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[ Mängel ]

Gesamtschuldnerische Haftung nur bei Gleichstufigkeit

Ob eine gesamtschuldnerische Haftung von objektbetreuendem Architekten und Bauunternehmer vorliegt, hängt vom Zeitpunkt ihrer Leistungspflichten ab

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Gesamtschuld nur bei Gleichstufigkeit“ im Deutschen Architektenblatt 06.2023 erschienen.

Von Anne Schneider

Bei Errichtung eines Bauwerkes wirken zumeist mehrere Beteiligte mit. Typischerweise greifen dabei deren vertragliche Leistungspflichten ineinander. Werden diese vertraglichen Pflichten verletzt, entsteht ein Mangel, für den gleich mehrere Parteien verantwortlich sind und gegenüber dem Bauherrn als Gesamtschuldner haften. Der Bauherr kann dann die Mangelbeseitigung beziehungsweise die dafür erforderlichen Kosten von jedem Gesamtschuldner ganz oder zu einem Teil fordern, bis die jeweilige Leistung vollständig erbracht ist (§ 421 BGB). 

Überwachungsfehler und Schadensersatz

Für den Fall eines Überwachungsfehlers normiert § 650 t BGB speziell für die gesamtschuldnerische Haftung von objektbetreuendem Architekten und Bauunternehmer dabei eine Art Stufenverhältnis. Diese Norm gibt dem Architekten ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der Überwachungsfehler zu einem Mangel geführt hat, für den auch der Bauunternehmer haftet. Vorrangig ist demnach der Bauunternehmer zur Mangelbeseitigung verpflichtet. Kommt er der Beseitigung des Mangels in angemessener Frist jedoch nicht nach, besteht ein Anspruch auf Schadensersatz gegenüber dem Architekten und Bauunternehmer gleichermaßen – mit der Folge, dass wieder die allgemeinen Grundsätze des § 421 BGB greifen.

Soweit ein Gesamtschuldner gegenüber dem Bauherrn Schadensersatz leistet, kann er im Rahmen des sogenannten Gesamtschuldnerausgleichs von den anderen Gesamtschuldnern einen Ausgleich entsprechend der jeweiligen Mitverursachungsquote verlangen (§ 426 Abs. 2 S. 1 BGB). Die Höhe der Quote ist dabei eine Frage des Einzelfalls.

Doch liegt ein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem objektbetreuenden Architekten und dem bauausführenden Unternehmer auch dann vor, wenn der Architekt sich für seine mangelhaften Leistungen aus den Leistungsphasen (LPH) 1 bis 8 auf Verjährung berufen kann? Mit dieser Frage hatte sich kürzlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu befassen.

Unterlassene Mängelfeststellung

Mit Architektenvertrag vom 21. März 2003 beauftragte die Bauherrin einen Architekten mit dem Bau eines Einfamilienhauses mit Leistungen, die den Leistungsphasen (LPH) 1 bis 9 gemäß § 15 HOAI (2002) entsprachen. Vereinbart wurde, dass eine Teilabnahme nach LPH 8 (Objektüberwachung) erfolgen sollte. Zudem beauftragte die Bauherrin mit Bauvertrag vom 19. Februar 2004 den hier beklagten Bauunternehmer mit der Ausführung von Gipserarbeiten an dem geplanten Einfamilienhaus.

Nach Abnahme der Werkleistungen des Bauunternehmers sowie der Teilabnahme der Leistungen des Architekten nach Abschluss der Objektüberwachung in den Jahren 2004 und 2005 kam der Architekt seiner Pflicht zur Objektbegehung zur Mängelfeststellung nicht nach. Insbesondere unterließ er die Untersuchung der aufgetretenen Feuchtigkeitserscheinungen, die dem beklagten Bauunternehmer zuzurechnen waren. Dies hatte zur Folge, dass die Bauherrin Mängelansprüche, die ihr wegen der Feuchtigkeitserscheinungen gegenüber dem Bauunternehmer und solche, die ihr gegen den Architekten, bezogen auf dessen Leistungen in den LPH 1 bis 8, zustanden, wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung nicht mehr durchsetzen konnte.

Verjährung für Leistungsphasen 1 bis 8

Daher nahm die Bauherrin im Jahr 2011 den Architekten auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Verletzung der Pflichten aus dem Architektenvertrag in Anspruch. Zwar berief sich der Architekt in diesem Verfahren hinsichtlich etwaiger Pflichtverletzungen in den LPH 1 bis 8 erfolgreich auf Verjährung. Doch wurde er zur Zahlung von Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen in der LPH 9 verurteilt. Die hier klagende Versicherungsgesellschaft des Architekten leistete daraufhin Schadensersatz an die Bauherrin und macht nunmehr unter Berufung auf einen Gesamtschuldnerausgleich Ansprüche gegen den Bauunternehmer geltend.

Nachrangige Leistungspflicht in LPH 9

Der BGH entschied, dass die Voraussetzungen für ein Gesamtschuldverhältnis nicht erfüllt sind (BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022, Az.: VII ZR 90/22). Wesentliches Kriterium für ein solches Gesamtschuldverhältnis sei, dass zwischen den Haftenden eine „Gleichstufigkeit“ ihrer Verpflichtungen bestehe. Diese Gleichstufigkeit sei hier jedoch nicht erfüllt, da der Leistungszweck der einen gegenüber der anderen Verpflichtung nachrangig sei. Die vertragliche Verpflichtung eines Bauunternehmers sowie die eines Architekten aus den LPH 1 bis 8 sei auf die mängelfreie Errichtung eines Bauwerkes bezogen. Die Leistungspflichten eines Architekten aus der LPH 9 entstünden jedoch erst nach Errichtung des Bauwerkes und Abnahme der Werkleistungen der bauausführenden Unternehmer.

Ein Schadensersatzanspruch der Bauherrin gegen den Architekten wegen der mangelhaften Objektbetreuung entstünde somit nicht vor Eintritt der Verjährung der gegen den Bauunternehmer gerichteten Mängelansprüche. Wenn der Bauunternehmer die Mängel vor dem Eintritt der Verjährung beseitigt hätte, würde für einen Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen mangelhafter Objektbetreuung kein Raum mehr bleiben: ohne Mängel kein Schaden.

Fazit: Leistungsphasen entscheidend

Für die Beurteilung, ob ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den am Bau Beteiligten vorliegt, kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der jeweiligen Leistungen an. Voraussetzung einer Gesamtschuld zwischen mehreren Haftenden ist die Gleichstufigkeit ihrer Verpflichtungen. Der Architekt, der also „nur“ wegen einer Pflichtverletzung aus der LPH 9 gegenüber der Bauherrin haftet, steht nicht in gesamtschuldnerischer Haftung mit einem ausführenden Bauunternehmer, dem eine Pflichtverletzung bei Erbringung seiner Bauleistung zur Last fällt.

Anders wäre dieser Fall jedoch zu beurteilen gewesen, wenn der Architekt wegen einer Pflichtverletzung aus den LPH 1 bis 8 hätte in Anspruch genommen werden können. Dann hätte ein Gesamtschuldverhältnis zwischen dem Architekten und dem Bauunternehmer bestanden mit der Folge, dass ein Rückgriff auf den Bauunternehmer möglich gewesen wäre.

Anne Schneider ist Rechtsreferendarin am Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht und der Hamburgischen Architektenkammer zur Ausbildung in der Verwaltungspflichtstation zugeteilt

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