war allerdings, dass weder im Vertragsentwurf noch an anderer Stelle der Vergabeunterlagen festgeschrieben war, dass die Personen, die die Präsentation halten und deren Präsentationsfähigkeiten bewertet werden, später auch die im Architektenvertrag festgelegten Besprechungstätigkeiten wahrnehmen sollen. Es war in den Vergabeunterlagen noch nicht einmal festgelegt, welche Personen den wertungsrelevanten Vortrag überhaupt zu halten hatten.
Die Vergabekammer stellte daher fest, dass es mit dem Ziel der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nicht zu vereinbaren sei, wenn qualitative Aspekte bewertet werden, die bei der späteren Auftragsausführung keine Rolle mehr spielen. Aus diesen Gründen verneinte sie den gemäß § 127 Abs. 3 GWB nötigen Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums „Präsentation“.
Dadurch sei das antragstellende Planungsbüro auch in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da den Anforderungen an die Bestimmung der Zuschlagskriterien bieterschützender Charakter zukomme.
Dokumentation muss nachvollziehbar sein
Zudem wies die Vergabekammer darauf hin, dass sich die konkret getroffene Wertungsentscheidung zur Präsentation nicht hinreichend nachvollziehen lasse. Es sei zu beachten, dass die Dokumentationspflichten des Auftraggebers mit der Offenheit des Bewertungssystems korrespondieren müssten. Je größer die Spielräume seien, die sich ein Auftraggeber durch die Gestaltung der Zuschlagskriterien und der verwendeten Bewertungsmethode zu verschaffen versuche, desto höher seien die Anforderungen an die Dokumentation. Es müsse eine nachvollziehbare Bewertung sichergestellt werden.
In diesem Fall hatte der Auftraggeber ein relativ offenes Bewertungssystem verwendet, indem er zur Differenzierung bei der Punktevergabe lediglich unbestimmte Formulierungen wie „sehr unwahrscheinlich“, „erscheint sicher erreichbar“ oder „erscheint zweifelhaft“ verwendete. Das sei nach der Rechtsprechung des BGH zwar zulässig, führe aber zu höheren Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit der Dokumentation.
Hier sei nicht nachvollziehbar, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen seien. Es mangele an einer hinreichenden Dokumentation der Inhalte der Präsentation. Außerdem sei nicht dokumentiert worden, wer welche Inhalte präsentiert habe.
Vergabeverfahren muss wiederholt werden
Die Vergabekammer entschied daher, dass das Vergabeverfahren in den Stand vor der Aufforderung des Erstangebots zurückzuversetzen sei, da sowohl Änderungen an den Vergabeunterlagen (insbesondere dem Vertragsentwurf) als auch bei der Ausgestaltung von Zuschlagskriterien notwendig seien.
Fazit: Vorsicht bei Zuschlagskriterium Präsentation
Wieder einmal bestätigt sich, dass das Zuschlagskriterium „Präsentation“ risikobehaftet ist. Für Vergabestellen kann diese Anforderung schnell zu einer Falle werden, denn die Voraussetzungen für eine vergabekonforme Ausschreibung unter Verwendung dieses Kriteriums sind äußerst schwierig zu erfüllen. Der Auftragsbezug muss eindeutig erkennbar und die Dokumentation objektiv nachvollziehbar sein.
Bestehen hieran Zweifel, so sollten Bieter sich nicht scheuen, zu rügen und bei Nichtabhilfe auch ins Nachprüfungsverfahren zu gehen. Nur wenn von diesen Möglichkeiten tatsächlich Gebrauch gemacht wird, kann sichergestellt werden, dass Vergabeverfahren fair und transparent ablaufen.
Kathrin Körner ist Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin) bei der Bayerischen Architektenkammer
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