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[ Urteil ]

Architekturwettbewerbe: Teilnahme, Referenzen, Preisgelder

Ein aktuelles Urteil behandelt gleich mehrere umstrittene Aspekte von Teilnahmewettbewerben. Doch nicht jede Argumentation des Gerichts kann geteilt werden

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wettbewerbe: Teilnahme, Referenzen, Preisgelder“ im Deutschen Architektenblatt 06.2022 erschienen.

Von Klaus Greb

Ein öffentlicher Auslober hatte einen nicht offenen Realisierungswettbewerb für den Neubau einer Kindertagesstätte ausgelobt. Neben vier gesetzten Architekturbüros sollten elf weitere Büros die in der europaweiten Bekanntmachung definierten Auswahlkriterien erfüllen und sich als Teilnehmer qualifizieren. Falls sich mehr als elf qualifizierten, sollte das Los entscheiden. Eignungskriterien für das spätere Verhandlungsverfahren wurden nicht angegeben.

Referenzprojekte und Punkte sammeln

Für die Qualifikation war entweder ein bestimmtes Referenzprojekt zu benennen oder es mussten mindestens 60 von maximal 180 Punkten durch eine Kombination der Bewertung mehrerer Referenzen erreicht werden. Eine Referenz wurde nur für eine Kategorie bewertet, das heißt, Mehrfachangaben beziehungsweise -nutzungen waren nicht möglich. Die Referenzen sollten Baukosten von mindestens einer Million Euro der Kostengruppen 300 und 400 haben. Die Außenbereichsplanung sollte nicht einbezogen werden. Der Referenzzeitraum betrug zehn Jahre.

Bei der Bewertung wurden Referenzen für öffentliche Auftraggeber positiv berücksichtigt. Als „unmittelbar“ vergleichbares und damit direkt qualifizierendes Projekt galt eine Referenz über „Neubau oder Umbau/Sanierung Kindergarten“. Die Auswahlanforderungen wurden vom Auslober in keiner Dokumentation begründet.

Rüge und Nachprüfungsverfahren

Die Antragstellerin des späteren Nachprüfungsverfahrens rügte vor Abgabe ihrer Bewerbung mehrere Aspekte des Auswahlverfahrens. Sie erfüllte dann zwar die Mindestanforderungen, schied aber aus, weil das Los nicht auf sie gefallen war. Gegen den Ausschluss reichte sie einen Nachprüfungsantrag ein, der schließlich vom Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe entschieden werden musste (Beschluss vom 10. August 2021, Az.: 15 Verg 10/21).

Vorab stellte das OLG klar, dass Wettbewerbe in einem Nachprüfungsverfahren überprüfbar sind. Das gilt nach herrschender Auffassung für sämtliche Arten von Wettbewerben im Sinne des § 103 Abs. 6 GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Grund dafür ist der vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) geprägte materielle Verfahrensbegriff, wonach alle Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers überprüfungsfähig sein müssen (vgl. EuGH, Urteil vom 11. Januar 2005, Az.: C-26/03).

Setzen von Teilnehmern für Architekturwettbewerbe ist zulässig

Weiter hält das OLG Karlsruhe das Setzen von Teilnehmern für grundsätzlich mit dem Vergaberecht vereinbar, solange die gesetzten Teilnehmer die Voraussetzungen gleichermaßen erfüllen wie diejenigen, die sich um die Teilnahme bewerben. Ein Widerspruch zum Wettbewerbsgrundsatz trete nicht ein, wenn die Anzahl der vorausgewählten Bewerber in einem angemessenen Verhältnis zur Anzahl der Gesamtteilnehmerzahl stehe.

Vorliegend sah das Gericht bei vier vorausgewählten und weiteren elf möglichen Teilnehmern genügend Wettbewerb. Das wird in der Rechtspraxis allerdings vielfach als zu wenig Wettbewerb eingeordnet (u. a. Hartmann, in: Röwekamp u. a., VgV, 2. Aufl. 2022, § 78, Rn. 52). Jedenfalls erfüllten auch die gesetzten Teilnehmer laut Aktenlage die Teilnahmevoraussetzungen.

Preisgelder gehören zum Auftragswert

Als erstes Obergericht klärt das OLG Karlsruhe eine interessante Detailfrage für die Auftragswertschätzung bei Planungswettbewerben. § 3 Abs. 12 Vergabeverordnung (VgV) fordert die Schätzung des avisierten Dienstleistungsauftrags zuzüglich etwaiger Preisgelder und Zahlungen an die Teilnehmer. Wenn ein Preisgeld auf die Vergütung des Bestbieters angerechnet wird, könnte man der Auffassung sein, dass sich damit auch der Auftragswert verringert. Das war für den vorliegenden Fall bei einem EU-Schwellenwert in Höhe von 214.000 Euro, einem Auftragswert von 195.000 Euro und einem Preisgeld von 25.000 Euro nebst Anrechnungsklausel entscheidungsrelevant.

Das OLG Karlsruhe kommt allerdings nachvollziehbar zu dem Schluss, dass der Abzug des Preisgelds nicht auch zu einer Verringerung des Auftragswerts im Sinne des § 3 Abs. 12 VgV führt. Dies ergäbe sich laut OLG bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, der nichts von einer solchen Möglichkeit erkennen lässt. Vielmehr muss wegen der bekannten Praxis des Abzugs des Preisgelds für den Bestbieter davon ausgegangen werden, dass der Verordnungsgeber sogar ausdrücklich die Hinzurechnung in den § 3 Abs. 12 VgV hineinformuliert hat. Gestützt wird dies vom Maximalschätzungsprinzip aus § 3 Abs. 1 VgV.

