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[ Interview ]

KI in der Architektur: „Es kommen neue Aufgaben auf uns zu“

Urheberrecht, Haftung und Datenschutz: Ein Gespräch über Chancen und Risiken von KI mit Dietmar Köring und Florian Scheible, Mitglieder der Ad-hoc-Arbeitsgruppe KI, die einen Leitfaden mit zehn Fragen und Antworten dazu erstellt hat

Porträt von Florian Scheible und Dietmar Köring
Florian Scheible (links) und Dietmar Köring sehen für Planende neue Möglichkeiten durch KI – wenn man ein paar wichtige Dinge beachtet.

Interview: Lars Klaaßen

Welche Bedeutung hat KI für die Architektur?

Dietmar Köring: KI scheint Architektur- und Designberufe in die Mitte einer neuen technologischen Revolution gestellt zu haben, bevor man dort überhaupt wusste, dass sie begonnen hat. Bislang werden KI-Anwendungen in der Architektur nur begrenzt in Planungsprozessen genutzt. Es gibt verschiedene Anwendungsfälle für KI in der Bauplanung, aber die generierten Resultate erfordern noch menschliche Kontrolle. Die Betonung liegt hier auf: noch!

Florian Scheible: Viele rechtliche Aspekte, wie Urheberrecht, Haftung und Datenschutz, bedürfen der weiteren Klärung. Die Technologieentwicklung schreitet aber schnell voran, wobei das Ziel ist, leistungsfähige KI-Engines zu entwickeln, die bereits mit kleinen Datenmengen arbeiten können. Es werden Assistenzsysteme angestrebt, die repetitive und informationsbasierte Aufgaben übernehmen. Modellvorhaben erforschen verschiedene Anwendungsfelder für KI im Bausektor, um Planungsprozesse zu vereinfachen. Und es ist anzunehmen, dass sich zahllose Architekturbüros auf den Weg machen werden, eigene Anwendungsfälle zu erarbeiten und nach Lösungen zu suchen.

Bildschirmansicht der Anwendnung Propertymax
PropertyMax kann dabei helfen, das Maß der Bebaubarkeit auszuloten und Varianten zu erstellen.

Werden durch solch neue Assistenzsysteme künftig Arbeitsstellen in der Architektur wegfallen?

DK: Florian, du hast es mal ganz treffend gesagt, dass als in den Neunzigerjahren die ganzen CAD-Systeme auf den Markt kamen, die große Angst war, dass Bauzeichner, Architekten überflüssig werden [lacht]. Ich glaube, das ist nicht passiert, ganz im Gegenteil.

FS: Aber es gab Veränderungen. In wie vielen Architekturbüros gibt es noch Bauzeichner? Früher waren im Architekturbüro drei Architektinnen und Architekten und 20 Bauzeichner. Heute findet man in der Regel ja gar keine mehr. Im Hinblick auf KI: Es kommen neue Aufgaben auf die Beschäftigten zu, wie z.B. das Prompten, also das zielgerichtete Abfragen von KI-Informationen oder das Erstellen lokaler KI-Anwendungen.

Welche neuen Möglichkeiten eröffnet KI?

FS: Eine ganz große Chance liegt darin, dass durch die KI komplexe Entscheidungsgrundlagen zielgerichtet aufbereitet werden können, z.B. wenn es darum geht in frühen Leistungsphasen weitreichende entwurfliche und technische Setzungen vorzunehmen. Das ist der eine Aspekt. Der andere: Wir hatten, abgesehen von der derzeitigen Marktsituation, bis vor kurzem noch das Thema, dass Fachkräfte fehlen, insbesondere auch im ländlichen Raum. Hier kann KI eine Hilfestellung sein auch für Büros, die händeringend Kapazitäten suchen. KI wird es ermöglichen, sich vermehrt mit gestaltenden und entscheidungsorientierten Tätigkeiten zu befassen.

Vorher-Nachher-Darstelllung eines Wohnzimmers durch mnml ai
mnml ai visualisiert unter anderem, wie Räume sich gestalten lassen.

Wie sieht es hier und jetzt mit konkreten Anwendungen im Arbeitsalltag aus?

