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[ Vergabe ]

Pauschalhonorare: Kostensicherheit vs. Honorarnachtrag

Seit dem HOAI-Urteil des EuGH fragen öffentliche Auftraggeber in Vergabeverfahren vermehrt Pauschalhonorare ab. Aber bieten diese tatsächlich mehr Kostensicherheit?

Von Thomas Ryll

Pauschalhonorarverträge sind vielgestaltig. Ein Modell, das dieser Tage häufig anzutreffen ist, stellt sich wie folgt dar: Die Vergabe- und Vertragsunterlagen sehen vor, dass der Architekt die im Leistungsbild nach Anlage 10 zur HOAI beschriebenen Grundleistungen zu erbringen hat. Das Honorar wird in den Angebotsformblättern auf Grundlage der HOAI-Berechnungsparameter zunächst offen kalkuliert und schließlich pauschaliert. Dabei werden die anrechenbaren Kosten einer zum Beispiel als „Grobkostenschätzung“ bezeichneten Kostenermittlung entnommen, die sich der Sache nach als Kostenrahmen im Sinne der DIN 276-1:2018-12 darstellt.

Charakteristika des Pauschalhonorars

Die Pauschalierung ist bei diesem Modell darauf gerichtet, das Honorar von den (variablen) HOAI-Berechnungsparametern abzukoppeln. Das dahinterstehende Motiv liegt auf der Hand: Der Bauherr will bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses -Klarheit über die Honorarhöhe – und nicht erst bei Vorliegen der Kostenberechnung. Dem Architekten wird das (Prognose-)Risiko dafür aufgebürdet, dass die auf Grundlage einer Bedarfsplanung ermittelten Kosten ihm ein auskömmliches Honorar verschaffen.

Im Projektverlauf wird regelmäßig die Frage virulent, ob die geforderten beziehungsweise erbrachten Leistungen noch von der Honorarpauschale umfasst oder zusätzlich zu vergüten sind. Eine Auswahl typischer Sachverhalte wird im Folgenden anhand des vorskizzierten Modells dargestellt.

Pauschalhonorare und Leistungsumfang

Leistung und Vergütung stehen in einem Gegenseitigkeitsverhältnis und bilden gleichsam zwei Seiten einer Medaille. Nur die im Leistungsbild beschriebenen Leistungen sind vom vereinbarten Pauschalhonorar abgegolten. Die Gesamtheit der vom Architekten zu erbringenden Arbeitsschritte wird als Leistungsumfang bezeichnet. Verlangt der Bauherr Leistungen, die über den verpreisten Leistungsumfang hinausgehen, sind sie als zusätzliche Leistungen mehrvergütungsfähig.

Beispiel: Der Architekt ist nur mit HOAI-Grundleistungen beauftragt. Im Zuge der Vorplanung treten komplexe Baugenehmigungsfragen auf. Um diese vorzeitig zu klären, empfiehlt der Architekt die Durchführung einer Bauvoranfrage. Aus Sicht des Architekten handelt es sich um eine zusätzlich zu vergütende Besondere Leistung (vgl. Anlage 10.1 HOAI).

Pauschalhonorare und Leistungsziele

Die vereinbarten Leistungen dienen der Erreichung bestimmter Planungs- und Überwachungsziele. Das sind die vom Bauherrn formulierten Anforderungen in Bezug auf Qualitäten, Quantitäten, Kosten und Termine. Leistungsziele und Leistungsumfang komplettieren das sogenannte Leistungssoll des Architekten (vgl. § 650 p Abs. 1 BGB: „Leistungen (.…), die (.…) erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen“).

Sind aufgrund einer Änderung der Leistungsziele bereits erbrachte Leistungen zu wiederholen, kann es sich um mehrvergütungsfähige Wiederholungsleistungen handeln.

Beispiel: Der Architekt ist mit der Planung eines Krankenhausneubaus beauftragt. Die Entwurfsplanung für den OP-Trakt ist bereits fertiggestellt und vom Bauherrn freigegeben. Aufgrund veränderter Nutzeranforderungen muss nachträglich ein weiterer OP-Saal integriert werden. Der Architekt muss Planungsleistungen wiederholen, um diese Zieländerung planerisch abzubilden.

Auch rein zukunftsgerichtete Änderungen der Leistungsziele, die keinen Wiederholungsbedarf auslösen, können unter Umständen einen Anspruch auf Honoraranpassung auslösen.

