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[ Baupolitik ]

Politischer Umbau

Die neue Umwelt- und Bauministerin Barbara Hendricks weckt Hoffnungen. In den Regierungsplänen zur Baupolitik klaffen aber auch Lücken

Thomas Imo/photothek/BMU
Bauministerin Barbara Hendricks (Foto: Thomas Imo/photothek/BMU)

Text: Roland Stimpel

Ein Ministerium für Umwelt und Bauen – hat das Sinn? In einer für die Öffentlichkeit überraschenden Aktion wurde das Bauwesen im Zuge der Koalitionsverhandlungen im Dezember aus dem gemeinsamen Haus mit dem Verkehr herausgelöst und dem Haus für Umwelt zugeordnet. Dem kann Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, Gutes abgewinnen: „Der Ressortzuschnitt bietet Chancen für integrierte, praxisnahe Planungsansätze, um Umweltschutz und Baukultur gleichermaßen zu fördern.“ Das neue Ministerium entspreche gedanklich einem „ganzheitlichen Planungsansatz, der über das Einzelgebäude hinaus auch seine städtebauliche oder ländliche Einbettung und seine Wirkung auf die Umwelt berücksichtigt“.

Aber das neue Ministerium bietet nicht nur Vorteile. In der neuen Regierung sind die Zuständigkeiten für Bau-Themen zersplittert: Die Infrastruktur bearbeitet das Ministerium für Verkehr; um Energie kümmert sich das Wirtschaftsministerium. Barbara Ettinger-Brinckmann warnt: „Dass drei Bundesministerien maßgeblich für den Bereich des Bauwesens zuständig sind, erhöht den Koordinierungsaufwand für eine kohärente und konsistente Bau- und Stadtentwicklungspolitik.“

Die Spitze des neuen Hauses hatte mit dem Bauen und Planen bisher unmittelbar wenig zu tun: Ministerin Barbara Hendricks ist studierte Historikerin und Finanzexpertin. Staatssekretär Jochen Flasbarth ist Volkswirt und Umwelt-Experte. Auch die parlamentarische Staatssekretärin Rita Schwarzelühr-Sutter ist Ökonomin. Ihr Kollege Florian Pronold ist Jurist, war SPD-Verhandlungsführer der Koalitionsgespräche für den Bereich Verkehr, Bau und Infrastruktur und ist im Ministerium für Bauen, Wohnen und Stadtentwicklung verantwortlich. BAK-Präsidentin Ettinger-Brinckmann begrüßt das: „Es ist wichtig und erfreulich, einen fachlich versierten Staatssekretär zu haben.“

Das Ministerium hat aber seine neuen Themen nur kompakt in den Namen aufgenommen: „Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit“. Die „Stadtentwicklung“ kommt nun nicht mehr explizit vor. Ettinger-Brinckmann bedauert die Umbenennung. Nunmehr, so die BAK-Präsidentin, „muss es für Bauen und Stadtentwicklung mindestens eigene Abteilungen geben. Diese wichtigen Felder dürfen nicht zwischen anderen Aufgaben des neuen Ministeriums untergehen.“ Bei Redaktionsschluss war die Organisation des neuen Ministeriums noch nicht öffentlich bekannt.

Soli nach Bedürftigkeit

Gleich nach der Weihnachtspause gab Ministerin Hendricks ein erstes Statement zur Baupolitik ab: Sie will aus dem Allgemein-Soli einen Städte-Soli machen. Bei dem jetzigen „Solidaritätszuschlag“ gibt es keinen direkten Bezug zu Osthilfen mehr. Hendricks will diesen Bezug nun auch aus den Köpfen streichen: „Der Soli muss künftig nach Bedürftigkeit der Städte und Regionen und nicht nach Himmelsrichtung eingesetzt werden“, fordert sie. Und sie will mit dem Geld das Programm „Soziale Stadt“ wieder aufstocken, das unter der vorigen Bundesregierung gekürzt wurde. Das wäre allemal möglich: Rund 14 Milliarden Euro bringt der Zuschlag pro Jahr. Die Städtebauförderung ist mit jährlich 0,55 Milliarden Euro vergleichsweise bescheiden. Laut Koalitionsvertrag soll sie auf 0,7 Milliarden erhöht werden.

Dieser Koalitionsvertrag gibt weitere Hinweise auf Regierungsprojekte: durch das, was drinsteht, und durch das, was draußen gelassen wurde, obwohl es in der politischen Diskussion war und ist. Drin steht zum Beispiel die „Wiederbelebung des Sozialwohnungsbaus“, allerdings nicht mehr Bundesgeld dafür als bisher. Nicht darin stehen höhere Abschreibungen für Mietwohnungen und die Förderung von Ersatzneubauten für nicht mehr sanierbare Häuser. Drin steht wiederum der „breite gesellschaftliche Dialog zu baukulturellen Fragen“, den die Bundesregierung fördern will – „auch zu Bauvorhaben des Bundes“. In diesem Kontext will die Regierung „die Bundesstiftung Baukultur als hierfür wichtigen Partner stärken“. Nicht im Koalitionsvertrag stehen Sicherung und Ausbau des Baukultur-Referats, wie es die Bundesarchitektenkammer für das bisherige Ministerium gefordert hatte.

