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[ Recht ]

Nachtrag oder Bausoll?

Wann Mehrleistungen gesondert zu vergüten sind oder Lücken in der Leistungsbeschreibung nicht zu Nachträgen berechtigen

Von Julian Stahl

Wer kennt nicht die Diskussion um Nachträge aufgrund von vermeintlich geänderten oder zusätzlichen Leistungen nach Vertragsschluss? Die Interessen von Bauunternehmen und ihren Auftraggebern sind dabei vor allem bezogen auf einen zusätzlichen Vergütungsanspruch grundverschieden. Streit besteht regelmäßig darüber, ob erstens eine Leistung vertraglich geschuldet ist, und zweitens, nämlich wenn dies der Fall ist, ob die Leistung dann gesondert vergütet werden muss oder nicht. Die wichtigsten Fragestellungen und Prüfungsschritte sollte jeder Architekt kennen, um sie bei Ausschreibungen sowie in der Rechnungsprüfung beachten zu können und seinem Bauherrn zur Seite zu stehen. „Zur Seite stehen“ bedeutet dabei, dass der Architekt in solchen Fällen im Rahmen seiner Beratungspflichten den Bauherrn auf das Problem aufmerksam machen und ihm grundlegende Hinweise zu der Thematik geben muss. Für eine abschließende juristische Bewertung sollte jedoch gegebenenfalls ein Rechtsanwalt hinzugezogen werden.

Bestimmung der Leistung

Die Systematik des Werkvertragsrechts ist seit jeher im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) einfach geregelt. Die Vertragsparteien legen (Bau-)Leistung und Gegenleistung (Werklohn) gemeinsam fest. Die VOB/B als allgemeine Geschäftsbedingungen für Bauverträge mit öffentlichen Auftraggebern und das seit dem 1. Januar 2018 geltende neue Bauvertragsrecht im BGB sehen darüber hinaus einseitige Leistungsänderungen des Auftraggebers vor (sogenanntes Anordnungsrecht).

Da der Unternehmer ein funktionsfähiges Werk schuldet, gelten alle diejenigen Arbeiten als vereinbart, die hierfür erforderlich sind. Wenn nichts geregelt ist, zum Beispiel in Form einer Rangfolge, gibt es keinen allgemeinen Vorrang zwischen den verschiedenen Vertragsbestandteilen. Die Angaben der Leistungsbeschreibung und aller anderen vertraglichen Unterlagen sind als „sinnvolles Ganzes“ auszulegen. Auf eine Rangfolge kommt es also dann an, wenn man zwischen unterschiedlichen Vertragsunterlagen einen Widerspruch ausgemacht hat. Wurde keine Rangfolge festgelegt, geht bei Widersprüchen die detaillierte Regelung der allgemeineren vor. Ferner ist regelmäßig die neuere gegenüber einer älteren Regelung anzuwenden.

Gerade bei umfangreicheren Verträgen müssen alle relevanten Unterlagen, wie Leistungsbeschreibungen und Pläne, ausgewertet werden, um die vereinbarte Leistung zu definieren. Mit der bei einer Ausschreibung technischer Leistungen üblichen Formulierung „nach Erfordernis“ wird regelmäßig zum Ausdruck gebracht, dass es Sache des Auftragnehmers ist, auf der Grundlage der dem Vertrag zugrunde liegenden Planung die für eine funktionierende und zweckentsprechende Technik notwendigen Einzelheiten zu ermitteln. Vereinbart sind danach auch solche Leistungen oder Mengen, die sich etwa erst im Zuge der Ausführungsplanung ergeben.

Geht es hingegen um die Auslegung des der Auftragserteilung zugrunde liegenden Angebotes des Unternehmers, so kommt es nach den §§ 133, 157 BGB darauf an, wie ein verständiger Dritter an der Stelle des Auftraggebers das Angebot verstehen müsste.

