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Dynamisch: Die eigenwillige Kubatur des Hauses ergibt sich aus der inneren, den Arbeitsabläufen geschuldeten Struktur. Mit Terrassen und Außenanlagen wird die einladende Atmosphäre des Gebäudes in die Landschaft überführt.

[ Arbeitswelten ]

Das bewegte Büro

Für den Medizintechnik-Hersteller Reck in Baden-Württemberg entstand ein neues Verwaltungsgebäude, das den Widerspruch zwischen offener Raumstruktur und konzentrierter Arbeitsatmosphäre auf lebendige Weise auflöst

Text: Cornelia Dörries

Foto: Denise Sauerbeck / RECK-Technik GmbH & Co. KG
Schön bunt: Die Inneneinrichtung wurde nicht aus einem Guss konzipiert, sondern mit Rücksicht auf die funktional differenzierten Einzelbereiche des Gebäudes. Dabei fanden Möbelsysteme verschiedener Hersteller Verwendung. (Foto: Denise Sauerbeck / RECK-Technik GmbH & Co. KG)

Wollte man die zugrunde liegende Idee des Bauprojekts im oberschwäbischen Betzenweiler in Worte fassen, käme man unweigerlich auf den berühmten Satz von Tomasi di Lampedusa: „Wenn wir wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.“ Im Falle des 1957 gegründeten Traditionsunternehmens Reck, eines weltweit erfolgreichen Herstellers von Medizin- und Agrartechnik, war es der mit Wachstum verbundene wirtschaftliche Erfolg, der zu größeren baulichen Veränderungen zwang. Die über die Jahre stetig erweiterten Verwaltungen der beiden Unternehmenssparten drängten sich in einem gemeinsamen Bürogebäude, das irgendwann hoffnungslos überfüllt war. „Am Ende konnten neue Mitarbeiter nur noch dann eingestellt werden, wenn im gleichen Zuge jemand kündigte“, erinnert sich Christine Reck. „Es war schlichtweg kein Platz mehr.“ Die Tochter des Firmengründers und -inhabers ist Architektin mit eigenem Büro im nahen Biberach und wurde über eine lange Zeit immer wieder zurate gezogen, wenn eine Reorganisation der knappen Flächen im Altbau anstand. Dabei ging es um ganz pragmatische Fragen: Wie lässt sich unter derart beengten Verhältnissen ein effizienter Arbeitsablauf gestalten? Wie viel Fläche braucht ein Mitarbeiter zur Bewältigung seiner Aufgaben wirklich? Und muss tatsächlich jeder Arbeitsplatz über Schreibtisch und Container verfügen? „Ich habe bei dieser Arbeit enorm viel über Arbeitsorganisation und Raumausnutzung gelernt“, so Reck. „Dabei konnte ich mich auf die Kooperation der Mitarbeiter verlassen, die sich sehr offen für Improvisation und neue Ideen zeigten.“

Als 2011 schließlich die Entscheidung fiel, die beiden Firmenbereiche räumlich zu trennen und für den dynamisch wachsenden Medizintechnik-Zweig mit 160 Mitarbeitern ein neues Verwaltungsgebäude zu errichten, war es fast selbstverständlich, Entwurf und Planung in ihre Hände zu legen. Christine Reck beschränkte sich nicht allein auf die Lösung des notorischen Platzproblems, sondern näherte sich der Aufgabe über ganz grundlegende Überlegungen zur Gestaltung von zeitgemäßen Arbeitswelten: Wie lässt sich eine Umgebung schaffen, in der Menschen gern arbeiten und sich wohlfühlen? Ist es möglich, räumliche Qualitäten wie Flexibilität und Offenheit mit dem menschlichen Bedürfnis nach Vertrautheit, informellem Austausch und gelegentlichem Rückzug zu verbinden? Nicht zuletzt trieb sie auch der Ehrgeiz, für das Selbstverständnis eines innovativen medizintechnischen Unternehmens im Bereich Bewegung und Gesundheit eine überzeugende architektonische Übersetzung zu finden. Auf der Suche nach einer optimalen Lösung besuchte sie Büromöbelhersteller, die sich in eigenen Forschungsabteilungen mit den Arbeitswelten von morgen beschäftigen. Und sie führte unter den Reck-Mitarbeitern eine eigene Erhebung durch, in der sie nach den Erwartungen und Wünschen an den eigenen Arbeitsplatz fragte.

