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[ Schwerpunkt: Grün ]

Die Wipfelstürmer

Den Kindheitstraum Baumhaus können auch erwachsene Planer nur selten realisieren. Doch einer hat sich damit sogar international etabliert

Text: Nils Hille

Welcher Planer kann schon behaupten, gut jedes dritte Haus eines Bautyps in Deutschland stamme von ihm? Andreas Wenning kann es. Der Bremer Architekt und gelernte Tischler hat bisher 50 Baumhäuser realisiert, davon die meisten in Deutschland, einen Teil weltweit.

Foto: A. Jardine
Baumhäuser von Andreas Wenning in Heilbronn, …(Foto: A. Jardine)

Wenning realisiert in seinem Büro „Baumraum“ fast nur diesen Bautyp, der früher meist als Aussichtsraum zwischen Ästen oder ausgelagertes Spielzimmer für Kinder diente. Es begann vor elf Jahren mit kleinen privaten Projekten für Besserverdiener im eigenen Garten. Sie wollten „etwas haben, was sie als Kind nie hatten. Meine Kunden beobachten sich selbst und fragen sich, welche Abenteuerräume ihr Leben noch hat, und sehen womöglich nicht viele“, so Wenning. Heute hat er Bauherren mit ganz unterschiedlichen Zielen – meist kommerziellen: „Für den einen Kunden soll das Baumhaus als Hotel oder Herberge dienen. Der andere sieht es als idealen Raum für die Arbeit mit schwer erziehbaren Jugendlichen und wünscht sich gleich Platz für einen Boxsack dazu. Wieder andere wollen einen besonderen Konferenz- und Seminarraum schaffen und diesen tageweise lukrativ vermieten.“ So sind auch die Ausstattungswünsche ganz unterschiedlich: Der eine Bauherr wünschte sich an seinem Baumhaus im heimischen Garten eine zehn Quadratmeter große Terrasse in der Höhe. Er wollte ein Refugium nur für die Familie in der Natur haben. Ein belgischer Geschäftsmann ließ sich dagegen sein Besprechungszimmer mit Heizung und modernster Technik bestücken. Sein Ziel war es, Kollegen und Kunden einen außergewöhnlichen Arbeitsort und Verkaufsraum abseits der normalen Büros zu bieten.

Rund zehn solcher unterschiedlichen Projekte beschäftigen Wenning und seinen einzigen Mitarbeiter zurzeit parallel. Von der ersten Idee bis zum fertigen Baumhaus vergehen drei bis acht Monate. Bei der Akquise muss der Planer genauso Geduld und Nerven mitbringen wie seine Kollegen, die auf dem Boden stehende Häuser bauen. Denn auch Wennings Kunden überrascht, dass sie eine gute Planung nicht umsonst bekommen: „Stellt sich jemand 5.000 Euro Baukosten vor, brauche ich gar nicht anzufangen. Dafür bekomme ich noch nicht mal das Material für Treppe und Geländer, geschweige denn mein Honorar. Viele potenzielle Kunden sind aber nicht bereit, 50.000 Euro für ein Baumhaus zu bezahlen. Doch dieser Betrag kann schnell zusammenkommen.“ Je nach Wünschen sind es sogar bis zu 80.000 Euro. Das führt hierzulande zu einem kleinen Markt – insgesamt wurden in Deutschland nur rund 100 Baumhäuser professionell realisiert. Es sei für Architekten „sehr schwer damit Geld zu verdienen“, so Wenning.

Foto: A. Jardine
… in einem Wohn-Erlebnispark in Rheinau-Linx … (Foto: A. Jardine)

Sein Erfolgsmodell: Er hat sich internationalisiert. Wenning ist sprachbegeistert und reisebereit, „was man für den Job auch sein muss“. So entwarf er seine Baumhäuser mal in Mexiko direkt vor Ort oder betreute in Brasilien und New York die Ausführungen. Wo immer er beauftragt wird, realisiert Wenning die Projekte möglichst mit ihm bekannten deutschen Handwerkern. Auf deren Wertarbeit könne er sich stets verlassen und die teure Zeit vor Ort knapp halten. Dazu trägt auch maximale Vorgefertigung bei. „Die Module planen wir sehr genau, damit wir vor Ort möglichst wenig verändern müssen.“ Das ist, technisch gesehen, gar nicht so einfach. Schließlich muss Wenning einen Lebensraum für Menschen dem komplexen Lebewesen Baum und seinem Wachstum anpassen sowie Wind und Wetter in der Höhe berücksichtigen.

