Dieser Beitrag ist in gekürzter Form unter dem Titel „Zimmer mit Aussicht“ im Deutschen Architektenblatt 08.2021 erschienen.
Einige rücken am Ende noch einmal ins Scheinwerferlicht: das Hecker’s Hotel nahe des Berliner Ku’damms zum Beispiel. Von 1965 bis 2021 schliefen die Gäste dort in individuell eingerichteten Zimmern, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) berichtete. Aber auch mit diesem besonderen Konzept hat es nicht gereicht. Anlass für den Besuch des rbb im Traditions-Hotel: Am 30. April wurde dort endgültig ausgecheckt, die Folgen der Corona-Pandemie hatten dem Etablissement die Geschäftsgrundlage entzogen.
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Mittelständische Hotels gefährdet
Leider ist es damit beileibe nicht allein. 2020 ist die Zimmerauslastung im Vergleich zum Vorjahr deutschlandweit um 59,5 Prozent eingebrochen, wie der Fairmas Hotel-Report ermittelte; die Existenz vieler mittelständischer Hotelbetriebe ist bedroht. Aber auch finanzstarke Betreiberketten haben in der Krise Mieten und Konditionen neu verhandelt, wie ein Report der Deka-Bank zum deutschen Hotelmarkt berichtet. Mittel- bis langfristig, da sind sich Wirtschaftsexperten einig, ist mit einer Neustrukturierung des Hotelmarktes zu rechnen. „Die Spitzenrenditen sind schon vor Jahren gefallen“, sagt Karsten Jungk, Geschäftsführer Deutschland der Immobilienberatung Wüest Partner. Dass es nach der Corona-Krise für die Hotelbranche wieder so werde wie zuvor, sei unwahrscheinlich.
Sechs Modelle für die Zukunft ehemaliger Hotels
Also sind Konzepte zur Umnutzung gefragt. Das Interesse daran ist vor allem in Ballungsräumen groß, wo es an Wohnraum mangelt. „Durch ihre Struktur und vielfältige Installationen sind viele dieser Immobilien grundsätzlich für bestimmte Wohnkonzepte gut geeignet“, sagt Jungk. Hierfür böten sich verschiedene Modelle an, die sich innerhalb eines Hauses auch mischen ließen.
- Um traditionellen Wohnraum zu schaffen, können Hotelzimmer zu kleinen Wohnungen zusammengelegt werden. Je kleiner die Einheiten, desto geringer der Eingriff in vorhandene Strukturen. Die Kosten für den Umbau sind trotzdem eher hoch, der Wechsel von gewerblicher zu wohnwirtschaftlicher Nutzung kann eine baurechtliche Hürde darstellen.
- Dieses Problem stellt sich bei Serviced Apartments nicht, die wie Hotels als gewerbliche Nutzung eingeordnet werden. Die Einheiten sind tendenziell kleiner als beim traditionellen Wohnen und voll möbliert, hoteleigene Serviceeinrichtungen können unter Umständen weitergenutzt werden.
- Auch bei Mikro-Apartments sind die Umbaukosten tendenziell gering. Um eine Kochnische ergänzt, kann ein einzelnes Zimmer als Mikro-Apartment genutzt werden. Für Paare lassen sich größere Einheiten durch Zusammenschalten zweier Zimmer schaffen.
- Legt man zudem in zentralen Bereichen Zimmer zusammen und schafft dort Gemeinschaftsküchen und Aufenthaltsräume, entsteht mit geringen Kosten Raum für Co-Living.
- Unterteilt man die Geschosse hingegen in kleinere Einheiten, werden diese zu Cluster-WGs: Pro Geschoss entstehen zwei bis drei WG-Wohnungen mit je einer Küche als Gemeinschaftsfläche. Strukturell bleiben viele der Hotelzimmer als einzelne WG-Räume weitgehend unverändert.
- Attraktiv sind die ehemaligen Hotels auch für Senioren-Gemeinschaften: Um barrierefreie Apartments für ältere Einzelpersonen oder Paare zu schaffen, werden Hotelzimmer zusammengelegt und um je eine kleine Küchenzeile ergänzt. Pro Geschoss ist außerdem ein Gemeinschaftsraum einzuplanen.
Bei allen Varianten, oder einer Mischung daraus, spielt das Erdgeschoss eine gesonderte Rolle. Hierfür muss jeweils noch ein passendes Nutzungskonzept erstellt werden, etwa in Form eines ergänzenden Serviceangebots.
Großer Bedarf bei Seniorenwohnen
Insbesondere beim Senioren-Wohnen „ist der Bedarf riesig“, wie Felix von Braun betont, Vorstand der DPF AG, die auf Service-Wohnen im Alter spezialisiert ist. „Vor der Pandemie spielten Hotels bei unserer Suche nach geeigneten Immobilien eine geringere Rolle – das hat sich durch das nun deutlich wachsende Angebot geändert.“ Für die Segmente der DPF – betreutes Wohnen und Residenz-Wohnen – ist unter anderem eine urbane Lage mit entsprechender Infrastruktur wie Einkauf, Kultur und ÖPNV wichtig. Meist kämen nun ältere Gebäude auf den Markt, so von Braun, einzelne Hotels wie auch der Bestand ganzer Gruppen.
