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[ Recht ]

Arglistig verschwiegen

Eine Gewährleistungsfrist kann sich „verlängern“, wenn Mängel bekannt waren. Doch solche Arglist ist schwer nachzuweisen

Von Volker Steves

Die Situation dürfte jedem Planer bekannt sein: Am Bauwerk tritt nach Ablauf der gesetzlichen fünfjährigen Verjährungsfrist gemäß § 634 a I Nr. 2 BGB beziehungsweise nach der vierjährigen Verjährungsfrist gemäß § 13 IV VOB/B ein Mangel auf, und der Bauunternehmer beruft sich auf Verjährung, obwohl ihm die Fehlerhaftigkeit seiner Leistung hätte auffallen müssen.

In einer solchen Situation wird der Hinweis auf eine Verjährung vielfach als ungerecht empfunden. Nicht selten versucht der Bauherr dann, den Mangelanspruch zu „retten“, indem er dem Bauunternehmer Arglist vorwirft, um so in den Genuss einer „verlängerten“ – weil später zu laufen beginnenden – Gewährleistungsfrist zu kommen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch duldet „arglistiges“ Verhalten einer Partei grundsätzlich nicht und straft ein entsprechendes Verhalten häufig ab, indem es der anderen Partei – dem Opfer der Arglist – Rechte einräumt, die dieser sonst nicht zustünden. Für Planer insbesondere von Interesse ist die unter Umständen „verlängerte“ Verjährungsfrist des Bauherrn beziehungsweise Bestellers bei Mängelansprüchen gemäß § 634 a III BGB i. V. m. § 199 BGB, wonach bei arglistigem Verschweigen des Mangels durch den Unternehmer nicht die fünfjährige Gewährleistungsfrist des § 634 a I Nr. 2 BGB zur Anwendung kommt, sondern stattdessen die regelmäßige (dreijährige) Verjährungsfrist im Sinne von § 199 BGB. Diese ist anders als die Frist des § 634 a III Nr. 2 BGB kenntnisabhängig, das heißt, sie beginnt nicht schon mit der Abnahme des Gewerks, sondern erst mit der Kenntnisnahme des Bauherrn vom Mangel und dessen Verursacher zu laufen. Bei erst weit nach der Abnahme auftretenden Mängeln kann daher eine etwaige Arglist des Bauunternehmers ein Rettungsanker für den Bauherrn sein. Er kann dann auch fünf Jahre oder später nach Abnahme noch Mängelansprüche geltend machen.

Die Hürden sind hoch

Die Anforderungen an das Tatbestandsmerkmal „Arglist“ sind allerdings seit jeher hoch. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt ein vorsätzliches Verhalten und lässt auch grobe Fahrlässigkeit nicht ausreichen (Urteil vom 11. Mai 2001, Az.: V ZR 14/00). Die Darlegungs- und Beweislast für die die Arglist begründenden Umstände trägt das Opfer der Arglist (Urteil vom 12. November 2010, Az.: V ZR 181/09), sodass dessen Berufung auf ein angeblich arglistiges Verhalten der gegnerischen Partei nicht selten aus Beweisgründen erfolglos bleibt.

Dass die diesbezüglichen Hürden hoch sind, zeigt sich eindrucksvoll an der inzwischen rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 26. Januar 2016 (Az.: 8 U 3/14) Der Bauherr macht dort Mängelansprüche gegenüber dem Bauunternehmer geltend, obwohl die fünfjährige Gewährleistungsfrist schon abgelaufen ist. Er behauptet, der Bauunternehmer habe ihm den Mangel arglistig verschwiegen und es käme daher die kenntnisabhängige regelmäßige Verjährungsfrist zur Anwendung, wodurch der Anspruch noch nicht verjährt sei.

Das Gericht setzt sich explizit mit der Argumentation des Bauherrn auseinander und macht deutlich, dass Arglist ein vorsätzliches Verhalten erfordere und auch dann nicht unterstellt werden könne, wenn der Mangel schwerwiegend sei und laut Einschätzung eines Sachverständigen einer Fachfirma hätte auffallen müssen. In dem entschiedenen Fall hatte der Bauherr eine bestimmte Leistung (Verbundsicherheitsglas) ausgeschrieben und der Bauunternehmer daraufhin eine „andere“, von ihm aber als gleichwertig eingestufte und auch so gegenüber dem Bauherrn kommunizierte Leistung (Floatglas) angeboten. Nach Jahren zeigte sich, dass der Bauunternehmer mit dieser Einschätzung falsch lag. Die von ihm gewählte Ausführung wies nicht die Parameter und Eigenschaften der vom Bauherrn ausgeschriebenen Leistung auf. Es lag ein schwerwiegender Baumangel vor.

