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Baugeschichte – Freiheitsgeschichte

Die Demokratie ist eine ewige Baustelle – einer ihrer deutschen Symbolorte, das Hambacher Schloss, offenbar auch. Am Tag der Architektur rückt es ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Ansturm: Zug der Demokraten zum Hambacher Schloss 1832

Jürgen Tietz

An sonnigen Tagen kann der Blick von dem Felsvorsprung am Rand der Pfälzer Haardt scheinbar endlos über grüne Felder und malerische Weinstöcke wandern – bis weit in die Rheinebene hinab. Nicht minder eindrucksvoll sind die mächtigen Mauern, die den rund 300 Meter hohen Burghügel weithin sichtbar bekrönen: Gewürzt mit einer guten Prise Ruinenromantik erhebt sich dort das Hambacher Schloss, darüber eine gewaltige Deutschlandfahne in Schwarz-Rot-Gold. Allein das würde ausreichen, um den Ort zu einer Attraktion zu machen – doch Hambach ist noch weit mehr: Das Schloss bei Neustadt an der Weinstraße gilt als „Wiege der deutschen Demokratie“, als einer der zentralen Erinnerungsorte, die den mühsamen Weg der Deutschen zu ihrer Freiheit und Einheit markieren.

Hier machten die Pfälzer 1832 mit dem legendären Hambacher Fest ihrem Unmut über den bayerischen König Luft, dessen Untertanen sie waren. Zugleich traten sie energisch für die bürgerlichen Grundrechte, den Fall der Grenzen und Demokratie ein – und damit für jene Grundwerte, die heute die Bundesrepublik ausmachen.

Festsaal: Im dem von Max Dudler neu gestalteten Raum wird Demokratiegeschichte reflektiert – und am 27. Juni die Geschichte der Architektur.

Vielschichtiges Denkmal

Eng verbunden mit seiner Rolle als Geschichtsort ist die Bedeutung des Hambacher Schlosses als Baudenkmal. An seinen teils rötlich, teils gelblich schimmernden Sandsteinmauern sind rund tausend Jahre Baugeschichte ablesbar. Den Ursprung des Schlosses bildete die mittelalterliche „Kästenburg“. Ihr Name leitete sich von den Kastanienwäldern ab, die den Burghügel noch heute prägen. Im Lauf der Jahrhunderte wurde sie oft verändert; im 19. Jahrhundert wollte der spätere König Maximilian II. von Bayern die inzwischen zur Ruine verkommene Burg in ein neugotisches Schloss verwandeln.

Daher begann sein Architekt August von Voit (1801–1870) im Jahr 1844 mit dem Ausbau zur „Maxburg“. Die demokratiegeschichtliche Bedeutung konnte und wollte der König kurz nach dem Hambacher Fest nicht sehen. Doch das Volk blieb bei seinem Ansinnen – und sein Revolutionsversuch 1848/49 setzte den hochtrabenden Plänen des Königs ein Ende: Die Bauarbeiten wurden abgebrochen. So dauerte es bis nach dem Zweiten Weltkrieg, ehe die Ruine tatsächlich ein festes Dach erhielt. Prägend für den Raumeindruck des Erinnerungsortes wurde jedoch der rustikale Ausbau 1980/82 nach dem Entwurf von Horst Römer. Gut 25 Jahre später hat sich nun der in Berlin lebende Schweizer Architekt Max Dudler des Hambacher Schlosses angenommen.

Mit seinem Entwurf bezieht Dudler dabei eine klare Position in der architektonischen Gretchenfrage: „In welchem Stile sollen wir weiterbauen?“. Die Antwort des Rationalisten und Ungers-Schülers zeigt einen deutlichen, aber keineswegs überzogenen Kontrast zwischen den neuen Elementen und dem historischen Bestand.

Ausstellung: „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ war das Motto der Freiheitskämpfer von 1832. Den Titel übernahm die Schau der Gegenwart.