Drin ist dagegen der Versuch, eine Lehre aus den Kalamitäten um Stuttgart 21, Berliner Flughafen und Elbphilharmonie zu ziehen: „Große öffentliche Bauvorhaben müssen in puncto Baukosten und Termintreue wieder verlässlicher werden.“ Die dafür eingerichtete „Reformkommission Großprojekte“ soll im Jahr 2015 Vorschläge ­machen. „Auf dieser Basis werden wir prüfen, welche Änderungen im Planungsrecht, im Vergaberecht und im Haushaltsrecht vorgenommen werden sollen.“ Dazu kommt eine Kommission zur Senkung von Baukosten. Mit ihr „überprüfen wir preistreibende und überdimensionierte Standards und Kosten von Materialien und Verfahren insbesondere der energetischen Sanierung“.

Energiesparendes Wohnen für alle

Auf dieses richtet der Koalitionsvertrag besonderes Augenmerk: „Wir werden das energieeffiziente Bauen und Sanieren weiter fördern und dafür sorgen, dass qualitätsvolles, energiesparendes Wohnen für alle bezahlbar bleibt.“ Bei der energetischen Sanierung sollen „Wirtschaftlichkeitsgebot, Technologieoffenheit und der Verzicht auf Zwangssanierungen“ gelten. Und die Regierung verspricht: „Die aktuell geltenden ordnungsrechtlichen Vorgaben werden wir nicht verschärfen und ihre Wirkungen evaluieren.“ Wirtschaftlichkeit und Nicht-Verschärfung hatten die BAK und andere Fachorganisationen in ihren Prüfsteinen vor der Bundestagswahl gefordert.

Eine andere Forderung aus diesen Prüfsteinen greift der Koalitionsvertrag nicht präzise auf: Steuerrabatte und mindestens zwei Milliarden Euro mehr KfW-Mittel für die energetische Sanierung. Die Regierung verspricht aber, sie wolle das einschlägige KfW-Programm „aufstocken, verstetigen und deutlich vereinfachen“. Und sie will ihren Blick über das Einzelhaus hinaus richten: „Fortschritte bei der Energieeffizienz erfordern einen sektorübergreifenden Ansatz, der Gebäude, Industrie, Gewerbe und Haushalte umfasst.“

Andererseits steht im Vertrag wenig zur Stadtentwicklung, etwa zu Verdichtung drinnen und Flächensparen draußen, zum Bauplanungs- und Städtebaurecht, zur „Charta von Leipzig“ von 2007, zu Gentrifizierung und sozialer Mischung. Hier soll aber indirekt die umstrittene „Mietenbremse“ greifen, die die Regierung realisieren will. Altersgerechtes und barrierefreies Bauen werden zwar genannt; ein neues Programm „Altersgerecht umbauen“ wird versprochen – ebenso Hilfen für gemeinschaftliches Seniorenwohnen. Allerdings bleibt der Koalitionsvertrag hier unverbindlich. Die Bundesarchitektenkammer und andere Verbände fordern eine stabile Ausstattung des einschlägigen KfW-Programms mit mindestens 100 Millionen Euro im Jahr, damit es kein Hin und Her bei der Förderhöhe mehr gibt wie in den vergangenen Jahren.

Kein Thema im Koalitionsvertrag ist die Architektenausbildung. Dafür seien die Länder zuständig. Er enthält nur ein Versprechen, das beispielsweise Handwerker zu Architekten qualifizieren könnte: die Konstruktion von „Brückenangeboten, die beruflich Qualifizierten den Zugang zu einem Hochschulstudium und zu akademischen Weiterbildungsangeboten eröffnen“. Thema ist dagegen die Flut von Normen, die viele Architekten plagt: „Wir setzen uns für einen wirksameren Normenkontrollmechanismus auf europäischer Ebene ein“, verspricht die Regierung. „Die Europäische Union muss sich bei der Normsetzung selbst zurücknehmen.“ Das geht jedoch nicht so weit wie die Forderung von Architekten- und weiteren Verbänden in den Wahlprüfsteinen: „Normen sind auf das Notwendige sowie auf ihre bewährten Kernbereiche zu beschränken. Normen müssen praxisgerecht sein.“

Haftungsrecht ist kein Thema

Nicht im Vertrag findet sich die Forderung der BAK, deutsche Architekturbüros vor einem „ruinösen Preiswettbewerb zu schützen“ – gegen europäische und globale Konkurrenz. Und ebenso wenig die Idee der Kammer, die staatliche Außenwirtschaftsförderung „an die Bedürfnisse der ihre Dienstleistung exportierenden freien Berufe“ anzupassen. Es fehlt auch eine Aussage zum Haftungsrecht für Planer – ein brisantes Thema, bei dem es vor der Wahl bereits Fortschritte gegeben hatte (siehe hier oder DAB 11/2013, Seite 32). Auch übers Wettbewerbsrecht steht nichts im Vertrag. Allerdings sind die Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW) gerade erst 2013 unter Beteiligung der BAK modernisiert worden.

Klar ist die Aussage des Koalitionsvertrags zur Organisation von Freiberuflern: „Wir werden uns für den Erhalt der Selbstverwaltung von Kammern und Verbänden in den freien Berufen auf europäischer Ebene einsetzen.“ Und deren Rentenkassen sollen nicht angetastet werden, wie es einige Sozialpolitiker gefordert hatten: „Die Bundesregierung steht zur berufsständischen Versorgung der verkammerten freien Berufe; diese bleiben als eigenständige Alterssicherungssysteme erhalten.“

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