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[ Urheberrecht ]

Betretungsrecht von Bauwerken für Architekturfotos

Wer ein sehenswertes Gebäude entworfen hat, wird dieses fotografieren und als Referenz präsentieren wollen. Doch das Betreten des Objekts kann ­schwierig werden, wenn eine wirksame Vertragsklausel fehlt. Die Kammern schlagen eine vor

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Betreten verboten?“ im Deutschen Architektenblatt 01.2022 erschienen.

Von Sven Kerkhoff

Bei Objekten, die durch das Urheberrecht geschützt sind, ist die Sache klar: Hier hat der Entwurfsverfasser beziehungsweise die Entwurfsverfasserin von Gesetzes wegen das Recht zur Veröffentlichung von Abbildungen. § 25 Abs. 1 Urheberrechtsgesetz gibt zu diesem Zwecke ergänzend ausdrücklich ein Recht auf Zugang zum Objekt, soweit ein solcher Zutritt zur Anfertigung von Aufnahmen erforderlich ist und nicht berechtigte Interessen des Besitzers entgegenstehen.

Liegt ein Schutz durch das Urheberrecht vor, besteht dieses sogenannte Betretungsrecht generell während der Bauausführung (vgl. LG Berlin, Urteil vom 3. Juli 2008, Az.: 27 O 83/08). Doch selbst nach Abschluss der Bauarbeiten muss der Bauherr in der Regel dulden, dass ein Architekt, gegebenenfalls auch mit seinem Fotografen, das Grundstück und das Gebäude zur Anfertigung von Aufnahmen erneut betritt und diese Aufnahmen anschließend veröffentlicht (vgl. LG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 1997, Az.: 12 O 100/79).

Betretungsrecht vertraglich regeln

Diese gesetzliche Regelung hilft allerdings nicht weiter, wenn das Objekt nicht urheberrechtsfähig ist. Gerade bei Bauwerken kann im Einzelfall unklar sein, ob die dazu notwendige Gestaltungshöhe erreicht ist (siehe DAB 08.2014, „Kein Urheberrecht bei reinen Zweckbauten“). Von daher liegt es nahe, das Betretungsrecht vorsorglich im Vertrag und damit unabhängig vom Urheberrecht zu regeln. Eine entsprechende Klausel sehen die Orientierungshilfen zur Vertragserstellung, die die Länderarchitektenkammern ihren Mitgliedern zur Verfügung stellen, durchweg schon seit Langem vor. Eine dabei früher verwandte Formulierung hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun allerdings beanstandet.

Alte Vertragsklausel unwirksam

In seinem Urteil vom 29. April 2021 (Az.: I ZR 193/20) beschäftigt sich der BGH mit folgender vertraglicher Regelung:

  • „Der Auftragnehmer ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrages –, das Bauwerk oder die bauliche Anlage in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu betreten, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen.“

Diese Klausel sei als allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) unwirksam, weil sie den Auftraggeber unangemessen benachteilige, so der BGH. Zwar sei das Interesse an einer vertraglichen Regelung anzuerkennen, da es ein legitimes Anliegen des Planers darstelle, nicht zunächst die Urheberrechtsfähigkeit des Objekts darlegen zu müssen beziehungsweise auch bei nicht urheberrechtsfähigen Gebäuden an Abbildungen zu gelangen. Dazu könne im Einzelfall selbst ein mehrmaliges Betreten des Gebäudes nach Beendigung des Vertrages gerechtfertigt sein.

Keine Abwägung der Interessen

Die Klausel erlaube mit dieser konkreten Formulierung aber keinerlei Abwägung der Interessen der Beteiligten. Der Bauherr könne also selbst bei massiven, rechtlich relevanten gegenläufigen Belangen das Betreten nicht verhindern. Das Abstimmungserfordernis ändere daran nichts, da dieses nur die Terminabsprache erzwinge. Der Vertragspartner könne darüber also ausschließlich Einfluss auf das Wann des Zutritts nehmen, nicht aber auf das Ob. Somit lasse diese Klausel zumindest dem Wortlaut nach außer Acht, dass ein Betretungsrecht nur dann und nur insoweit zuzugestehen sei, als das hieran bestehende Interesse des Architekten überwiegt.