Ist die VOB/B von den Vertragsparteien vereinbart, so gelten über die Verweisung in § 1 Abs. 1 VOB/B, wonach die auszuführende Leistung nach Art und Umfang zunächst durch den Vertrag bestimmt wird, auch die für die jeweiligen Arbeiten einschlägigen DIN aus der VOB/C. Hierbei handelt es sich um für die Vertragsauslegung sehr relevante Regelungen – sowohl was die vereinbarte Leistung als auch die Vergütung angeht. Differenziert wird nach sogenannten Nebenleistungen und Besonderen Leistungen in dem jeweiligen Abschnitt 4 der Normen. Nebenleistungen sind – wenn im Vertrag nichts Abweichendes geregelt ist – Leistungen, die nicht ausdrücklich Gegenstand des Vertrages, aber trotzdem Inhalt der geschuldeten Leistung sind, weil sie quasi zu den Hauptleistungen gehören. Nebenleistungen sind vom Auftragnehmer ohne besondere Auftragserteilung selbstverständlich bei der Ausführung der Arbeiten zu erbringen. Folglich bedürfen sie weder in der Leistungsbeschreibung noch in den Vertragsunterlagen einer Erwähnung, um zur vertraglichen Leistung zu gehören. Die Aufzählung im Abschnitt 4 ist nicht abschließend. Besondere Leistungen sind folglich nur solche Leistungen, die nicht bereits als Nebenleistungen einzuordnen und daher entweder gesondert zu vereinbaren sind oder nach § 650b BGB und § 1 Abs. 3 und 4 VOB/B angeordnet werden können.

Bestimmung der Vergütung

Ist die Frage der vertraglichen Leistung beantwortet, so ist zweitens zu bestimmen, wie diese vergütet wird. Allgemein ist davon auszugehen, dass die vertraglich vereinbarten Leistungen mit der hierfür vereinbarten Vergütung abgedeckt sind. Dies gilt insbesondere für Nebenleistungen. Umgekehrt sind alle zunächst nicht vereinbarten Leistungen gesondert zu vergüten.

Der Unternehmer muss, um eine zusätzliche Vergütung zu erhalten, darlegen und beweisen, dass die behauptete Mehrleistung nicht zu dem ohnehin geschuldeten und mit der vertraglichen Vergütung abgegoltenen Leistungsumfang gehört. Lässt sich dies nicht aufklären, so geht dies zu seinen Lasten, das heißt, er bekommt keine weitere Vergütung.

Es gibt zwar keine Auslegungsregel, dass ein Vertrag mit einer unklaren Leistungsbeschreibung allein deshalb zulasten des Auftragnehmers auszulegen ist, weil dieser die Unklarheiten vor der Abgabe seines Angebots nicht aufgeklärt hat. Hat der Auftragnehmer die Unklarheiten jedoch erkannt und in Kenntnis dessen diese weder aufgeklärt noch in seiner Kalkulation berücksichtigt, dann schließt dies regelmäßig einen zusätzlichen Vergütungsanspruch aus.

Plant ein Unternehmer die auszuführende Leistung selbst und legt er hierüber ein Angebot vor, so darf der Auftraggeber erwarten, dass alle erforderlichen Leistungen im Angebot enthalten und von der Vergütung umfasst sind. Lücken oder Fehler in der Leistungsbeschreibung gehen daher zulasten des Unternehmers und berechtigen nicht zu Nachträgen.

Die Parteien können zudem vereinbaren, dass der Auftragnehmer auch solche Mehrleistungen ohne Anspruch auf Mehrvergütung zu erbringen hat, die dadurch entstehen, dass der Auftraggeber nach Vertragsschluss die dem Vertrag zugrunde liegende Planung ändert. Hier kommt es auf den Einzelfall an. Eine bloße Pauschalabrede ist meist nicht geeignet, bei Vorliegen einer detaillierten Leistungsbeschreibung den Abgeltungsumfang, also das Leistungssoll, der vereinbarten Pauschalsumme zu erweitern.

Zusammenfassung

In einem ersten Schritt ist die geschuldete Leistung aus dem Vertrag abzuleiten. Bei Vereinbarung der VOB/B kommen den Regelungen der VOB/C und den dort beschriebenen Nebenleistungen und Besonderen Leistungen große Bedeutung zu. Anschließend ist zu klären, ob geänderte oder zusätzliche Leistungen von der vereinbarten Vergütung umfasst sind, etwa dadurch, dass die Vergütung pauschaliert wurde.

Julian Stahl ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in München

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