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[ Ratgeber ]

Barrierefreie Schulen: Regeln, Normen, Planungshinweise

Die zahlreichen Normen und Regelwerke machen es nicht leicht, Schulen barrierefrei zu planen. Ein Überblick, welche Anforderungen in den einzelnen Bereichen des Gebäudes berücksichtigt werden müssen

Gang mit Rollstuhlfahrerin und einer laufenden Frau
Rampen sind neben Aufzügen eine Option für Rollstuhlfahrer. Für Nutzerinnen mit anderen Einschränkungen sind aber auch Treppen möglich, wenn sie richtig geplant wurden.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Schulen ohne Barrieren“ im Deutschen Architektenblatt 08.2022 erschienen.

Von Vera Schmitz

Für barrierefreie Schulen gelten diverse Regeln, die von Landschaftsarchitekten, Architektinnen und Innenarchitekten gleichermaßen zu beachten sind. Hierzu zählen unter anderem die Landesbauordnungen mitsamt den Sonderbauvorschriften, die Schulbaurichtlinie, sofern in den jeweiligen Bundesländern vorhanden, die Anforderungen und Regelwerke der Unfallkassen, die Arbeitsstättenverordnung und nicht zu vergessen die DIN EN 18040-1 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen, Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude“ die in den jeweiligen Bundesländern als technische Baubestimmung ganz oder in den wesentlichen Teilen eingeführt ist. Da fällt es schwer, den Überblick zu behalten, und in der Regel stellen sich die Fragen erst dann, wenn es an die Planung geht.

Aufzüge

Am einfachsten zu planen sind noch die Aufzüge, die bei Gebäuden ab zwei Geschosse vorzusehen sind. Deren Anzahl und Lage hängt von der Größe und Weitläufigkeit des Schulkomplexes sowie von der Anzahl der Schülerinnen und Schüler ab, die auf die Nutzung von Aufzügen angewiesen sind. ­Versammlungsräume und Sportstätten sind vorzugsweise ebenerdig anzuordnen. Dies erleichtert die Evakuierung für mobilitätseingeschränkte Personen. Ansonsten aber beginnt die barrierefreie Planung bereits mit der Erschließung.

Schulhof und Zugänge

Die Wege auf dem Schulhof zu den Gebäudezugängen müssen den Anforderungen der DIN 18040-1 entsprechen. Zur gefahrlosen Nutzung müssen Verkehrsflächen eine feste und ebene Oberfläche aufweisen, die zum Beispiel auch mit dem Rollstuhl und dem Rollator leicht und erschütterungsarm befahren werden kann. Die Längs- und Quergefälle im Erschließungsbereich sind entsprechend zu beachten, Ausstattungselemente wie Fahrradständer, Bänke, Abfallbehälter und Laternenpfähle sind so anzuordnen, dass sie für Seheingeschränkte und blinde Personen keine Gefährdung darstellen. Die Zu- und Eingangsbereiche müssen für alle Nutzergruppen leicht auffindbar und barrierefrei erreichbar sein. Die Gebäudezugänge sind somit stufenlos und ohne Schwellen zu entwerfen.

Schild mit Blindenschrift
Taktile Leitsysteme helfen blinden Menschen sich im Gebäude besser zurechtzufinden.

Öffentliche und schulische Bereiche

Schulgebäude können in ihrer Nutzung gegliedert werden, sie teilen sich auf in einen öffentlichen und einen rein schulischen Bereich. Teile von Schulgebäuden werden häufig auch für außerschulische Veranstaltungen oder als Wahllokale genutzt. Zu den öffentlichen Bereichen zählen jene, die von Besucherverkehr, wie Eltern und Angehörigen, frequentiert werden. Im öffentlich zugänglichen Bereich ist ein taktiles Bodenleitsystem anzubieten, insbesondere vom Grundstückszugang zum Gebäudeeingang sowie innerhalb der Eingangshalle, sofern diese breiter als acht Meter ist.

Orientierung und Leitsystem

Geradlinige und rechtwinklige Wegeführungen beziehungsweise Raumgestaltungen und bauliche Elemente, wie Gebäude- oder Raumkanten, können blinden Menschen zur Orientierung dienen. Taktile Wahrnehmung kann bei blinden Menschen mit Fingern, Händen, Füßen oder einem Langstock erfolgen. Das Leitsystem führt zu relevanten Punkten wie beispielsweise Informationstafeln, Aufzug, Haupttreppenhaus, WC, Aula, Mensa und Verwaltung/Sekretariat. Ein ertastbares Leitsystem ist auf die wesentlichen Bereiche zu reduzieren.

Das Bojen-Prinzip (von einem relevanten Punkt zum nächsten) ist in der Anwendung oftmals sinnvoll. Gebäudekanten und Sauberlaufzonen, Entwässerungsrinnen und Raumkanten können zum Beispiel als
Leitelemente dienen und in das Leitsystem integriert werden.

