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[ Überflutungen ]

Warte nicht, bis der Regen fällt

Nicht nur Hochwasser, sondern auch lokale Überflutungen nach starkem Regen müssen planerisch bedacht werden

Foto: Wikicommons; M. Kaiser
Drama am Schillergarten: An Dresdens offenem Elbufer ist Flutschutz schwierig. Anderswo hilft Prävention – gegen Hochwasser und gegen örtlichen Starkregen.

Text: Mathias Kaiser

Hochwasser an Elbe, Oder und Donau sowie diverse Katastrophenregen haben in den vergangenen Monaten zu massiven Schäden an Gebäuden und Infrastruktur geführt. ­Architekten und Fachplaner können dazu beitragen, dass Schäden künftig abgewendet und vermieden werden. Sie unterliegen im Zusammenhang mit Überflutungen auch Anforder­ungen und Haftungsrisiken, die sie als Planer ­kennen sollten.

Zunächst ist zwischen Hochwassern nahe gelegener Flüsse und Überflutungen durch kleinräumigen Katastrophenregen zu unterscheiden – auch wenn beides in der öffentlichen Wahrnehmung meist unter dem Begriff Hochwasserschaden subsumiert wird. Es sind aber grundsätzlich unterschiedliche Phänomene. Hochwasser entsteht nach lang anhaltenden großräumigen Niederschlägen, wenn Bäche und Flüsse anschwellen. Es gibt oft eine Vorwarnzeit von Tagen oder zumindest Stunden für Schutzmaßnahmen oder den Abtransport wertvoller Güter. Schutzmaßnahmen gegen die Ursachen des Hochwassers lassen sich hingegen nicht an Ort und Stelle, sondern nur in flussaufwärts gelegenen Gebieten realisieren. Hochwasser beschränkt sich meist auf Siedlungsgebiete in unmittelbarer Nähe zu Flüssen und Bächen, also auf einen eher kleinen Teil aller Siedlungsgebiete. Trotzdem erreichten die Schäden in diesem Sommer einen Umfang im zweistelligen Milliardenbereich; ganze Stadtviertel gerieten unter Wasser.

Im Gegensatz dazu steht das unmittelbare Überfluten einer Fläche durch einen örtlichen Katastrophenregen. Das Wasser „fließt wild ab“, füllt natürliche Senken innerhalb kürzester Zeit auf und folgt auf seinem Weg der Topografie. Diese Wege führen nicht selten zu Tiefgarageneinfahrten, Hauseingängen, Lichtschächten, Fenstern in Souterraingeschossen oder bodennahen Öffnungen für Lüftung oder Gebäudetechnik. Die in den vergangenen Jahren zur Regelanforderung gewordene barrierefreie Gestaltung von Hauseingängen hat die Gebäude dabei verletzlicher gemacht. Erschwerend kommt hinzu, dass ein solcher Sturzregen nicht nur im Herbst Blätter von Bäumen niederreißt und damit die Einläufe in die unterirdischen Entwässerungssysteme verstopft. Deshalb bilden gut gemeinte Maßnahmen, wie beispielsweise eine Kastenrinne vor dem schwellenlosen Eingang, keinen wirkungsvollen Schutz vor Überflutung. Anders als beim Hochwasser gibt es bei der Überflutung keine ausreichende Vorlaufzeit. Weil sie immer und überall möglich ist, muss Überflutungsschutz daher eine universelle Anforderung an jedes Grundstück und Gebäude sein.

Seriöse Untersuchungen zur Veränderung des Niederschlagsregimes sowie die Auswertungen von Überflutungsschäden zeigen, dass in den vergangenen Jahren räumlich eng begrenzte Katastrophenregenfälle signifikant zugenommen haben – hier ist der Klimawandel für die Betroffenen schon zur bitteren Realität geworden. Solche lokalen Ereignisse ziehen oftmals Schäden in mehrstelliger Millionenhöhe an Gebäuden und Infrastruktur nach sich.