Beispiel: Der Architekt hat den Zuschlag für die Planung einer Schule erhalten. Noch im Laufe der Grundlagenermittlung wird das Raumprogramm, das Vertragsbestandteil ist, aufgrund geänderter Förderbedingungen modifiziert: Flächenänderungen in bestehenden Räumen und zusätzliche Fachklassenbereiche führen zu einem erheblichen Flächenmehrbedarf, der zu einer Anpassung der Honorarpauschale führen kann.

Im Einzelfall sind die Bestimmungen des Vertrags ausschlaggebend. So sehen viele Verträge vor, dass Änderungsleistungen erst bei Überschreiten einer bestimmten Geringfügigkeitsschwelle oder nach Fertigstellung einer vollständigen Leistungsphase zusätzlich zu vergüten sind. Vorsicht ist auch bei sogenannten Komplettheitsklauseln geboten (stark verkürzt: „Mit dem vereinbarten Pauschalhonorar sind alle erforderlichen Leistungen abgegolten“). Es ist ratsam, derartige Vertragsbestimmungen frühzeitig zu benennen und darzustellen, warum sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen und wie beide Parteien von einem Entfall profitieren können (etwa durch Inaussichtstellen einer Reduzierung des Honorarangebots gegen Streichung benachteiligender Klauseln). Gelingt es trotz allem nicht, solche Klauseln „wegzuverhandeln“, können sie im Einzelfall unter AGB-rechtlichen Gesichtspunkten angreifbar sein.

Pauschalhonorare und Kostensteigerungen

Aufgrund der Pauschalierung führen Kostensteigerungen, die nicht auf eine Änderung des Leistungssolls zurückgehen, grundsätzlich nicht zu einer Honoraranpassung. (Statistische) Baupreissteigerungen sind daher ebenso unbeachtlich wie Mehrkosten, die aus der Konkretisierung der Planung herrühren. Wenn beispielsweise im Zuge der Planung Qualitäten festgelegt werden, die im Ergebnis dazu führen, dass die Kostenberechnung höher ausfällt als die dem Pauschalhonorar zugrunde liegende Grobkostenschätzung, führt das nicht ohne Weiteres zur Honoraranpassung.

Beispiel: Der Architekt ist als Generalplaner mit der Planung eines Verwaltungsgebäudes beauftragt. Auf Grundlage der von ihm durchgeführten Wirtschaftlichkeitsuntersuchung entschließt sich der Bauherr zu einer Betonkernaktivierung als Heiz-/Kühlsystem. Eine Fortschreibung des Pauschalhonorars auf Basis der Mehrkosten scheidet hier aus (honorarneutrale Planungskonkretisierung). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Grobkostenschätzung eine andere Systemfestlegung zugrunde lag (dann möglicherweise honorarrelevante Planungsänderung).

In der Praxis ist zu beobachten, dass die sogenannte Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in solchen Fällen vonseiten der Planer vorschnell bemüht wird. Eine Honoraranpassung auf dieser Grundlage kommt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht. Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind (Geschäftsgrundlage), müssen sich unvorhersehbar und so schwerwiegend verändert haben, dass das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist.

Beispiel: Der Architekt ist mit dem Umbau eines Bestandsgebäudes beauftragt. Nach Beauftragung stellt sich heraus, dass die Bestandsunterlagen, die dem Vergabeverfahren zugrunde lagen, erhebliche Defizite aufweisen. Auf Veranlassung des Architekten durchgeführte Substanzerkundungen bringen marode und kontaminierte Bausubstanz zum Vorschein. Die ersten Kostenermittlungen weisen Kostensteigerungen von über 30 Prozent aus. Hier spricht vieles für einen Anspruch auf Honoraranpassung auf Grundlage von § 313 BGB.

Pauschalhonorare und Leistungszeit

Es ist ein systemisches Problem der HOAI, dass sie der Leistungszeit nicht diejenige Bedeutung beimisst, die ihr betriebswirtschaftlich tatsächlich zukommt. Planer sehen sich daher häufig dem Argument ausgesetzt, die HOAI sei zeit- und aufwandsneutral. Das ist im Grundsatz zutreffend und gilt auch – wenn nicht sogar erst recht – bei vereinbarten Honorarpauschalen. Dennoch kann beispielsweise ein den Vergabe- und Vertragsunterlagen beigefügter Rahmenterminplan unter Umständen als Geschäftsgrundlage und damit als Einfallstor für eine Honoraranpassung nach § 313 BGB wegen Planungs- und Bauzeitverzögerungen anzusehen sein. Daneben sollte geprüft werden, ob etwaige Verzögerungen auf die Verletzung von Mitwirkungspflichten des Bauherrn und damit auf einen Anspruch nach § 642 BGB gestützt werden können (zum Beispiel verspätete Planungsentscheidungen oder verspätete Fachplanerbeiträge, siehe auch Beitrag „Bauzeitverlängerung gleich Honorarerhöhung?“).