Auftakt des mehrphasigen Umbaus für insgesamt 17 Millionen Euro war der Ausbau des Treppenhauses samt Fahrstuhl, um das Schloss behindertengerecht zu erschließen. Der im November 2008 offiziell übergebene zweite Bauabschnitt umfasste darüber hinaus den Einbau neuer Veranstaltungsräume.

So blieben vom Umbau des Jahres 1982 zwar die etwas zu breit und etwas zu „altertümelnd“ geratenen Fensterkreuze erhalten, die bis heute die burgartig-romantisierende Außenwirkung des Schlosses prägen. Im Inneren des Schlosses dominieren jedoch nun Dudlers neue Akzente. Deutlich wird dies bei den Veranstaltungsräumen, dem Café, dem großen, doppelgeschossigen Festsaal sowie bei dem kleineren Siebenpfeiffersaal. Dessen Name erinnert an den Mitinitiator des Hambacher Festes, Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789–1845). Kirschholz, Sandstein sowie anthrazitfarbene Einbaumöbel schaffen einen Kontrast zum historischen Bruchsteinmauerwerk.

Und eine von der „Stiftung Hambacher Schloss“ betreute Daueraus­stellung im Stockwerk oberhalb des Festsaals macht die Besucher unter dem Titel „Hinauf, hinauf zum Schloss!“ mit der Geschichte des Hambacher Festes und seinen Folgen vertraut.Eine weitere Etappe des Umbaus wird der Neubau des Restaurants bilden, das das Schloss künftig seitlich flankiert. Dudlers Konzept sieht hier einen annähernd winkelförmigen, plastisch durchgeformten Anbau vor. Mit seiner hellen, gelblichen Steinfassade und den unregelmäßig verteilten Fenstern dürfte er sich harmonisch an den Bestand anfügen. Eine solche transformierende Bezugnahme auf den Kernbau bietet die Chance, dass die Erweiterung künftig einen reizvollen Beitrag für eine „regionale Moderne“ in der Pfalz leistet. Davon, inwieweit dies gelungen ist, wird man sich voraussichtlich ab Ende 2010 überzeugen können.

Das Hambacher Schloss

Streitpunkt Umbau

Doch Dudlers reduziert-rationalistische Architektur trifft in der Pfalz nicht nur auf Gegenliebe. So bedurfte es sowohl in Fachkreisen als auch in der Öffentlichkeit vor Ort einer intensiven Überzeugungsarbeit und mehrerer Diskussionsrunden (an denen auch der Autor dieses Beitrages mitwirkte), ehe die alte Holzdecke des Festsaals aus den 1980er-Jahren verschwinden durfte. An ihre Stelle ist nun eine schwarze „Lichtdecke“ getreten. Nach Interpretation des Architekten erinnert sie an jenen Sternenhimmel, der sich einst über der Ruine ausbreitete.

Bei allem Applaus für Dudlers Umbau sind auch kritische Stimmen zu vernehmen. So merkte Gerold Reker, einst Mitarbeiter Horst Römers und heute Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, im Januar 2009 im Landesteil dieses Blattes an: „Nur Nachdenkliche fragen, ob man einem national so wichtigen Denkmal alle 25 Jahre eine solch radikale Runderneuerung antun darf.“Begleitet wurde das Bauvorhaben von einer vorbildlichen Öffentlichkeitsarbeit: In einer (Wander-)Ausstellung über das Schloss wurden die Planung des Architekten, die Position der Denkmalpflege sowie die Ergebnisse der Bauforschung ausführlich vorgestellt.

Deren Entdeckungen flossen darüber hinaus in die extra angefertigten Burgmodelle aus Corean ein, mit denen die komplexe Baugeschichte anschaulich wird: von der Kästen- über die Maxburg bis hin zum Hambacher Schloss. Mit dem diesjährigen Bundesauftakt für den „Tag der Architektur“ rückt nun mit dem Hambacher Schloss zugleich das Thema „Weiterbauen am Denkmal“ in den Fokus – aber auch die Beschäftigung mit einem der zentralen Orte deutscher Demokratiegeschichte.

Dr. Jürgen Tietz ist Kunsthistoriker und Journalist in Berlin.

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