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Foto: D. Biscan / Wirtschaftswoche

Konrad Fischer. Foto: D. Biscan / Wirtschaftswoche

[ Schwerpunkt: Kommunikation ]

Dämmungslos, hemmungslos

Der Architekt Konrad Fischer erreicht eine schillernde Prominenz mit seinem Protest gegen Wärmedämmung. Zu dieser ist ihm jeder Vergleich recht – selbst der mit dem Nazi-Völkermord

Text: Roland Stimpel

Konrad Fischers Heimat im fränkischen Hochstadt-Marktzeuln ist weit weg von allen Funkhäusern. Doch er ist präsent auf allen Kanälen: im November im Bayerischen und im Norddeutschen Rundfunk, im Januar in der Tagesschau, im Februar bei RTL und wieder daheim im Bayerischen Rundfunk. Auch gedruckt wird er oft:

Binnen drei Wochen schaffte er es kürzlich ins Fachmagazin „Immobilienwirtschaft“, in die „Rheinpfalz“, die „Welt“ und die „Wirtschaftswoche“. Er ist ein gefragter Redner auf Kongressen, ob zur Stadt-Ästhetik in Düsseldorf oder zum Schimmelpilz in Berlin, ob beim Betonbauteile-Industrieverband e. V. oder beim Thema „Denkmal-Doping Deutschland“.

Foto: D. Biscan / Wirtschaftswoche
Konrad Fischer. Foto: D. Biscan / Wirtschaftswoche

Derart viele Bühnen in Medien und Sälen bekommen andere Architekten nur, wenn sie spektakuläre, umstrittene Großbauten planen. Fischer schafft das allein mit seinem Protest gegen Wärmedämmung – einem Thema, das nicht nur in Fachkreisen mittlerweile viel Leidenschaft und Abneigung weckt. Da sind seine Zuspitzungen, seine teils gewagten Thesen zur Bauphysik und seine oft derbe Rhetorik geradezu erwünscht: Fischer artikuliert verbreitetes Unbehagen auf eine Art, in der es viele andere nicht einmal denken. Er äußert Verschwörungs-Theorien über die „ganz Deutschland zerstörende Ökomafia“ und deren permanente „Klima-Schutzgeld-Erpressung“. In seiner Wut greift Fischer zu jedem Mittel – bis hin zu geschmacks- und pietätfreien Holocaust-Vergleichen.

Als Architekt spezialisierte sich Fischer zunächst auf Denkmalschutz. Mitte der 1990er-Jahre fand er zwei neue Felder: den Anti-Dämm-Kampf und das Internet. „Bis 1996 war ich beim Energiethema absolut gläubig, hab Dachstühle gedämmt und WDVS auf Fassaden aufgebracht.“ Ausgerechnet auf einem Dämmstoff-Seminar packten ihn Zweifel, als ein Redner auf zahlreiche Haftungsrisiken bei fehlerhaftem Dämmen hinwies. „Da bin ich zusammengezuckt und habe gedacht: Wenn da so viel falsch laufen kann, dann ist diese Wärmedämmung grundsätzlich falsch.“ Fischer reaktivierte seine physikalische Bildung – „ich komme vom naturwissenschaftlichen Gymnasium“. Bald wusste er alles über die „Hyperbeltragik des U-Werts“ und den „Nulleffekt“ dicker Dämmung.

Tausendfach und unermüdlich hat er seitdem seine Statements zum Dämmen, Isolieren und Heizen wiederholt, die oft in kühnen Empfehlungen münden: „Sobald ein Dämmstoff auf der Wand ist, gehen die Heizkosten nach oben.“ „Wenn Sie Schimmel vermeiden wollen: Obere Gummilippendichtung rausrupfen!“ „Wenn Sie Energie sparen wollen, lassen Sie Ihre Einfachglasscheiben drin.“ „Lassen Sie Ihre Heizung durchlaufen. Nachtabsenkung kostet bis zu 30 Prozent mehr Energie.“

Auch auf angesehene Fachkongresse wird Fischer eingeladen. Trotz solcher Behauptungen? Wohl eher deswegen. Wer Dämmung nicht mag, erfreut sich an deftiger Polemik und kann seinen Vorträgen bis zu einem gewissen Punkt Unterhaltungswert abgewinnen. Fischer spricht eingängig und mit Experten-Habitus zugleich, ist rhetorisch gewandt und fix sowie firm in Details. „Kennen Sie irgendwen, der die ganze EnEV gelesen hat? Ich komplett, mit Fußnoten.“ Seine Gedankengebäude sind in sich logisch. Wird ihre Konstruktion von außen angriffen, schmettert er das gern pauschal und polemisch ab. „Es gibt gedämmte Häuser ohne Schimmel? Mag sein. Aber über Fungizide und Biozide will ich jetzt nicht weiter reden.“

In Vorträgen nimmt er kaum ein Blatt vor den Mund, in den vielen Winkeln und Nischen seiner Webseiten gar keins. Das klingt so: „Die Machenschaften der Bauinstitute, Baubehörden, Bauministerien und Regierungsmitglieder, um Hausbesitzer den WDVS-Mafiosi zum Abschuss freizugeben, nehmen ja im Verbund mit der von allen gleichgeschalteten Medien unterstützten Auslieferung der wehrlosen Bevölkerung an die anderen Ökoparasiten auch rund um die ‚Erneuerbare Energie‘ immer schauerlichere Formen an.“

Das Dämmen steht in seiner Sicht für eine dubiose, verschwörerische Öko-Welt. Fischer schreibt auf seiner Website von „Klimaschutz-Massenhalluzinationen, CO2-Psychosen, Weltuntergangs-Phantasmagorien, Öko-Bio-Hypnosen, Fortpflanzungsdepressionen und anderen … Hirnkrankheiten“ und schimpft auf „Ökoterrorismus und staatlich organisierten Völkermord durch Energiesparzwang und Klimaschutzerpressung“.

