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[ Vergaberecht ]

Niedrigstes Angebot ist bei der Vergabe kein Muss

Öffentliche Auftraggeber müssen nicht das niedrigste Angebot annehmen. Selbst wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen und was ein Bieter im konkreten Fall versäumt hat.

Dieser Artikel ist unter dem Titel „Niedrigstes Angebot ist kein Muss“ im Deutschen Architektenblatt 12.2020 erschienen.

Von Eva-Maria Linz

Wie ermittelt man einen Preis? Die Antwort kann nur lauten: äußerst sorgfältig und detailliert nachvollziehbar. Das zeigt eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Bund zu den Grenzen der Kalkulationsfreiheit. Ein öffentlicher Auftraggeber führte ein offenes Verfahren zur Vergabe eines Bauvorhabens durch. Einziges Zuschlagskriterium war der Preis. Die Bieterin, die den niedrigsten Preis angeboten hatte, wurde vom Auftraggeber aufgefordert, das Formblatt 223 zur „Aufgliederung der Einheitspreise“ aus dem Vergabehandbuch Bund einzureichen und nachvollziehbar darzulegen, wie sich der Preis der einzelnen Positionen zusammensetzt. Das Formblatt hatte der Angebotsaufforderung beigelegen und sollte „ausgefüllt und auf gesondertes Verlangen des Auftraggebers“ eingereicht werden. Die Bieterin reichte ein verändertes Formblatt ein, in dem nur die Spalte „Material“ ausgefüllt war und alle weiteren Spalten, insbesondere die Spalte „Lohn“, frei geblieben waren.

Der Auftraggeber teilte der Bieterin daraufhin mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, weil es Preise nicht enthalte und die Bieterin die geforderten Aufklärungen – auch nach nochmaliger Nachfrage – verweigert habe. Die Bieterin rügte daraufhin vor der Vergabekammer Bund, dass ihr Angebot nicht ausgeschlossen werden dürfe, weil der Preisabstand zwischen ihrem und dem zweitniedrigsten Angebot so gering sei, dass keine Zweifel an der Angemessenheit ihres Preisangebots bestehen könnten und jeder Bieter grundsätzlich frei sei, wie er seine Preise kalkuliere. Die Vergabekammer entschied zugunsten des öffentlichen Auftraggebers (Beschluss vom 25. Mai 2020, Az.: VK 1-24/20).

Bei Ungewissheit kein Zuschlag

Zwar treffe es zu, dass Bieter grundsätzlich in ihrer Kalkulation frei sind, aus der Gesamtschau der Vergaberegeln ergebe sich aber, so die Vergabekammer, dass öffentliche Auftraggeber nicht verpflichtet sind, ein bestimmtes Angebot zu bezuschlagen, selbst wenn es den niedrigsten Preis hat und der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist. Ansonsten liefen öffentliche Auftraggeber Gefahr, unangemessen niedrigen Angeboten den Zuschlag zu erteilen, mit dem Risiko, dass Auftragnehmer infolge der geringen Vergütung in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und den Auftrag deshalb nicht zu Ende führen könnten oder ihre Ressourcen zum Ausgleich auf besser bezahlte Aufträge verlagern müssten.

Zum Schutz der öffentlichen Auftraggeber vor solchen Gefahren sei § 16 d EU VOB/A, wonach der Zuschlag nicht auf ein Angebot mit unangemessen niedrigen Kosten erteilt werden darf, so auszulegen, dass der Zuschlag grundsätzlich abzulehnen ist, wenn verbleibende Ungewissheiten an der Angemessenheit der Kosten nicht zufriedenstellend geklärt werden können.

