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[ Fachbeitrag ]

Tageslicht in Innenräumen: die neue Norm DIN EN 17037

Mit der DIN EN 17037 ist erstmals eine ­europäische Norm zum Tageslicht in Innenräumen erschienen. Die Anforderungen werden höher und sind womöglich nur noch von Fachplanern zu bewältigen

Büro mit viel Tageslicht durch große Fenster
Ausreichendes Tageslicht in Aufenthaltsräumen, besonders in Büros, fördert das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit.

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Mehr Licht!“ im Deutschen Architektenblatt 02.2021 erschienen.

Von Roman Jakobiak

Ob die Helligkeit eines Innenraums bei Tage ausreicht, ob eine Sichtverbindung nach außen gegeben ist und ob die Besonnung den Empfehlungen entspricht, kann auf Grundlage der DIN 5034 „Tageslicht in Innenräumen“, Teil 1 „Allgemeine Anforderungen“, veröffentlicht im Juli 2011, beantwortet werden. Im März 2019 erschien nun die neue DIN EN 17037 „Tageslicht in Gebäuden“. Als europäische Norm verdrängt sie die nationale Normung aus den durch sie geregelten Sachverhalten. Wesentliche, den Stand der Technik markierende Inhalte der deutschen Normenreihe 5034 werden daher in Kürze zurückgezogen werden müssen. Tabelle 3 bietet eine Gegenüberstellung der Anforderungen beider Normen.

Die DIN EN 17037 legt Kriterien zur Beurteilung der Tageslichtversorgung, der Aussicht, der Besonnungsdauer und der Blendung in Räumen fest. Hierfür werden im Anhang Kennwerte festgelegt, die jeweils erfüllt sein müssen, damit die Empfehlungsstufen „Gering“, „Mittel“ oder „Hoch“ erreicht werden. Die Empfehlungsstufen für die Tageslichtversorgung orientieren sich dabei an einem in der Planung anzustrebenden Niveau, das abhängig von der Nutzung zu wählen ist. Damit unterscheidet sich diese Norm von der bisher in Deutschland geltenden DIN 5034, bei der Mindestanforderungen im Vordergrund standen.

Das bei der DIN 5034 besonders häufig überprüfte Kriterium der „Mindesthelligkeit“, das sich auf den aus psychischer Sicht erforderlichen Helligkeitseindruck eines Innenraumes bezieht, findet in der europäischen Norm keine direkte Entsprechung.

Zeichnung eines Beispielraumes nach DIN EN 17037 und Nachweisorten nach DIN 5034-1
Abbildung 1: Darstellung eines Beispielraumes mit Bezugsebene und Rasterpunkten nach DIN EN 17037 (oben) und Nachweisorten nach DIN 5034-1 (unten)

Tageslichtversorgung

Die Versorgung von Innenräumen mit Tageslicht dient dem Sehen und der Gesundheit. Während der Helligkeitseindruck die psychische Gesundheit beeinflusst, wirkt das über die Augen aufgenommene Licht auf die innere Uhr. Damit ein durch seitlich einfallendes Tageslicht beleuchteter Raum nach DIN EN 17037 in der Tageslichtversorgung die Empfehlungsstufe „Gering“ erreicht, müssen während der Hälfte der Tagstunden des Jahres (2.190 Stunden) auf 50 Prozent der Bezugsebene des Raumes (siehe Abbildung 1) eine Ziel-Beleuchtungsstärke (ET) von 300 Lux und auf 95 Prozent der Bezugsebene eine Mindestziel-Beleuchtungsstärke (ETM) von 100 Lux erreicht werden. Die Werte für die Empfehlungsstufen „Mittel“ und „Hoch“ enthält Tabelle 1.

Der Nachweis kann durch Verwenden der bewährten Kenngröße des Tageslichtquotienten oder eine Simulation der Beleuchtungsstärke geführt werden. Während veränderliche Himmelszustände und Sonnenschutzsysteme bei der Jahressimulation zu berücksichtigen sind, fallen sie bei dem Verfahren mit Tageslichtquotienten unter den Tisch. Beide Verfahren können somit zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Die Ermittlung der Kennwerte für die gesamte Bezugsfläche des Raumes ist in beiden Fällen nur mit Lichtsimulationsprogrammen praktikabel zu leisten. Aufgrund der geringen Anzahl der Bezugspunkte kamen für eine Bewertung nach DIN 5034 auch noch manuelle Ermittlungsverfahren in Betracht.

