
Besuchergruppe am Tag der Architektur im Center for Energy and Environmental Chemistry Jena II, Jena / Telluride Architektur, Düsseldorf
Thomas Müller
Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Tag der Architektur 2025: „Vielfalt bauen““ im Deutschen Architektenblatt 06.2025 erschienen.
Die Themen und Herausforderungen, mit denen Architektinnen und Architekten sich auseinandersetzen, haben eine Bandbreite, die Laien in der Regel nicht bewusst ist. Auch die oft ungewöhnlichen kreativen Lösungen von Planenden finden in der Öffentlichkeit jenseits spektakulärer Entwürfe selten Aufmerksamkeit.
Mit dem diesjährigen Motto „Vielfalt bauen“ wollen die Landesarchitektenkammern den Blick auf diesen Facettenreichtum schärfen. Sie öffnen dafür nicht nur die Türen sehenswerter Projekte, sondern eröffnen auch mit anderen Angeboten neue Perspektiven auf die Architektur.

Auch beim „Tag der Architektur“ dabei: Büros und Wohnungen im Alten Kesselhaus des Pfaff-Areals, Kaiserslautern / Bayer & Strobel Architekten.
Peter Strobel
Neue Perspektiven sind garantiert
Das fängt schon beim potenziellen Nachwuchs an: Während beispielsweise in Bayern Architektour-Busse einige der knapp 200 bayerischen Projekte anfahren, laden die kinderArchitektouren zum Zeichnen, Malen und Basteln ein. Andernorts bieten offene Türen wie in der Modellbauwerkstatt des Instituts für Bauwesen der FH Kiel eine spannende Möglichkeit, sich über Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten zu informieren.
Generell ist es ein Wochenende der Einblicke: Egal ob man in Schleswig-Holstein hautnah eine Großbaustelle wie die der Rader Hochbrücke erleben kann, in Hamburg bei Veranstaltungen wie „Die Stadt plant (mit)“ mit der öffentlichen Hand über ihre Planungen wie den neuen Stadtteil Grasbrook ins Gespräch kommt oder in Sachsen am in diesem Jahr umfangreichen Angebot der Stadt Leipzig teilnimmt – neue Perspektiven sind garantiert.

Boardinghouse von Villeroy & Boch in der ehemaligen Ofenhalle, Mettlach / Bochem.Schmidt Architekten
Mark K. Kraemer
Offene Architekturbüros und viele Veranstaltungen
Das gilt genauso für die vielerorts angebotenen offenen Büros, in Berlin beispielsweise der interdisziplinäre Think-and-Make-Tank Bauhaus Erde, mit dem man sich über regeneratives Bauen und Materialforschung austauschen kann.
Aber auch die in vielen Bundesländern auf die Beine gestellten Auftaktveranstaltungen bereiten einen beliebten Rahmen für Diskussionen zwischen Fachwelt und interessierten Laien, beispielsweise im Bauhaus Museum Dessau im Zusammenhang mit der Verleihung des Architekturpreises der Stadt oder beim „TdA-Architekturgespräch“ in Kassel in der Forschungsstation Traces.

Der Tag der Architektur in Zahlen (Daten von 2024).
pop jop/Getty Images
Bauen im Bestand wieder ein Schwerpunkt
Dem Trend des Vorjahres folgend, können 2025 besonders viele sanierte, umgebaute und umgenutzte Gebäude besucht werden – in Brandenburg sogar mehr als neu errichtete! So können die Besucher in Bremen nachvollziehen, wie sich eine alte Dorfschule von 1862 zum Kultur- und Freizeitzentrum wandelt oder im thüringischen Ellrich, wie die historische Kubatur einer Kirche mit Waschbeton und Massivholz neu interpretiert wird.
Hier zeigt sich das Potenzial alter Industriebauten wie Lokschuppen – in Ludwigslust saniert und erweitert, in Osnabrück jetzt ein Forschungsgebäude – oder Werften wie der Bodan-Werft am Bodensee, wo sich Industriegeschichte mit neuen Nutzungstypologien verbindet.

Sanierung und Erweiterung eines Lokschuppens, Ludwigslust / Sven Buck + Partner
Grit Krügerke
Wohnen für Angestellte oder für Kinder
Da sind Architekten manchmal auch Bauherren und Nutzer zugleich, wie Bayer & Strobel beim alten Kesselhaus der Pfaff-Werke in Kaiserslautern (s.o.), oder aus Arbeitgebern werden Zimmervermieter, wie Villeroy & Boch mit seiner ehemaligen Ofenhalle im saarländischen Mettlach (s.o.), die Mitarbeitern ein temporäres Zuhause schafft.
Ein solches bieten auch Neubauten wie das Kurzzeitwohnen für Kinder mit unterschiedlichen Hilfebedarfen in Bochum, an dem gleich mitbesichtigt werden kann, wie sich Qualität und Kosten miteinander vereinbaren lassen – eine wichtige Nachricht an das interessierte Publikum zum Tag der Architektur am 28. und 29. Juni, wenn ganz Deutschland auf die Architektinnen und Architekten und die Vielfalt ihrer Bauaufgaben schaut.
Drei Fragen zum Tag der Architektur an Andrea Gebhard
Frau Gebhard, was bedeutet für Sie „Vielfalt bauen“?
Vielfalt zu bauen heißt, unterschiedliche Bedürfnisse, Lebensformen und Kontexte ernst zu nehmen. Ob Mehrgenerationenprojekt, die Wiederbelebung vergessener Orte oder gendergerechte Stadtplanung – gute Architektur bietet für alle den passenden Raum. Sie ist so vielfältig wie die Gesellschaft selbst.

Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer
photothek / Jörg Carstensen
Warum ist Vielfalt im Bauen gerade jetzt so wichtig?
Weil unsere Herausforderungen vielfältig sind: Klimawandel, demografischer Wandel, soziale Ungleichheit. Einheitliche Lösungen reichen da nicht mehr aus. Wir brauchen kreative Antworten, die sozial gerecht, regional ausgerichtet, ressourcenschonend und inklusiv sind.
Vielfalt stellt für mich einen großen Wert dar. Vielfalt verweist auf unsere Fähigkeit als Gesellschaft, gleichermaßen innovativ und anpassungsfähig zu sein.
Was macht das Format Tag der Architektur aus?
Seit über 30 Jahren ist der Tag der Architektur das wichtigste Format der Architektenkammern. Viele engagierte Kolleginnen und Kollegen zeigen traditionell am letzten Juniwochenende, dass es um nichts Geringeres geht als die Qualität unserer gebauten Umwelt.
In diesem Jahr sind es wieder über 1.000 ausgewählte Projekte: Von ländlichen Umbauten über urbane Wohnexperimente bis hin zu innovativen Materialien – die Bandbreite ist beeindruckend. Das interessierte Publikum ist herzlich eingeladen, diese Vielfalt guter Räume zu entdecken und sich gemeinsam darüber auszutauschen.
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