Pauschalhonorare und Leistungsablauf

Aufwands- und somit kalkulationsrelevant sind auch ablaufbezogene Faktoren jenseits der Leistungszeit. Kann das Auftragsobjekt „einheitlich in einem Zuge“ (vgl. § 21 HOAI 1996) ohne wesentliche Unterbrechungen geplant und gebaut werden? Oder handelt es sich um eine kleinteilige Baumaßnahme mit mehreren getrennten Bauabschnitten, die zudem längere Planungsstillstände wegen behördlicher Prüfzeiten befürchten lässt? Kommt es in diesem Zusammenhang nach Vertragsschluss zu signifikanten Änderungen gegenüber dem verpreisten Soll-Leistungsablauf, kann auch dies eine Anpassung der Honorarpauschale rechtfertigen.

Beispiel: Der Architekt beteiligt sich an einem Verfahren zur Vergabe von Planungsleistungen für einen Klinikneubau. Aus den Vergabe- und Vertragsunterlagen geht hervor, dass das funktional selbstständige, aber baulich in den Klinikneubau zu integrierende „Pädiatrische Zentrum“ zeitgleich zu planen und zu errichten ist. Nach Zuschlag entschließt sich der Bauherr, die Pädiatrie baulich zu verselbstständigen und zeitlich versetzt planen und bauen zu lassen. Eine Honoraranpassung kann hier nicht nur mit dem veränderten Leistungsablauf begründet werden, sondern auch mit der konstruktiv-funktionalen Trennung der beiden Objekte (vgl. § 11 HOAI).

Fazit

Das Mehr an Kostensicherheit bei Pauschalhonoraren – und gleichzeitig der zentrale Unterschied zu HOAI-Berechnungshonoraren – besteht darin, dass das Honorar bereits mit Vertragsschluss feststeht. Auf die Kostenentwicklung bis zu einer vorliegenden Kostenberechnung kommt es nicht an. Honorarnachtragspotenziale ergeben sich erst dann, wenn Planungsänderungen das Leistungssoll oder – im Ausnahmefall – die Geschäftsgrundlage tangieren. Insoweit gilt im Grundsatz nichts anderes als bei HOAI-Berechnungshonoraren. Auch ein Pauschalhonorar ist folglich nicht „nachtragsfest“.

Bauherren, die mit Pauschalhonoraren liebäugeln, sollten allerdings Folgendes beachten:

  • Eine Grobkostenschätzung ist keine belastbare Kalkulationsgrundlage. Da die aufwandsbestimmenden Planungsfestlegungen (insbesondere Qualitäten) erst nach Beauftragung getroffen werden, müssen Bieter erhebliche Wagniszuschläge einpreisen. Tun sie das unter dem bestehenden Preisdruck nicht, läuft der Bauherr Gefahr, sich im Projektverlauf unterdimensionierten Planungs- und Überwachungskapazitäten ausgesetzt zu sehen, was zu erheblichen Einbußen bei der Planungs- und Überwachungsqualität führen kann. Dass der Architekt das Kalkulationsrisiko trägt und für etwaige Mängel haftbar gemacht werden kann, ist ein schwacher Trost, wenn das Projekt erst einmal in Schieflage geraten ist. Außerdem vermindert diese Unkalkulierbarkeit die Attraktivität der Ausschreibung und schränkt den Wettbewerb ein.
  • In § 76 Abs. 1 VgV ist aus guten Gründen das Prinzip des Leistungswettbewerbs verankert. Bei Planungsleistungen sollte immer die beste Lösung im Vordergrund stehen, nicht das günstigste Honorarangebot. Auf lange Sicht ist die planerisch bessere Lösung im Zweifel die wirtschaftlichere. Jedenfalls sollte dem Zuschlag auf ein preislich auffallend attraktives Honorarangebot eine gründliche Auskömmlichkeitsprüfung vorausgehen, um die Qualität der Leistungserbringung sicherzustellen. Zudem können derartige Honorarangebote ein Indiz für Ausschreibungsdefizite und Nachtragsspekulationen sein.

Spätestens wenn die vorskizzierten Risiken Realität werden, kann von einer gesteigerten Kostensicherheit bei Pauschalhonoraren aus Bauherrensicht keine Rede mehr sein. Öffentliche Bauherren sind daher gut beraten, ihre neu gewonnenen Freiheiten in der Honorargestaltung nicht überzustrapazieren.

Thomas Ryll ist Syndikusrechtsanwalt bei a|sh sander.hofrichter architekten in Ludwigshafen

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