Aktuelle Klausel nicht betroffen

Die vom BGH vermisste Interessenabwägung ist in den Orientierungshilfen, wie sie die Länderkammern zur Verfügung stellen, spätestens seit 2016 ausdrücklich enthalten. Die auf dieser Basis abgeschlossenen, neueren Verträge sind von dem Urteil also nicht betroffen. Planerinnen und Planer tun daher gut daran, sich der aktuellen Orientierungshilfen zu bedienen.

So lautet die Klausel beispielsweise in der von der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen herausgegebenen Version aktuell:

  • „Der Architekt ist berechtigt – auch nach Beendigung dieses Vertrages –, das Bauwerk oder das Grundstück in Abstimmung mit dem Bauherrn zu betreten, soweit dies erforderlich ist, um fotografische oder sonstige Aufnahmen zu fertigen. Ebenso ist er berechtigt, diese Aufnahmen auch zur öffentlichen Darstellung seiner Leistung – z. B. auf seiner Internetseite – zu nutzen. Diese Rechte gelten nur, sofern nicht berechtigte Belange des Bauherrn entgegenstehen.“

In die auf diese Weise ausdrücklich zugelassene und notwendige Interessenabwägung fließen unter anderem die in dem BGH-Urteil angesprochenen Aspekte ein, wie etwa die Frage des Zeitablaufs seit Fertigstellung des Bauwerks, berechtigte Anliegen des Besitzers mit Blick auf den Schutz seiner Privatsphäre oder die Frage, ob es sich um ein erneutes beziehungsweise mehrmaliges Betreten handelt und warum dieses begehrt wird.

Betretungsrecht nur bei Urheberrecht

Wie sinnvoll und notwendig eine Regelung per Vertrag bleibt, zeigen die weiteren Erwägungen, die der BGH in seinem Urteil anstellt: Da im konkreten Fall die alte und aus den vorgenannten Gründen als unwirksam erachtete Klausel Verwendung gefunden hatte, hätte der Architekt den Zugang hier nur noch dann erzwingen können, wenn sein Werk urheberrechtlich geschützt gewesen wäre. Dies hat das Gericht im konkreten Fall für die Innenraumgestaltung verneint und dabei deutlich gemacht, weiterhin an den bekannten Kriterien für den Urheberrechtsschutz bei Bauwerken festhalten zu wollen.

Eine frühere Entscheidung des BGH zur notwendigen Gestaltungshöhe bei Werken der angewandten Kunst (Urteil vom 13. November 2013, Az.: I ZR 143/12) hatte hier Hoffnung auf eine Trendwende in der Rechtsprechung und eine Erleichterung bei der Gewährung von Urheberrechtsschutz aufkeimen lassen. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht: Der BGH macht in seinem aktuellen Urteil deutlich, dass jene andere Rechtsprechung schon deshalb nicht zu übertragen sei, weil es sich bei Bauwerken nicht um Werke der angewandten Kunst, sondern um solche der bildenden Kunst handele (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG). Bei beiden sei im Übrigen eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern.

Urheberrecht nur bei Werken der Baukunst

Bei Werken der Baukunst bleibe es aber dabei, dass zudem die Gestaltung Besonderheiten aufweisen müsse, die über die übliche Gestaltung hinreichend deutlich hinausgingen, die also aus der Masse des alltäglichen Bauschaffens herausragten. Die Gestaltung dürfe dabei nicht den Zwängen der baulichen Gegebenheiten (wie etwa Vorgaben aus Bauplanungs- oder Bauordnungsrecht) und den technischen Regeln der Baukunst geschuldet sein, sondern müsse Ausdruck einer freien kreativen Entscheidung sein, in der sich im Sinne einer künstlerischen Leistung die individuelle Persönlichkeit des Urhebers widerspiegele.

Die nicht unproblematische Auffassung, dass die Erfüllung dieser Kriterien nicht etwa sachverständig zu überprüfen, sondern vom Gericht selbst zu beurteilen sei, behält das höchste deutsche Zivilgericht dabei bei. Der damit verbundene weite gerichtliche Einschätzungsspielraum und die eher „weich“ formulierten Kriterien werden es in der Praxis weiterhin schwer machen, die Frage der Urheberrechtsfähigkeit eines Bauwerks im Einzelfall rechtssicher zu prognostizieren.

Dr. Sven Kerkhoff ist Rechtsreferent bei der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen

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