Früher als andere hat er das Internet für sich entdeckt – „zu einer Zeit, in der ungefähr zehn Architekturbüros eigene Webseiten hatten“. Er habe damals „gleich verstanden, was das für ein gigantisches Medium ist“. Fischer kaufte sich für drei Mark das Heft „Homepage selber basteln“, lernte HTML und startete seinen Auftritt. „Nach fünf Tagen hatte ich hundert Seiten drin. Ich hatte großen Textbestand aus meinen Seminaren, da hatte ich ja immer die dicksten Skripte.“ Und er schrieb eigens fürs Web – Fischer wurde Blogger, lange bevor das Wort zwischen Hamburg und Hochstadt-Marktzeuln überhaupt bekannt wurde.

Längst hat sich sein Web-Auftritt auf Tausende von Unterseiten verzweigt. Viele davon sind Sammelsurien von Renovierungstipps, Dämmflüchen und Links zu Klosterläden. Dazwischen schreibt er alles, was ihm zu Dämmern und Mafiosi, zu Musik und Zeitgeschehen gerade in den Sinn kommt. „Ich schreibe ja schnell, mit den Deutschaufsätzen war ich in der Schule immer schon um neun Uhr fertig.“

Dem Internet verdankt er auch seinen Erfolg in konventionelleren Medien. „Die Journalisten kommen alle über die Website zu mir. Die ist offen, lustig und faktenreich.“ Oder es bedient sich ein Massenmedium beim anderen. Wenn ein Architekt zugespitzt, farbig und offenbar mit Sachkunde in Details in zwanzig Blättern zum selben Thema zitiert ist, dann findet ihn auch das einundzwanzigste per Google. Und ein knackiges Statement ist auch ihm garantiert.

Zeitknappe Journalisten dringen nicht bis in die Untiefen seiner Website vor. Auch Kongressveranstalter mögen es nur für einen schmerzhaft misslungenen Scherz halten, wenn Fischer zur Dämmpflicht Sätze sagt wie „Da muss der Deutsche sich jetzt selbst vergasen.“ Zumal Fischer dabei etwas mit den Augen zwinkert und auf seiner Website zu solchen Tönen anmerkt: „Wichtiger Hinweis für Nörgler: Nur als Witz gemeint!“ Und Witze dürfe man über alles machen.

Zu einer mit experimenteller BASF-Energiespartechnik gebauten Schule und ihrer angeblichen Wirkung auf die Kinder schreibt er im Web: „All das erinnert doch sehr an die BASF-Vorgängerin IG Farben, die die KZ-Insassen in der Buna-Fabrik in Auschwitz-Monowitz als Zwangsarbeiter bis zum bitteren Ende austesten konnte.“ Ähnlich zu gedämmten Schulen in Nürnberg: „Jetzt werden schon unsere Kinder ins Gas geschickt – und all die willigen Helfer und Helfershelfer sitzen ihren fetten Arsch auf Beamtensesseln wund oder verdienen sogar Geld damit! Auschwitz 2.0 und wieder machen alle mit.“

Taktisch sind für ihn Völkermord-Witze ein Mittel zur Provokation und Erregung von Aufmerksamkeit. Emotional zeigen sie, wie ihm in seiner Leidenschaft Selbstkontrolle und das Gefühl für Grenzen abhandengekommen sind. Befragte Fischer-Einlader beteuern, sie hätten vorher von seiner Neigung zu solchen Ausfällen nichts gewusst.

Ist Fischer Nazi? Er selbst bezeichnet sich als Demokraten und steht öffentlich zu keiner Partei oder Gruppe. Rassist will er auch nicht sein – „meine Kinder sind schon auf mongolischen Knien geritten“. Zu einzelnen Juden habe er guten Kontakt. Böse aber sei die „stetige Völkermordpolitik Israels gegen die Palästinenser“, falsch sei auch Deutschlands „bedingungslose Unterstützung des israelischen Verbrechertums“.

Im vorigen Jahr wurde Fischer zu einer politischen Gruppenreise in den Iran eingeladen. Höhepunkt war eine Audienz bei Präsident Ahmadinedschad, der Israel im „Zornesfeuer verbrennen“ will und Auschwitz als „Märchen“ bezeichnet. Fischer fand ihn nett: „Er wirkt sehr bescheiden und furchtlos und bewies einen feinen Humor. Außerdem ist er ein kompetenter Bauingenieur.“ Das erzählte Fischer hinterher in einem ganzseitigen Interview der „National-Zeitung“. Jedes Podium sei ihm recht: „Dem Reinen ist alles rein.“

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