DIN-Normen gegen Überflutung

Dem hat die 2008 neu gefasste DIN 1986- 100 zur Gebäude- und Grundstücksentwässerung Rechnung getragen: Sie fordert für ­Grundstücke mit mehr als 800 Quadratmetern befestigter Fläche einen förmlichen Überflutungsschutznachweis. Die DIN-Norm folgt hier konsequent der Philosophie der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, dass das abfließende Regenwasser am Ort der Entstehung der Abflüsse zurückzuhalten ist. Für den Überflutungsfall, definiert durch das 30- bis 100-jährliche Ereignis, sind große zusätzliche Regenwasser-Rückhaltevolumina auf den Grundstücken vorzusehen. Mithilfe einer qualifizierten Außenanlagenplanung lassen sich diese kostengünstig in dafür ausgebildeten Senken anordnen, zum Beispiel in Grün- und Stellplatzflächen. Das erfordert eine frühzeitige Integration in die grundstücksbezogene Gesamtplanung. Die Missachtung der in der DIN 1986-100 formulierten Anforderungen birgt für Planer und Ausführende unabsehbare Haftungsrisiken.

Foto: Wikicommons; M. Kaiser
Dortmund 2008: „Land unter“ fern von Flüssen und Gebirgen – bei heftigem Regen reichten die Abflüsse nicht mehr aus.

Für die Grundstücksentwässerungs-, Außenanlagen-, und Hochbauplanung birgt dies neue Herausforderungen. Es sind Rückhaltevolumina in bisher nicht gekannter Größenordnung auf dem Grundstück nachzuweisen, da nun nicht mehr die sichere Ableitung des zweijährlichen, sondern der schadlose Rückhalt des 30-jährlichen Ereignisses auf dem Grundstück gefordert wird. Statt aber einseitig den Bau zusätzlicher teurer unterirdischer Rückhaltebauwerke zu fordern, empfiehlt die DIN 1986-100, das Regenwasser durch geschickte Profilierung der Topografie auf der Geländeoberfläche, zum Beispiel auch auf Stellplätzen, nachzuweisen. Dabei ist außerdem auf den Schutz der baulichen Anlagen auf dem betreffenden Grundstück und auf Unterliegergrundstücken zu achten.

Weitergehende Anforderungen stellt die DIN 1986-100 an besonders dicht überbaute Grundstücke, etwa solche mit einem Dachflächenanteil über 70 Prozent oder geschlossenen Innenhöfen. Hier ist das 100-jährliche Ereignis beim Überflutungsschutznachweis anzusetzen. Zwar gelten die Anforderungen erst für Gebäude, die ab Mitte 2008 neu erstellt wurden. Bei An- und Umbauten sowie Veränderungen an der Grundstücksentwässerungsanlage erlischt jedoch der Bestandsschutz, und es gelten zumindest für die veränderten Bereiche die Neubauanforderungen.

Ein Beispiel aus Dortmund

Foto: Wikicommons; M. Kaiser
Dortmud heute: Landschaftarchitektur für den Flutschutz im Studentendorf

Am 28. Juli 2008 gab es in Dortmund ein sogenanntes Katastrophenregenereignis. Innerhalb von zwei bis drei Stunden ging mit 200 bis 250 Millimetern mehr als ein Viertel des üblichen Jahresniederschlags nieder. Ganze Stadtteile wurden überflutet, unter anderem der Universitätsbereich. Neben Hochschulgebäuden gerieten die Keller- und Erdgeschosse mehrerer Studentenwohnheime unter Wasser. Das Studentendorf Vogelpothsweg grenzt direkt an den Campus Nord der TU Dortmund. Das Wasser lief aus den höher gelegenen Universitätsbereichen in Richtung Studentendorf, überflutete dort Erd- und Kellergeschosse und richtete Schäden im hohen sechsstelligen Bereich an. Studentenwerk und Universität Dortmund gaben landschaftsbauliche Maßnahmen in Auftrag, mit denen bei zukünftigen Überflutungsereignissen ein großer Teil der Zuströme in Retentionsmulden zurückgehalten und um das Studentendorf herumgeleitet wird. Im Studentendorf selbst wurden die Außenanlagen so nachprofiliert, dass die Gebäude bei zukünftigen Überflutungsereignissen vor zuströmendem Wasser geschützt sind. Gleichzeitig wird das anfallende Regenwasser nun vor Ort versickert; damit werden Entwässerungsgebühren eingespart.

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