Foto: Denise Sauerbeck / RECK-Technik GmbH & Co. KG
Foto: Denise Sauerbeck / RECK-Technik GmbH & Co. KG

Die Ergebnisse haben die Architektin zum Teil selbst überrascht. „Alle wollten eine offene und kommunikative Raumatmosphäre; und anstelle von Einzelbüros wurden Gruppenarbeitsplätze für vier Personen gewünscht“, so Christine Reck. „Außerdem bevorzugten die Befragten einen festen, vertrauten Arbeitsplatz. Die Vorstellung, sich jeden Morgen einen freien Schreibtisch zu suchen, stieß auf Ablehnung.“ Bauherr und Architektin entschieden sich am Ende für das sogenannte „Open Space Office“, ein Raum-in-Raum-Konzept, das ein hohes Maß an Offenheit und Großzügigkeit mit der Möglichkeit zu konzentrierter Arbeit verbindet. „Natürlich bekamen es manche mit der Angst zu tun, als sie hörten, dass pro Etage 60 Mitarbeiter Platz in einem offenen Raum finden sollten“, erinnert sich die Architektin. „Da dachten viele gleich an anonyme Großraumbüros.“ Die Befürchtungen verflüchtigten sich spätestens bei der ersten Präsentation der Entwürfe. Denn was die Planer der Belegschaft vorstellten, hatte nichts mit den berüchtigten Großraumbüros zu tun, sondern zeigte eine überwiegend offene Raumstruktur, in der eingestellte, zwei Meter hohe Regalwände die gewünschten Team-Arbeitsplätze für vier Personen – sogenannte Kojen – rahmen. Diese Regalwände dienen als akustischer Schirm und verfügen über abschließbare Privatfächer, Druckeranschlüsse und Ablageflächen. Auch die Einzel- oder Zweier-Arbeitsplätze für die Geschäftsführer sind in den gemeinsamen offenen Raum integriert – hierarchische Abschottung entspricht weder dem Selbstverständnis der Firma noch wurde sie gewünscht. Allerdings wurden für Besprechungen und Meetings in der Nordspange des Gebäudes auf jeder Etage separate Räumlichkeiten eingerichtet, in denen sowohl große Team-Runden als auch kleinere Unterredungen stattfinden können.

Doch das Gros des innerbetrieblichen Austauschs findet dort statt, wo auch gearbeitet wird: im Open Space. Entlang der großzügig bemessenen Fensterfront laden Sitzkissen auf den extrabreiten Fensterbänken zum informellen Gespräch mit freiem Blick in die oberschwäbische Landschaft; die Mittelzone mit Service-Station für Kopierer, Postausgang sowie einer frei stehenden Kaffeetheke ist zugleich der kommunikative Mittelpunkt jeder Büroetage. Um eine akustische Beeinträchtigung der nahe gelegenen Arbeitsplätze zu vermeiden, sind auch diese Service-Stationen mit einer zwei Meter hohen, dick gepolsterten Abschirmung versehen. Nahezu alle Strukturen – technische wie bauliche – lassen sich bei Bedarf flexibel anpassen, ausbauen oder erweitern.

Dass das Thema Bewegung bei Reck mehr als ein plakatives Verkaufsargument ist, beweist nicht nur das unter den Mitarbeitern beschlossene stille Übereinkommen, den Aufzug ausschließlich dann zu benutzen, wenn etwas zu transportieren ist (und ansonsten die Treppe zu nehmen), sondern auch die Möblierung der Arbeitsplätze. Sie wurden mit einem elektrisch höhenverstellbaren Tisch versehen, der mal als Schreibtisch, mal als Stehpult dient und so zu einer gesunden Körperhaltung beiträgt. Das Modell wurde nach eingehenden Testläufen ausgewählt, bei denen eine Vielzahl von Mitarbeitern – große und kleine, dicke und dünne, alte und junge – verschiedene Fabrikate ausprobieren konnten. „Die Tische auf den Etagen sind immer in allen erdenklichen Höhen eingestellt“, so Christine Reck. „Schon deshalb sieht es nie eintönig aus.“

Kraftvoller Auftritt nach innen und außen

Foto: Denise Sauerbeck / RECK-Technik GmbH & Co. KG
Foto: Denise Sauerbeck / RECK-Technik GmbH & Co. KG

Allerdings ist Eintönigkeit so ziemlich das Letzte, auf das man beim Rundgang durch das Gebäude mit 2.100 Quadratmetern Nutzfläche kommen würde. Allein die frischen, kräftigen Farben – Grün, Gelb, Blau und Orange – sorgen für eine lebendige Atmosphäre. Sie nehmen das Kolorit der reizvollen, hügeligen Landschaft auf, die den Neubau umgibt. Auch die Tatsache, dass es in dem Neubau keine Flure oder reine Erschließungs- oder Transitzonen gibt, unterstreicht den belebten architektonischen Anspruch, eine offene, bis in den letzten Winkel mit Aktivität gefüllte Arbeitswelt zu schaffen. Konsequenterweise wurde das Gebäude auch von innen nach außen entwickelt. Es setzt sich mit seinem weit über den Sockel auskragenden Korpus deutlich von landläufigen Gewerbebauten ab und sucht mit seiner 250 Quadratmeter großen Terrasse, einem Baumhain mit sportiven Sitzelementen sowie einer inselgleichen Liegewiese einen landschaftsgestalterisch moderierten Anschluss an seine Umgebung. „Arbeitszeit ist Lebenszeit. Uns war es wichtig, den Mitarbeitern diese Zeit so lebenswert wie möglich zu gestalten“, sagt Architektin Reck zusammenfassend über ihren Entwurf. Das ist ihr ganz offensichtlich gelungen.

Mehr Informationen zu den einzelnen Möbelsystemen und Herstellern finden Sie hier

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