DK: Das Assistenztool Copilot von Microsoft scheint sich vielversprechend für Büros zu entwickeln, die mit Microsoft-365-Anwendungen arbeiten. Copilot benutzt ChatGPT-4 und andere Anwendungen, um das Arbeiten zu erleichtern. Ein anderes Beispiel ist die Anwendung Syte, eine Art digitales Grundbuch, welches bei der Projektierung von Grundstücken hilft. Letztlich eine Zusammenführung von TIM-online, den Bodenrichtwerten und dem Maß der Bebaubarkeit. Dies ermöglicht einen schnelleren Zugriff, was vor allem der Recherche hilft und so enorm Zeit spart.

FS: Letztlich wird sich der Ablauf des Gebäudeentwurfes drastisch verändern – womöglich nicht im Design, sondern in der Schnelligkeit und der Ausarbeitung von Varianten. Was vor zwei Jahren noch Theorie war, ist jetzt bereits in der Anwendung. ARCHITEChTURES zum Beispiel ist eine generative, KI-gestützte Bauplanungsplattform, die dabei hilft, optimale Wohnanlagen in Minuten statt in Monaten zu entwerfen. Eine andere Anwendung ist Propertymax, die in der Theorie sehr hilft, das Maß der Bebaubarkeit auszuloten und Varianten zu erstellen. Dies hilft z.B. auch sehr im Abgleich mit der vorhandenen Bebauung, wenn der B-Plan §34 vorsieht.

DK: Man muss aber auch sagen, dass sich derzeit bestimmt hunderte solcher Architektur-Tools in der Entwicklung befinden und es bleibt abzuwarten, welche dann auch wirklich ihren Nutzen bringen. Da reicht ein Blick in den OpenAI App-Store, in dem es bereits über drei Millionen ChatGPT basierende Anwendungen gibt. Eine Umfrage von Architizer und Chaos, bei der mehr als 2.000 Design-Profis zur Zukunft der Architekturvisualisierung befragt wurden, ergab, dass 55 Prozent der Befragten die bahnbrechende Technologie entweder angenommen oder mit ihr experimentiert haben.

Was bedeutet das für Visualisierung in der Architektur?

DK: Fakt ist, dass KI die Visualisierung in der Architektur für immer verändern wird. Ich denke jedoch, dass es immer Spezialisten brauchen wird. Natürlich ist KI hier in Zukunft eine Hilfe, aber auch diese will entsprechend bedient werden. Derzeit ist es eine große Hilfe, vor allem aus Skizzen entsprechende Diagramme in verschiedenen Stilen zu entwickeln oder aber zur Gestaltung von Innenräumen. Sehr vielversprechend sieht derzeit die Anwendung Yanus aus. Wenn man dies in Zukunft mit Materialien und deren Herstellung, sowie deren Prüfung auf entsprechenden Zertifikaten und Kosten abstimmt, wäre das ein enormer Gewinn. Auch könnte man so entsprechende „moods“ in Sekunden erstellen und klar die kosten benennen.

FS: Es wird aber so oder so zu einer Übergangsphase kommen, wo man sich, was Visualisierungen angeht, entsprechend anpassen muss. Letztlich geschieht dies auch schon durch Software und entsprechende Updates. Denn auch Firmen, wie Autodesk, Adobe, Nemetschek oder Chaos Enscape haben kein Interesse daran, ihre Kunden zu verlieren. Dazu kommen weitere Unternehmen, etwa Midjourney, Stable Diffusion, Dall-E, Veras, Lookx oder mmml.ai – um nur einige zu nennen, die derzeit im Gespräch sind.

DK: Aber angesichts des Tempos, in dem sich der Wandel vollzieht, ist es unwahrscheinlich, dass alle diese Tools einen festen Platz in der Zukunft der Architekturvisualisierung einnehmen werden. Auf YouTube gibt es derzeit ein Video von MVRDV, das einen Einblick in die derzeitigen Möglichkeiten der KI-Anwendung für Architektur gibt.

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Wo sehen sie mögliche Schwierigkeiten?