Auftraggeber darf Aufklärung verlangen …

In dem von der Vergabekammer entschiedenen Fall habe sich der öffentliche Auftraggeber in der Angebotsaufforderung wirksam vorbehalten, den Zuschlag nur nach Vorlage und Prüfung des Formblatts 223 VHB zu erteilen. Es sei auch nicht willkürlich, sich die Kalkulation der Einzelpreise näher erläutern zu lassen. Zwar wichen die Gesamtpreise der beiden niedrigsten Angebote nur 5,57 Prozent voneinander ab und lagen damit deutlich unter der von der Rechtsprechung entwickelten Aufgreifschwelle von zehn Prozent, bei deren Erreichen ein öffentlicher Auftraggeber im Interesse der Mitbewerber zur Preisaufklärung verpflichtet ist. Das bedeute jedoch nicht, dass ein öffentlicher Auftraggeber unterhalb dieser Schwelle die Preise eines Bieters nicht weiter hinterfragen dürfe. Öffentliche Auftraggeber seien gemäß § 16 EU VOB/A sogar verpflichtet, zumindest das Angebot, auf das sie den Zuschlag erteilen wollen, in mehreren Schritten zu werten.

Wie ein öffentlicher Auftraggeber bei einer solchen Prüfung vorgeht, insbesondere welche Unterlagen er hierfür vom betreffenden Bieter anfordert, liege grundsätzlich in seinem Ermessen. Seit Jahren üblich, im Vergaberecht ausdrücklich erwähnt und deshalb nicht zu beanstanden sei es jedenfalls, wenn ein öffentlicher Auftraggeber vom Bieter eine nähere Aufschlüsselung der Preisermittlung sowie der Kosten – durch Vorlage anerkannter Formblätter – verlange. Die Angemessenheit des Angebotspreises ergebe sich dabei nicht aufgrund des Preisabstands zwischen dem niedrigsten und nächstteureren Angebot, sondern aus dem Preis-Leistungs-Verhältnis des betreffenden Angebots selbst.

… er muss es sogar

In Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber nicht den Zuschlag erteilen, sondern ein Angebot aufgrund seines Preises ausschließen will, sei er nicht nur berechtigt, sondern sogar dazu verpflichtet, den Angebotspreis des betreffenden Bieters unter dessen Mitwirkung aufzuklären.

Zwar dürfe ein öffentlicher Auftraggeber nach § 16 a Absatz 1 Satz 2 EU VOB/A fehlende Erklärungen, die nicht bereits mit dem Angebot vorzulegen waren (wie hier das Formblatt 223 VHB), nicht nachfordern. Eine Ausnahme gelte aber für die Fälle, in denen der öffentliche Auftraggeber das Angebot vor einem möglichen Ausschluss weiter aufklären müsse.

Die Vorlage einer unvollständigen Erklärung des Bieters sei dabei rechtlich so zu behandeln, als hätte der Bieter die geforderten Angaben insgesamt verweigert oder die zur Aufklärung gesetzte Frist verstreichen lassen. Denn ein öffentlicher Auftraggeber müsse in die Lage versetzt werden, die Angemessenheit der Preise überprüfen und ein Angebot wegen seines Preises gegebenenfalls aus der Wertung ausschließen zu können. Dies gelte nicht nur im Hinblick auf niedrige Preise, sondern auch bei niedrigen Kosten.

Da es im konkreten Fall der Bieterin nicht gelang, die Zweifel an ihrem niedrigen Angebot auszuräumen, und sie auch nach Aufforderung die unvollständigen Angaben im Formular nicht ergänzen konnte, gab die Vergabekammer dem öffentlichen Auftraggeber recht und erklärte seine Ausschlussentscheidung für vergaberechtskonform.

Auswirkungen für Architekten

Architekten, die in Vergabeverfahren eingebunden sind, erhalten durch diesen Beschluss die Möglichkeit, ihre Auftraggeber in bestimmten Konstellationen entsprechend zu beraten und darauf hinzuwirken, dass die Auftraggeber ungewöhnlich günstig erscheinende Angebote näher untersuchen und gegebenenfalls von dem Vergabeverfahren ausschließen. So können sie dazu beitragen, dass sowohl der Bauherr als auch sie selbst von den beschriebenen Problemen bei der Zusammenarbeit mit dem „Dumping-Unternehmen“ verschont werden, wie etwa der Abkehr des Unternehmens vom Projekt zugunsten eines lukrativeren.

Eva-Maria Linz ist Syndikusrechtsanwältin und Rechtsreferentin bei der Hamburgischen Architektenkammer

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