Wichtig für ein gutes Baumhausarchitekten-Leben ist auch die Öffentlichkeitsarbeit. „Obwohl ich inzwischen bekannt bin, fliegen mir die Aufträge leider nicht einfach so zu.“ Wenning macht zu jedem Projekt selbst professionelle Bilder oder beauftragt Fotografen. Er hat mit „Baumhäuser“ eines der wenigen Bücher zum Thema geschrieben (siehe unten). Darin stellt er nicht nur abgeschlossene Projekte vor, sondern mit Renderings auch seine Visionen für zukünftige Räume in der Natur und in der Höhe. Und er pflegt seine Internetseite, die ebenfalls einen umfassenden, bildstarken Überblick über seine Arbeit liefert. „Vor allem über die Veröffentlichungen und das Netz stoßen die Leute auf meine Arbeit und melden sich bei mir“, sagt Wenning. Und die wollen im Idealfall einen „echten Wenning“: „Meine Baumhäuser sind sehr architektonisch geprägt und damit zeitgenössisch. Sie sind übergreifend über die verschiedenen Gewerke und nicht nur reine Holzbauten.“

Foto: M. Bollen
… und im belgischen Hechtel-Eksel. (Foto: M. Bollen)

Auch wenn er möglichst ökologisch arbeitet und der Schutz der Bäume immer vorgeht, setzt Wenning doch auf Materialvielfalt und Komfort. So entsteht in Oldenburg gerade ein Bau mit bunter Acrylfassade. In Berlin-Zehlendorf baut er auf einem bewaldeten Grundstück zwei Häuser auf vier Meter hohen Stahlträgersockeln, in denen Strom-, Gas- und Wasserleitungen hochführen. Gerade wenn die Bäume nicht stark genug oder die Anforderungen an das hohe Haus zu umfangreich sind, arbeitet er mit solchen Stützen. Bei einem gesunden Exemplar mit mindestens 15 Zentimetern Stammdicke sorgen Gurtschlaufen und Stahlseile für eine flexible Befestigung. Flexibel, damit der Baum weiter natürlich wachsen und sich frei bewegen kann. Dort hochbewegen sollen sich auch immer häufiger Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. So hat Wenning zum Beispiel schon ein Baumhaus in New York mit Rampen ausgestattet. „Es gibt komfortable Treppen, die auch ältere Menschen leicht begehen können. Auf besonderen Wunsch würden wir auch einen Fahrstuhl einbauen.“

Foto: www.juliabaier.de
Andreas Wenning (Foto: www.juliabaier.de)

Möglichst frei möchte auch Wenning durchs Leben gehen. Seine Bürogröße soll überschaubar bleiben. Und er will sich „zwischendurch selbst weiterentwickeln“, indem er „ambitionierte Pilotprojekte ohne Gewinnabsicht realisiert“.

Hoch anfangen

Neu im Metier ist das Berliner Büro Legeer Architekten, vor zwei Jahren gegründet von Florian Kneer und Bernita Le Gerrette. Gerade haben sie auf der Fischerinsel im Zentrum der Stadt ein erstes Baumhaus realisiert, das aber mehr durch offene Flächen in der Höhe und Aussichtsplattformen charakterisiert ist als durch einen geschlossenen Raum. Dafür kamen sie mit einem Budget von 5.000 Euro aus. Mehr war für das von Sponsoren getragene Projekt für den Garten des Kreativhaus-Vereins auch nicht drin. Es funktionierte nur, weil zahlreiche fleißige Helfer beim Bau ehrenamtlich mitangepackten, ganz im Sinne eines der Ziele des Vereins: Menschen über kreative Arbeit zusammenzubringen. Kneer: „So zu planen, dass auch Laien beteiligt werden können, war die große Herausforderung.“

Von Anfang an verfolgte der Verein auch einen pädagogischen Ansatz: Kinder, die hier ihre Freizeit verbringen, konnten sich mit dem Thema „Baumhäuser“ beschäftigen. Sie zeichneten, bauten Modelle und bekamen so erste konkrete Berührungspunkte mit Architektur. Dann kam Architekt Kneer ins Spiel, der zwar nicht die Kinderzeichnungen umsetzte, aber das kindgerechte, selbst aufbaubare Baumhaus plante: „Es sollte kein reines Spielhaus sein, sondern generationsübergreifend funktionieren, sodass alle Vereinsmitglieder und Besucher es für ihre Zwecke nutzen können.“ Nach fünf Monaten standen und hingen die drei Plattformen, die durch Treppen verbunden und mit einer fortlaufenden gelben Brüstung begrenzt sind. Jetzt dient das Baumhaus Fischerinsel in den warmen Monaten als Raum für das kreative Zentrum und in der kühleren Jahreszeit Hartgesottenen zum Kaffeetrinken und Sinnieren. Kneer selbst sinniert: „Baumhäuser zu bauen, ist ein spannendes Feld und eine Herausforderung. Dagegen ist für mich jedes Einfamilienhaus leichter zu planen als um eine so komplexe Struktur wie einen Baum herum.“

 


Literaturtipps zum Thema:

Foto: Taschen Verlag, Köln
Foto: Taschen Verlag, Köln

Philip Jodidio
Tree Houses
Ein 350 Seiten starker, großer Bildband zum Blättern mit kurzen ­Erläuterungen zu 50 Baumhäusern, die weltweit gebaut wurden. Praktisch sind die Kontakte und Kurzbiografien aller Architekten am Taschen Verlag, Köln, 356 Seiten, 50 Euro

DOM publishers, Berlin
DOM publishers, Berlin

Andreas Wenning
Baumhäuser: Neue Architektur in den Bäumen
Guter Überblick über 30 international realisierte Projekte vom privaten Kleinsthaus bis zur großen Hotelanlage. Dazu liefert der Architekt Hintergrundwissen zur Geschichte der Baumhäuser und zu ihrer richtigen Statik.
DOM publishers, Berlin, 2011, 292 Seiten, 58 Euro

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