FS: Die Architektenschaft sollte bedacht vorgehen, um sicherzustellen, dass die technologischen Entwicklungen ihr Berufsbild nicht auf Kosten von Qualität und ethischen Standards verändern. Nicht nachvollziehbare Ergebnisse, etwa aus mangelnder Einsicht in die Datenbank, die von KI generiert werden, erfordern besondere Aufmerksamkeit. Das gilt besonders in sicherheitsrelevanten oder rechtlich heiklen Bereichen. Der Einsatz von KI-basierten Tools sollte gut überlegt sein, um die Effizienz zu steigern, ohne die Qualität zu gefährden. Solche Entscheidungen erfordern eine strategische Abwägung der Kosten und des Nutzens. Und es bedarf immer einerkontinuierlichen menschlichen Überprüfung zur Sicherung der Qualität und letztlich Entscheidungen durch Menschen. Nicht zuletzt sollte der Begriff Haftung, vor allem der der Alleinhaftung des Architekten, unbedingt adressiert werden.

DK: Die fortschreitende Entwicklung der KI im baurechtlichen Kontext fasziniert mich zunehmend. Ich hege die Hoffnung, dass sie tatsächlich zu einer Entlastung in der Arbeit und zu mehr Planungssicherheit führen wird. Wir sollten aber bedenken, dass dies nicht nur für die Planung und Baufirmen, sondern auch für Behörden und Nachbarn gilt. Mit der Einführung von KI-Lösungen werden zweifellos auch neue rechtliche Fragen aufkommen, ähnlich wie beim Fußball und der Einführung des Videobeweises. In diesem Zusammenhang erleben wir immer wieder eklatante Fehlentscheidungen, obwohl die klare Sachlage auf Video festgehalten wurde. Dennoch kann man sagen, dass der Videobeweis ein gutes Hilfsmittel ist – die Fehlentscheidungen sind meistens eher menschlicher Natur. Und an dieser Stelle kommt das Thema Fortbildungen ins Spiel.

Architekturmodell der Anwendung LookX AI
LookX AI hat hier ein Architekturmodell generiert, das als Modell auf einem virtuellen Tisch steht.

Wie steht es um den Datenschutz?

DK: Man muss sich bewusst machen: KI bedeutet Daten, Daten, Daten. Die Qualität von KI-Anwendungen steht und fällt mit der Qualität der ihr hinterlegten Daten. Jedoch: Die Wahrung des Datenschutzes ist nicht verhandelbar. Die DSGVO der EU stellt sicher, dass der Schutz personenbezogener Daten als fundamentales Recht gewährleistet ist – eine Grundlage, die bei der Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen unbedingt berücksichtigt werden muss. Um den Datenschutz bei der Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen zu gewährleisten, sind verschiedene technische und organisatorische Maßnahmen erforderlich. Dazu gehören beispielsweise die Pseudonymisierung und Anonymisierung von Daten, die Sicherstellung der Datensicherheit sowie die Transparenz und Kontrolle über die Verwendung der Daten.

FS: Der Schutz personenbezogener Daten erfordert die Aufmerksamkeit aller Beteiligten – von Entwicklern und Betreibern bis hin zu den Nutzern von KI-Systemen. Jeder Einzelne trägt Verantwortung dafür, dass die Datenschutzbestimmungen eingehalten werden. Man muss sich bewusst machen, dass Daten, die internetbasierten Tools anvertraut werden, meist durch diese weiterverarbeitet werden.

DK: Um diesen Herausforderungen zu begegnen, ist es entscheidend, sich über die geltenden Datenschutzbestimmungen zu informieren. Das heißt: die Risiken von KI-Systemen verstehen, entsprechende Maßnahmen zum Schutz personenbezogener Daten implementieren und den Dialog sowie die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten fördern. Nur durch ein gemeinsames Engagement können wir sicherstellen, dass KI, Ethik und Datenschutz im Einklang miteinander stehen und das Potenzial von KI-Innovationen im Einklang mit den Grundwerten unserer Gesellschaft genutzt wird.

Inwiefern ist KI für die Architektenkammern ein Thema?

