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[ Architektenvertrag ]

Was ist die Zielfindungsphase? Honorar, Kündigung, Beendigung

Der Bundesgerichtshof hat sich mit Funktion, Ende und Vergütung der Zielfindungsphase und mit dem damit verbundenen Sonderkündigungsrecht beschäftigt. Planungsbüros sollten gerade beim Start eines Projekts verstärkt auf die verbindlichen Formvorschriften achten

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Zielfindungsphase – was ist das?“ im Deutschen Architektenblatt 08.2023 erschienen.

Von Franziska Klein

Kennen die Projektbeteiligten am Anfang ihrer Zusammenarbeit noch nicht alle wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele, kann sich ihr Vertragsverhältnis in der Zielfindungsphase befinden. Die Zielfindungsphase ist seit 2018 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) wie folgt geregelt: „Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer (gemeint ist das Planungsbüro) zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller (gemeint ist der Auftraggeber) die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.“

Nach Vorlage dieser Unterlagen steht dem Auftraggeber dann zwei Wochen lang ein Sonderkündigungsrecht zu. Diese Regelungen aus § 650 p Abs. 2 und § 650 r BGB werfen noch Fragen auf. Der Bundesgerichtshof (BGH) bietet nun mit einem Urteil einige Antworten auf noch offene Fragen (BGH, Urteil vom 17. November 2022, Az.: VII ZR 862/21).

Streit um Honorar nach Vertragskündigung

Ausgangspunkt war ein Streit über die Vergütung für Ingenieurleistungen. Die Klägerin sollte Planungsleistungen zu einem Pauschalhonorar erbringen. Der Leistungsumfang wurde vertraglich in fünf Leistungsphasen unterteilt. Die Klägerin erstellte Planungsunterlagen und legte sie der Beklagten mit einer Honorarabschlagsrechnung vor. Die Beklagte unterzeichnete den Erhalt der Unterlagen und bezahlte die erste Rechnung. Die Beklagte wurde im weiteren Verlauf mit den Planungsleistungen unzufrieden und kündigte den Vertrag fristlos. Die Klägerin verlangte ihre restliche Vergütung für noch nicht erbrachte Leistungen bis einschließlich Leistungsphase 5.

Zwischen den Parteien war umstritten, ob sie in ihrem Vertrag schon alle wesentlichen Planungsziele vereinbart hatten oder ob sich ihr Vertragsverhältnis noch in der Zielfindungsphase befand. Aus Sicht der Planerin war die Zielfindungsphase bereits erfüllt und abgeschlossen. Sie habe der beklagten Auftraggeberin die Planungsgrundlage vorgelegt und mit ihr Kosten und Zahlen besprochen. Ein Sonderkündigungsrecht habe die Auftraggeberin nicht fristgemäß ausgeübt, sondern „frei“ gekündigt. Nach der freien Kündigung stehe der Planerin also das restliche Honorar als entgangener Gewinn zu.

Die BGH-Entscheidung zur Zielfindungsphase

Der BGH hat angenommen, dass sich das Vertragsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt der Beendigung noch in der Zielfindungsphase befand (unter anderem weil keine Kosteneinschätzung vorlag). Er hat deswegen auch angenommen, dass der beklagten Auftraggeberin noch kein Sonderkündigungsrecht zustand, sondern sie den Vertrag nur „frei“ kündigen konnte. Die Höhe des Vergütungsanspruchs für das restliche Honorar der Planerin hat der BGH dann aber auf solche Leistungen begrenzt, die bis zum Ende der Zielfindungsphase noch geschuldet gewesen wären.

Die Zielfindungsphase ist Teil des Vertrags und nicht nur vorgeschaltet

Das Gericht hat sich in dem Urteil mit der Frage beschäftigt, welche Funktion die Zielfindungsphase hat. Demnach ist sie kein eigenes Schuldverhältnis vor Begründung des Architekten- und Ingenieurvertrags, sondern Teil eines umfangreicheren Planungsvertrags. Der BGH führt aus, dass eine fehlende Vereinbarung der wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele nicht zu einem unwirksamen Vertrag führt. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass ein auf den ersten Blick unbestimmter Vertrag wirksam sein kann, wenn die Vertragsparteien vereinbaren, dass der Auftraggeber bestimmen darf, welche Inhalte die Leistungspflicht des Planungsbüros hat.

Seit die Zielfindungsphase im BGB geregelt ist, kann der Auftraggeber eines Architekten- oder Ingenieurvertrags sogar gesetzlich berechtigt sein, noch nicht vereinbarte Planungs- und Überwachungsziele zu bestimmen. Soweit die Ziele noch nicht vereinbart sind, legt das BGB fest, dass das Planungsbüro zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen und dem Auftraggeber zusammen mit einer Kosteneinschätzung zur Zustimmung vorzulegen hat.

Zielfindungsphase kann auch unausgesprochen bestehen

Wenn die Zielfindungsphase Teil des Architekten- und Ingenieurvertrags ist, muss sie nicht ausdrücklich vereinbart werden. Hinzu kommt, dass das BGB keine Form für den Abschluss des Architekten- und Ingenieurvertrags vorsieht. Für Planungsbüros kann das bedeuten, dass sie Leistungen der Zielfindungsphase auch dann schulden, wenn dies nicht direkt ausgesprochen oder aufgeschrieben wurde.

Möchten Planungsbüros sichergehen, ob sie in einem Vertrag Leistungen der Zielfindungsphase schulden, kommt es darauf an, ob bei Vertragsschluss tatsächlich schon alle wesentlichen Ziele vereinbart wurden. In diesen Fällen muss eine Zielfindungsphase nicht durchgeführt werden.