Vorsatz oder fahrlässige Unkenntnis?

Dem Bauherrn gelang es im Gerichtsverfahren nicht, nachzuweisen, dass der Bauunternehmer die mangelnde Eignung der von ihm gewählten Methode kannte. Dass dem Bauunternehmer die mangelnde Eignung bei sorgfältiger Herangehensweise eventuell hätte auffallen müssen, sei nicht relevant, da Arglist Vorsatz und damit die positive Kenntnis von der Mangelhaftigkeit verlange. Die nur fahrlässige Unkenntnis vom Mangel reiche zur Annahme von Arglist nicht aus.

Das Gericht differenziert deutlich zwischen der Situation, in der der Bauunternehmer den Mangel für möglich hält, und der Situation, in der ihm als Fachunternehmer der Mangel hätte auffallen müssen. Im ersten Fall läge noch Vorsatz vor, im letzteren dagegen nur Fahrlässigkeit. Das Gericht nimmt also die Vorgaben des Bundesgerichtshofes ernst und zieht eine scharfe Grenze zwischen Vorsatz und – unter Umständen auch grober – Fahrlässigkeit.

Die typischen Fallgruppen, in denen nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Arglist des Werkunternehmers bejaht werden kann, sind:

  • Positive Kenntnis des Werkunternehmers vom Mangel
  • Billige Inkaufnahme der Mangelhaftigkeit („Eventualvorsatz“): Der Werkunternehmer ist sich nicht sicher und hält die Mangelhaftigkeit für möglich
  • Abgabe einer objektiv unrichtigen Erklärung „ins Blaue hinein“, ohne dem Bauherrn zugleich das Fehlen einer zuverlässigen Beurteilungsgrundlage zu offenbaren
  • Vorliegen einer Organisationsobliegenheitsverletzung: Bei einer arbeitsteiligen Organisation müssen organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden, um sachgerecht beurteilen zu können, ob das Bauwerk bei der Abnahme mangelfrei ist. Ein Bauunternehmer muss folglich seinen Betrieb so organisieren, dass er oder seine Erfüllungsgehilfen etwaige Mängel erkennen können. Unterlässt er dies, dann wird er so behandelt, als ob er den Mangel bei der Ablieferung des Werkes gekannt hätte (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010, Az.: VII ZR 77/08). Hat er die entsprechenden Vorrichtungen getroffen und fällt ihm oder den Erfüllungsgehilfen der Mangel nicht auf, dann kann ihm keine Arglist vorgeworfen werden, auch wenn der Mangel bei entsprechender Sorgfalt hätte erkannt werden können. Die Fallgruppe „Organisationsobliegenheitsverletzung“ zielt somit auf ein (zeitlich vorgelagertes) Versäumnis in der Organisation ab.

In dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall konnte der Bauherr nicht erfolgreich unter Beweis stellen, dass eine der vorgenannten Fallgruppen oder andere, die Arglist des Bauunternehmers begründende Umstände vorlagen.

Wäre ihm der Beweis gelungen, hätte er sich auf den oben skizzierten § 634 a III BGB und damit auf die noch laufende – da kenntnisabhängige – Verjährungsfrist des § 199 I BGB berufen können. Zeitlich unbegrenzt besteht diese Möglichkeit allerdings auch nicht. Sofern keine Schadenersatzansprüche aufgrund der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit betroffen sind (vgl. hierzu § 199 II BGB), greifen die zehnjährigen Höchstverjährungsfristen des § 199 III Nr. 1, IV BGB, wonach ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grobe Unkenntnis vom Mangel Ansprüche spätestens zehn Jahre nach ihrer Entstehung verjähren. Nach nicht unumstrittener Auffassung markiert die Abnahme auch in diesen Fällen den Entstehungszeitpunkt (so OLG Karlsruhe, Urteil vom 24. Januar 2014, Az.: 4 U 149/13; Schulze-Hagen, BauR 2016, S. 384 [391 f.] mit Darstellung des Streitstandes).

Die anhand des aktuellen Falles eines Bauunternehmers dargestellten Verjährungsregelungen gelten auch für die Ansprüche des Bauherrn gegen den Architekten.

Dr. Volker Steves ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen

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