FS: Die Kammern verfolgen die Entwicklung äußerst aufmerksam. Um stets über Fortschritte informiert zu sein und die Nutzung der Potenziale aber auch Maßnahmen zur Wahrung des Berufsstandes proaktiv voranzutreiben, kam 2019 die Ad-hoc-Arbeitsgruppe KI zusammen. Sie wird von der Bundesarchitektenkammer und der Architektenkammer Berlin geleitet und umfasst Vertreter aus etlichen Länderkammern.

DK: Um sowohl die Chancen als auch die Bedenken im Zusammenhang mit der KI zu adressieren, organisieren die Kammern entsprechende Digitalisierungs-Events. Ein Beispiel hierfür ist die Veranstaltungsreihe „Digital Mondays“ der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen. Sie adressiert bereits seit fünf Jahren aktuelle Fragen im Bereich der Digitalisierung. Dazu kommen gezielte KI-Fokusgespräche etwa der AK Berlin und erste Fortbildungen einzelner Kammern.

Interpretation der Unité d’habitation von Floyd E. Schulze mithilfe der Anwendung Midjourney
„Unité d’habitation“, eine Midjourney-Interpretation von Floyd E. Schulze aus seinem Buch „Hey Computer! Icons of Architecture, Rebuilt by AI“, Jovis 2023.

Die Ad-hoc-Arbeitsgruppe KI hat einen Leitfaden erarbeitet, der mit zehn Fragen und Antworten in das Thema einführt. Was leistet er?

FS: Die zehn Punkte umreißen die Rolle der KI in der Architektur. Er soll ein die Angst nehmen, dass der Berufszweig der Architektur verschwindet. Aber er soll definitiv auch aufzeigen, dass wir hier vor einem Wandel des Berufsbildes stehen – dass sich da einiges ändert und viele Möglichkeiten auftun.

DK: Da KI sich rasant entwickelt, wäre ein gedruckter Leitfaden wie beispielsweise zum Thema BIM bereits veraltet, sobald er veröffentlicht würde. Die kurz gehaltenen zehn Fragen und Antworten, online veröffentlicht, sollen Anreize zu schaffen, sich mit den Möglichkeiten der KI auseinanderzusetzen: zu überlegen, wo ihr Einsatz im Büro sinnvoll wäre. Die Anwendungen der KI nehmen zu und werden benutzerfreundlicher, gleiches gilt für das selbsttätige Erstellen von KI-Anwendungen. Man muss also kein Programmierer sein, um KI zu integrieren.

 

 

 

 


Dietmar KöringDietmar Köring

ist Architekt mit Sitz in Köln. Als Leiter des architektonischen Forschungsbüros Arphenotype konzentriert er sich darauf, die Grenzen verschiedener künstlerischer Disziplinen zu verwischen. Er studierte Architektur an der Universität von Western Sydney und an der Muthesius Kunsthochschule, wo er als Dipl.-Ing. (FH) graduierte. Dietmar erhielt seinen Master an der Bartlett UCL London und promovierte der Technischen Universität Berlin. Er war Jaap Bakema Fellow 2010 am NAI in Rotterdam und co-Chair der eCAADe 2020 in Berlin. Sein derzeitiger Forschungsschwerpunkt ist die Beziehung zwischen Mensch und Maschine, sowie die Wahrnehmung und den Einfluss von Ethik und Architektur im Zeitalter der künstlichen Intelligenz.

Florian ScheibleFlorian Scheible

ist Architekt und Leiter des Ingenieurbüros Schöne Neue Welt Ingenieure. Mit seinem Partner Jan Mittelstädt und seinem Team fokussiert er auf Tragwerksplanung und die Planung von Gebäudehüllen ressourcenschonender Projekte. Dabei werden insbesondere Strategien effizienten Holzbaus und der Kreislaufwirtschaft untersucht und angewendet. Er studierte Architektur in Braunschweig und Stuttgart. Als Vorsitzender des Arbeitskreises Digitalisierung der Architektenkammer Berlin und federführend in der adhoc-Gruppe Künstliche Intelligenz der Bundesarchitektenkammer engagiert er sich in den Bereichen Digitaler Bauantrag und KI sowie der Verknüpfung von digitalen Werkzeugen mit Zielen des nachhaltigen Planens und Bauens.

 

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