Ab 80 Betten rechnet es sich
Auch auf die Größe kommt es an. „Eine Pflegeeinrichtung rechnet sich ab 80 Betten, wegen ihrer aufwendigen Ausstattung reicht ein Hotel mit 80 Betten dafür vom Platz her nicht aus“, erläutert der Experte. „Hierfür benötigt man ein Objekt von mindestens 5.000 Quadratmetern.“ Hotels bringen mit breiten Fluren und Aufzügen häufig schon die passende Infrastruktur mit. „Bei Service- und Residenz-Wohnen“, so von Braun, „ist der Anteil an öffentlicher Fläche von zehn bis 20 Prozent optimal.“
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Konferenzhotels problematisch
Konferenzhotels mit meist deutlich mehr öffentlichen Flächen, etwa Veranstaltungsräumen ohne Fenster, gelten bei potenziellen Interessenten für eine Umnutzung als problematisch. Auch die Gebäudekonstruktion spielt eine wichtige Rolle. Stahlschottenbauweise ist unflexibel und treibt die Kosten eines Umbaus in die Höhe. Wesentlich flexibler und daher gefragter sind Häuser mit Skelettbau. Das gilt nicht nur für Pflege- und Seniorenkonzepte, sondern auch für andere Wohnvarianten.
Baurechtliche Hürden der Umnutzung
Auch baurechtlich ist einiges zu beachten. „Ein ehemaliges Hotel in ein Wohnhaus umzuwandeln, kann einige Hürden mit sich bringen, da im Gewerbe ganz andere Verordnungen gelten als bei wohnwirtschaftlicher Nutzung“, erklärt Michael Dinkel, Geschäftsführer der Savvy Group, die nach Grundstücken in urbanen Lagen sucht und dabei auch die Umwandlung von Hotels prüft. So sei in München etwa pro Wohneinheit ein Pkw-Stellplatz vorgeschrieben, in Berlin hingegen müsse begründet werden, warum man einen solchen einplane. Probleme können auch klassische Eigenheiten von Hotelzimmern bereiten: Zum Beispiel finden sich Fenster eigentlich immer nur in eine Himmelsrichtung. „In Nordrhein-Westfalen dürfen Wohneinheiten aber keine reine Nordlage haben“, so Dinkel. „Das gilt es dort bei Plänen für die Umwandlung eines Hotels zu bedenken.“ Generell müsse bei einer Bestandsimmobilie das Layout stimmen: „Ein Raster mit Räumen von rund 25 Quadratmeter Fläche ist gut.“ Entscheidend sei die Statik, Eingriffe müssten ohne großen Aufwand umgesetzt werden können.
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Beispiel aus dem Typenkatalog: Ehemaliges Unilever-Hochhaus Hamburg (Klicken für Grundriss-Varianten)
Typenkatalog für Mikroapartments
Wie das gehen kann, weiß der Architekt Andreas Hild. Schon vor der Pandemie hat er mit seiner Kollegin Faraneh Farnoudi einen Typenkatalog entwickelt, der die Möglichkeiten der Umnutzung „gewerblicher Bestandsgebäude“ in Mikroapartments auffächert (wir haben bereits über Beispiele aus Köln und Düsseldorf sowie aus Saarbrücken berichtet). Andreas Hilds Fazit: „Bürogebäude und Hotels sind für eine Umnutzung relativ gut geeignet, da Parameter wie Gebäudetiefe und Raumhöhe mit den Anforderungen an das Wohnen vergleichbar sind“, so Hild. „Die meisten Konstruktionen gewährleisten eine hohe Flexibilität.“ Probleme lägen im Abstand der Erschließungskerne, dem – ohne Balkone und Loggien – fehlenden Außenraumbezug und in der im Vergleich zum Wohnungsbau erhöhten technischen Ausstattung. „Diese sind allerdings lösbar“, sagt der Architekt. „In der Praxis scheitert die entsprechende Umnutzung von Gewerbebauten in Wohnen meist daran, dass sich Wohnungen nur schwer in die Raster bestehender Bauten einschreiben lassen.“ Die Typologie des Mikroapartments jedoch lasse sich gut in alte Büro- oder Hotelbauten einfügen. „Solche Wohneinheiten kommen mit der Tiefe gut zurecht und auch die gerasterte Fassade kann einfach adaptiert werden.“
Eine Frage des Rasters
Die Frage des Rasters ist zentral und bot daher auch den Ansatzpunkt für die Typologisierung. Der Katalog klassifiziert den gewerblichen Leerstand innerhalb eines allgemeingültigen Typenverzeichnisses: Er führt auf, welche Raster in welchem Umfang ungefähr verbreitet sind. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Raster sich für eine Umwidmung in urbanes Wohnen anbieten. Faraneh Farnoudi und Andreas Hild haben 17 verschiedene als besonders geeignet identifiziert – und Modellgrundrisse hierfür gezeichnet. Diese Entwürfe dienen als Vorlage für ein barrierefreies und ein behindertengerechtes Mikroapartment sowie für Studierenden-Wohnheime. Die Modelle ließen sich auch in Modulen realisieren, die – nach einer Entkernung – in den passenden Bestandsgebäuden zusammengesteckt würden. Vielen leerstehenden Hotels oder Bürogebäuden eröffnet sich so vielleicht eine Alternative zum Abriss.
Downloaden Sie hier den Typenkatalog zur Umnutzung „gewerblicher Bestandsgebäude“ in Mikroapartments.
Schematische Darstellungen möglicher Grundrisse aus dem Typenkatalog
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