Das Gesetz bestimmt, wann die ­Zielfindungsphase endet

Der BGH stellt klar, dass die Zielfindungsphase erst endet, wenn das Planungsbüro dem Auftraggeber alle Unterlagen zur Zustimmung vorlegt, die das Gesetz dafür verlangt, also die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung. Es reicht nicht aus, wenn – wie in dem entschiedenen Fall – auch nur eines von beiden nur mündlich mitgeteilt wird.

Planungsbüros, die das Ende der Zielfindungsphase herbeiführen wollen, sollten dem Auftraggeber die Planungsgrundlage zusammen mit der Kosteneinschätzung schriftlich vorlegen und dies dokumentieren. Ab diesem Zeitpunkt läuft eine zweiwöchige Sonderkündigungsfrist. Darauf muss ein Verbraucher-Auftraggeber ausdrücklich hingewiesen werden.

Vergütungsanspruch bei freier Kündigung während der Zielfindungsphase

Da die Zielfindungsphase im konkreten Fall mangels Vorlage einer Kosteneinschätzung noch lief, konnte die Auftraggeberin den Vertrag nur frei kündigen. Sie hatte kein Sonderkündigungsrecht, denn das besteht erst, wenn die Zielfindungsphase durch Vorlage der erforderlichen Unterlagen beendet ist. Erst dann kann der Auftraggeber entscheiden, ob er das Projekt mit dem Planungsbüro umsetzen oder den Vertrag kündigen möchte.

Folge des Sonderkündigungsrechts ist, anders als bei der freien Kündigung, dass der Auftraggeber weitere Leistungen, die das Planungsbüro nur deshalb nicht erbringt, weil der Auftraggeber gekündigt hat, nicht zu vergüten hat. Kurz gefasst: kein Nachkündigungshonorar (entgangener Gewinn) bei Sonderkündigungsrecht.

Der BGH erkennt im entschiedenen Fall einen Widerspruch. Hätte die Beklagte gewartet, bis die Zielfindungsphase endet und erst dann gekündigt, hätte sie vom Sonderkündigungsrecht profitiert. Sie müsste dann weniger Geld bezahlen. Hier hat sie aber schon früher „frei“ gekündigt. Bei der freien Kündigung ist ihre Vergütungspflicht nicht reduziert.

Um diesen Widerspruch aufzulösen, hat der BGH den Anspruch, den die Klägerin wegen der freien Kündigung auf Zahlung der vereinbarten Vergütung für nicht erbrachte Leistungen hat, in der Höhe reduziert. Wieder kurz gefasst: gedeckeltes Nachkündigungshonorar bei freier Kündigung in der Zielfindungsphase.

Der BGH begründet dies mit der Systematik des Gesetzes. Zum einen können Planungsbüros wegen des Sonderkündigungsrechts des Auftraggebers nach Ende der Zielfindungsphase nicht sicher erwarten, weitere abrechenbare Leistungen erbringen zu dürfen.

Zum anderen dürfte wohl ein Auftraggeber, der schon während der Zielfindungsphase kündigt, den Vertrag erst recht nach Ablauf der Zielfindungsphase beenden wollen. Auch muss vom Auftraggeber nicht verlangt werden, für die Kündigung erst den wirtschaftlich besseren Zeitpunkt abzuwarten, in dem das Sonderkündigungsrecht besteht.

Reaktion: Folgerungen aus dem Urteil gesetzlich festschreiben

Auf dem Deutschen Baugerichtstag, einem großen Baurechtskongress, der alle zwei Jahre stattfindet, hat der Arbeitskreis Architekten- und Ingenieurrecht eine Empfehlung an die Gesetzgebung gerichtet, die an das BGH-Urteil erinnert. Die Beteiligten aus Wissenschaft, Forschung und Lehre haben im Mai 2023 formuliert: „Kündigt der Besteller vor Vorlage der Unterlagen gemäß § 650 p Abs. 2 BGB, ohne dass die Voraussetzungen für eine Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 648 a BGB vorliegen, kann es sich gegebenenfalls um eine freie Kündigung gemäß § 648 BGB handeln.

Für diesen Fall sollte der Vergütungsanspruch des Architekten oder Ingenieurs gemäß § 648 Satz 2 BGB begrenzt werden und sich maximal auf die (erbrachten und nicht erbrachten) Leistungen erstrecken, die bis zur Kündigungsmöglichkeit nach § 650 r Abs. 1 BGB geschuldet sind.“

Sachgerechte Regelung für Architekten

Auch wenn sich das zunächst nach einer unerfreulichen Entwicklung für die Planerschaft anhört, scheint die Regelung – sei es nun durch die Rechtsprechung ausgeurteilt oder im Gesetz verankert – sachgerecht. Denn niemandem ist damit gedient, wenn ein Bauherr mit der Kündigung wartet, bis der richtige Zeitpunkt zum Ausüben des Sonderkündigungsrechts gekommen ist. Wichtiger ist, dass sich die Planungsbüros die Bedeutung von Zielfindungsphase und dem damit verbundenen Sonderkündigungsrecht vor Augen führen.

In Fällen, in denen nicht zu Beginn alle Planungs- und Überwachungsziele klar sind, können sie durch Vorlage von Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung für Klarheit sorgen und die Zielfindungsphase beenden. Warten sie dann zwei Wochen ab, erlischt das Sonderkündigungsrecht.

Franziska Klein ist Rechtsreferentin bei der Bundesarchitektenkammer

 

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