Potenzielle Gefahrenstellen, wie unterlaufbare Treppen, Hindernisse oder Absturzkanten sind für blinde und sehbehinderte Menschen zu sichern. Treppen oder Einzelstufen, die unerwartet auf ansonsten ebenen Gehwegen oder größeren Gehflächen vorhanden sind, stellen ebenfalls eine Gefährdung für Blinde und seheingeschränkte Besucherinnen und Besucher dar. Hier sind taktile Aufmerksamkeitsstreifen vor dem oberen Antritt über die gesamte Breite vorzusehen. Leitsysteme für Blinde und seheingeschränkte Personen dürfen nicht auf kraftbetätigte Drehflügeltüren geführt werden.

Klingelanlagen mit Gegensprechfunktion am Eingangsbereich ergänzen das Leitsystem sinnvoll und sind in dieses mit einzubinden. Auch taktile Hinweise an Raumschildern in Braille und in erhabener Schrift sollten umgesetzt werden. Bodenindikatoren werden dort eingebaut, wo andere Markierungen durch sonstige taktil und visuell klar erkennbare Leitelemente oder Leitlinien nicht ausreichen. Auf eine sichere Begehbarkeit und Befahrbarkeit der Verkehrswege ist insgesamt zu achten. Innerhalb des rein schulischen Bereiches ist in der Regel kein taktiles Bodenleitsystem erforderlich.

Krücke vor roter Wand
Wichtiges Detail für barrierefreie Schulen: Halterungen für Gehhilfen

Türen und Brandschutztüren

Türen müssen für Schülerinnen und Besucher leicht geöffnet sowie geschlossen werden können und eindeutig wahrnehmbar sein, sodass eine sichere Nutzung für alle möglich ist. Türen innerhalb von Erschließungsbereichen im Gebäude sind mit einer Offenhaltung zu versehen. Manuell bedienbare Gebäudeeingangstüren benötigen vertikale Griffstangen.

Eingangsschleusen sind so zu gestalten, dass Rollstuhlnutzer und blinde Personen diese ungefährdet passieren können. Ein Freiraum von mindestens 1,50 Metern zur geöffneten Schließkante von Drehflügeltüren ist für Nutzerinnen im Rollstuhl einzuhalten. Die lichte Durchgangsbreite von barrierefreien Türen beträgt 90 Zentimeter.

Großflächig verglaste Türen oder Ganzglastüren müssen für alle Nutzer deutlich und sicher erkennbar sein. Sicherheitsmarkierungen an Glasflächen sind dementsprechend in einer Höhe von 40 bis 70 Zentimetern und von 1,20 bis 1,60 Metern über Oberkante Fertigfußboden (OFF) anzuordnen.

Rauch- und Brandschutztüren sind optimalerweise mit einer Offenhaltung zu versehen. Die Türen sollen nur im Brandfall schließen. Rauch- und Brandschutztüren in Rettungswegen sind so zu planen, dass die Türen erst schließen, wenn eine Gefährdung durch Rauch oder Feuer vor der betreffenden Tür detektiert wird. Von kraftbetätigten Drehflügeltüren darf keine Gefährdung für Blinde und seheingeschränkte Personen ausgehen. Diese sollten zu manuell bedienbaren Türen oder automatisierten Schiebetüren geführt werden.

Eine Eingangsvariante für Schulgebäude ist zum Beispiel eine dreiflügelige Drehflügelanlage mit einer doppelflügeligen manuellen Drehflügeltür und einem separatem automatisierten Drehflügel. Die Steuerung ist vorzugsweise umschaltbar auf Fernbedienung (Funk) oder auch eine Sensorleiste.

Roter Gang zur Toilette
Hier ist das komplette Türelement nach DIN 18040 auf Barrierefreiheit geprüft und zertifiziert.

Treppen

Barrierefreie Treppen müssen deutlich erkennbar und sicher begehbar sein. Sie sind ­gerad­läufig auszubilden und mit Setzstufen auszurüsten. Die Stufen müssen optische kontrastreiche Kantenmarkierungen haben. Die Treppenlaufbreite beträgt mindestens 1,20 Meter im Lichten.

Die Handläufe sind ohne Unterbrechung und beidseitig an Treppenläufen vorzusehen. Sie sind 30 Zentimeter am Anfang und am Ende einer Treppe waagerecht fortzuführen und in einer Höhe von 85 bis 90 Zentimetern über OFF Stufenvorderkante/Podest anzubringen. Handläufe sollten einen Durchmesser von drei bis 4,5 Zentimetern haben (Grundschule: Durchmesser drei Zentimeter).

Sanitäranlagen

Barrierefreie Sanitäranlagen müssen eine beidseitig mit dem Rollstuhl anfahrbare Toilette haben, die auch Besucher nutzen können. Sinnvollerweise sind die barrierefreien Sanitäranlagen also im Umfeld von Mensa oder Aula zu platzieren beziehungsweise zudem im Sporthallenbereich. Eine barrierefreie WC-Anlage sollte als Pflegebad genutzt werden können, das zentral und nahe der Aufzugsanlage liegt. Zur Ausstattung zählen hierbei unter anderem eine Liege, abschließbare Schränke sowie ein Duschbereich.