Auswahlkriterien gleich Eignungskriterien?

Das OLG Karlsruhe geht weiter der Frage nach, ob Auswahlkriterien und Eignungskriterien etwas Unterschiedliches sind. Der Auslober hatte lediglich Auswahlkriterien für die Teilnahme am Wettbewerb, nicht jedoch Eignungskriterien für das nachfolgende Verhandlungsverfahren festgelegt. Laut OLG war dies unschädlich. Mit den Auswahlkriterien würde zugleich die Eignung der Bewerber geprüft; bei diesen Kriterien würde es sich ihrem Wesen nach oftmals um Eignungskriterien handeln. Der Planungswettbewerb sei dem Teilnahmewettbewerb gleichzusetzen.

Die dogmatische Begründung für diesen Befund ist nicht nachvollziehbar. Planungswettbewerb (Auslobung von Preisen für Pläne) und Teilnahmewettbewerb (reine Eignungsprüfung) sind offenkundig etwas Unterschiedliches. Außerdem widerspricht das OLG Karlsruhe der aus dem Wortlaut von § 71 Abs. 3 VgV sowie § 80 Abs. 1 VgV gespeisten, (soweit ersichtlich) überwiegenden Rechtsauffassung, nach der Auswahl- und Eignungskriterien zu trennen sind (u. a. VK Berlin, Beschluss vom 12. November 2019, Az.: VK B2-29/19). Es bleibt abzuwarten, ob die Meinung des OLG Karlsruhe überzeugen und außerhalb von Baden-Württemberg Bedeutung haben wird.

Sachgerechte Kriterien für Architekturwettbewerbe

Bei der Beurteilung, ob sachgerechte Kriterien vorliegen, geht das OLG Karlsruhe richtigerweise vom Auftragsgegenstand aus. Weil der Auftragsgegenstand Außenanlagen und Ausstattung nicht umfasste, war die Außerachtlassung der Kostengruppen 500 und 600 bei der Betrachtung vergleichbarer Referenzen nachvollziehbar. Auch die Heranziehung eines längeren Referenzzeitraums von zehn Jahren ist wegen der Ermöglichung eines breiteren Wettbewerbs nicht zu beanstanden.

Dagegen liegt das OLG Karlsruhe falsch darin, die bessere Bepunktung von Referenzen für öffentliche Auftraggeber als rechtskonform einzuordnen. Der Gesetzgeber hat genau das Gegenteil in seine Begründung zu § 75 VgV hineingegeben („unerheblich, ob privater oder öffentlicher Auftraggeber“, siehe Bundesratsdrucksache 87/16, S. 224).

Nutzung einer Referenz darf nicht vorgegeben werden

Bedauerlicherweise ignoriert das OLG Karlsruhe § 75 VgV generell. Mit einer Referenz „Neubau oder Umbau/Sanierung Kindergarten“ wurden Teilnehmer ohne Weiteres zugelassen. Damit wird gegen das Verbot der Vorgabe einer Nutzung für eine Referenz aus § 75 Abs. 5 S. 3 VgV verstoßen. Der Auslober erfüllt sogar das Negativbeispiel des Gesetzgebers, der genau die „gedankenlose Forderung der gleichen Nutzungsart“ etwa bei Kindergärten heranzieht, um das Verbot zu begründen (siehe Bundesratsdrucksache 87/16, S. 224). Außerdem hatte der Auftraggeber für diese Wettbewerbsverengung keine Begründung, was allein zur Rechtswidrigkeit hätte führen müssen.

Die Bezugnahme des OLG auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der Möglichkeit, mittels anderer Referenzen ebenfalls zugelassen zu werden, führt nicht weiter. Weder ist der konturenlose Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Lage, die klare gesetzgeberische Vorgabe in § 75 VgV auszuhebeln, noch ist dieser Hinweis in der Sache korrekt. Ein Teilnehmer, der eine gleiche Referenz hatte, war bereits zugelassen, wogegen sich andere Teilnehmer nur mühsam mithilfe einer Vielzahl von Referenzen qualifizieren konnten. Zudem war die wiederholte Nutzung einer Referenz nicht möglich. Das OLG hätte in einer nötigen Gesamtschau im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu dem Ergebnis einer sachwidrigen Vorgabe kommen müssen.

Fazit: Chance für junge Architekturbüros

Die Entscheidung macht deutlich: Auch Planungswettbewerbe sind kein „rechtsfreier Raum“, sondern unterliegen der Nachprüfung der Vergabekammern. Erfreulich aus Sicht des Berufsstandes ist es zudem, dass das Gericht die Möglichkeit des „Setzens“ gestärkt hat. So können – so sie denn die Eignungskriterien der übrigen Teilnehmer erfüllen – auch kleinere Büroorganisationen und Berufsanfänger eine angemessene Chance bekommen.

Dr. Klaus Greb ist Fachanwalt für Vergaberecht und Gründungspartner von Vergabepartners Rechtsanwälte sowie Justiziar der Architektenkammer Berlin

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