Barrierefreie Sanitärräume sind so zu gestalten, dass sie von Menschen mit Rollstühlen und Rollatoren und von blinden und sehbehinderten Menschen genutzt werden können. Türen müssen ein lichtes Durchgangsmaß von 90 Zentimetern haben und dürfen nicht in den Sanitärraum aufschlagen, ebenfalls muss eine Entriegelung der Tür von außen möglich sein. Drückergarnituren sind greifgünstig zu wählen und in einer Bedienhöhe von 85 Zentimetern OFF vorzusehen.

Waschbecken in einem hellen großen Toilettenraum einer Schule
Diese Ausstattung ermöglicht es, dass die WC-Anlage Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen nutzen können.

Ausstattungsgegenstände müssen sich von der Umgebung visuell kontrastierend abheben. Eine Bewegungsfläche von mindestens 1,50 mal 1,50 Metern ist vor Sanitärobjekten (WC-Becken, Waschtisch, Duschplatz) erforderlich. Diese Flächen dürfen sich überlagern.

Für die seitliche Anfahrbarkeit des WCs mit dem Rollstuhl bedarf es mindestens einer Tiefe von 70 Zentimetern (Beckenvorderkante bis Rückwand) und einer lichten Breite von mindestens 90 Zentimetern. Bei der ausschließlichen Nutzung durch Grundschulkinder ist eine Tiefe von 55 Zentimetern möglich.

Umkleiden

Umkleiden können als geschlechterneutrale Einzelkabine geplant werden oder als Bestandteil der geschlechtergetrennten Sammelumkleiden. Das heißt, die allgemeinen Umkleiden und Duschen werden in Teilbereichen auch für die Rollstuhlnutzung ausgelegt. Umkleidebänke werden beispielsweise in einem Bereich in einer Breite von mindestens zwei Metern und einer Tiefe von 70 Zentimetern ausgestaltet. Duschen werden in den allgemeinen Duschanlagen möglichst in den hinteren Raumecken für die Rollstuhlnutzung platziert.

Klassenzimmer für Unterricht

Die raumakustischen Anforderungen entsprechen den Anforderungen aus der Bauphysik der DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen“. Standardunterrichtsräume weisen meistens eine Fläche von 60 bis 70 Quadratmetern und eine Raumhöhe von drei Metern auf. Entsprechend den Vorgaben der DIN 18041 sollen Klassenräume, die ein Raumvolumen von zirka 250 Kubikmeter aufweisen, Nachhallzeiten von 0,5 bis 0,6 Sekunden haben. Nehmen Schülerinnen und Schüler mit eingeschränktem Hörvermögen an der Sprachkommunikation teil oder findet die Kommunikation in einer Sprache statt, die nicht die Muttersprache ist, sollen niedrigere Nachhallzeiten bis zu 0,4 Sekunden eingehalten werden.

Schulkinder im Klassenzimmer
Die Lernarbeitsplätze ­im Klassenzimmer müssen auch im Rollstuhl nutzbar sein.

Im Bereich der Tafel und der Vortrags- und Präsentationsflächen ist eine ausreichende Beleuchtung vorzusehen, um das Ablesen der Lippenbewegung der Vortragenden zu verbessern. Schülerinnen und Schüler mit starken Seheinschränkungen haben einen erhöhten Lichtbedarf von 750 bis 1000 Lux, der durch Zuschaltung von Einzelarbeitsplatzleuchten erreicht werden kann.

Lernarbeitsplätze und Unterrichtsräume müssen auch im Rollstuhl nutzbar sein. Bedienhöhen von Nutzern im Rollstuhl sind bei Pinnwänden und Tafeln zu berücksichtigen. Bei Fachräumen sind Bewegungsflächen und Greifhöhen von Schülerinnen und Schülern im Rollstuhl zu beachten. Die Anfahrbarkeit und die Unterfahrbarkeit von Ausstattungen sind auch in Fachräumen und in Lehrküchen zu ermöglichen. Mindestens eine Lernkoje muss unterfahrbar sein.

Räume für Veranstaltungen

In Räumen mit Sitzplätzen sind Plätze für Menschen mit Rollstühlen und deren Begleitpersonen vorzuhalten. Bei fest eingebauten Tischen sind unterfahrbare Tische für Rollstuhlnutzer bereitzustellen. Sind elektroakustische Beschallungsanlagen vorhanden, so ist auch ein Übertragungssystem für Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen, das den gesamten Zuhörerbereich umfasst, einzubauen. Näheres regelt der Anhang der DIN 18041 für induktive Übertragungssysteme. Erhöhte Bühnen müssen auch für Mobilitätseingeschränkte und Nutzerinnen im Rollstuhl zugänglich sein.

Dipl.-Ing. Vera Schmitz ist Architektin und ­Innenarchitektin und Sachverständige für ­barrierefreies Planen, Bauen und Arbeitsschutz

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