Tabelle Ziel-Beleuchtungsstärke und Ziel-Tageslichtquotient

Tabelle Empfehlungsniveaus für die Beurteilung der AussichtDie in einem Raum anzustrebende Empfehlungsstufe der Tageslichtversorgung sollte aufgrund der Nutzung ermittelt werden. Hinweise zur Wahl der anzuwendenden Empfehlungsstufe enthält die Norm jedoch nicht. Letztlich fehlt hier eine für die Anwendung erforderliche Information. Die Empfehlungsstufe „Gering“ könnte für einen Büroraum noch angemessen sein, während die Empfehlungsstufe „Mittel“ beispielsweise für einen Klassenraum infrage kommt.

Das durch die DIN EN 17037 empfohlene Tageslichtniveau liegt bereits in der Stufe „Gering“ deutlich über der Anforderung für einen ausreichenden, durch Tageslicht erzeugten Helligkeitseindruck nach DIN 5034. Auch solche Räume, die aus Sicht der Planer angemessen mit Tageslicht versorgt werden, erreichen die Empfehlungsstufe „Gering“ teilweise nicht. Die Entscheidung, sich nach der neuen Norm zu richten, dürfte daher im Verhältnis zu einer lediglich auf die „Mindesthelligkeit“ abzielenden Planung größere Fensterflächen zur Folge haben. Eine separate Überprüfung der Mindestanforderung der DIN 5034 an das aus psychischer Sicht in einem Aufenthaltsraum erforderliche Tageslichtniveau, der sogenannten „Mindesthelligkeit“, ist bei Erreichen einer Empfehlungsstufe nach der europäischen Norm nicht mehr erforderlich.

Die in einem Raum anzustrebende Empfehlungsstufe der Tageslichtversorgung sollte aufgrund der Nutzung ermittelt werden. Hinweise zur Wahl der anzuwendenden Empfehlungsstufe enthält die Norm jedoch nicht. Letztlich fehlt hier eine für die Anwendung erforderliche Information. Die Empfehlungsstufe „Gering“ könnte für einen Büroraum noch angemessen sein, während die Empfehlungsstufe „Mittel“ beispielsweise für einen Klassenraum infrage kommt.

Größere Fensterflächen bringen die Gefahr der sommerlichen Überhitzung mit sich. Um in der Planung funktionsfähige Lösungen ausarbeiten zu können, werden in Zukunft vermehrt Simulationen sowohl zur Tageslichtversorgung als auch zum sommerlichen thermischen Gebäudeverhalten erforderlich werden. Die Tageslichtnutzung wird hierdurch verstärkt zu einem Fachingenieurthema.

Tabelle DIN 5034-1:2011-7 und DIN EN 17037-2019-3

Beurteilung der Aussicht

Die Beurteilung der Aussicht erfolgt nach DIN EN 17037 für den Bereich eines Raumes, in dem sich die Nutzer aufhalten. Zu ermitteln sind die Breite der Aussicht, die Außensichtweite und die Anzahl der sichtbaren Ebenen. Zur Erläuterung dieser Begriffe siehe Infokasten unten; Tabelle 2 zeigt die für die verschiedenen Empfehlungsstufen zu erreichenden Kennwerte.

Nach DIN 5034 wird die „Sichtverbindung nach außen“ als Eigenschaft des Raumes behandelt. Dieser Ansatz entspricht der Forderung der Arbeitsstättenverordnung, wonach Arbeitsräume eine Sichtverbindung nach außen haben müssen. Dagegen wird die „Aussicht“ nach DIN EN 17037 für einen Bereich innerhalb des Raumes beurteilt. Um das Vorhandensein einer „Aussicht“ für den Raum als Ganzes feststellen zu können, müsste die „Aussicht“ auf der gesamten Grundfläche des Raumes gegeben sein.

Doch auch in diesem Fall wäre eine Eignung von DIN EN 17037 zur Feststellung des Vorhandenseins einer Sichtverbindung nach außen im Sinne der Arbeitsstättenverordnung fraglich. Das liegt daran, dass die Bewertung der „Aussicht“ nach DIN EN 17037 aus Präferenzstudien abgeleitet wurde und die Bedeutung der Sichtverbindung für die psychische Gesundheit der Nutzer in dem Beurteilungsverfahren nicht speziell berücksichtigt wird (Hellinga Hester; Daylight and View; The Influence of Windows on the Visual Quality of Indoor Spaces; Delft; 2013).

Da für die Festlegung des „genutzten Bereichs“ keine Regeln bestehen und auch nicht festgelegt ist, in welchem Betriebszustand sich Sonnen- und Blendschutzeinrichtungen bei der Bewertung der „Aussicht“ befinden sollen, ist eine einheitliche Anwendung der Norm nicht sichergestellt.

Büro mit viel Tageslicht durch große Fenster
Große Fenster sind gerade in Büros wichtig.

Besonnungsdauer

Direktes Sonnenlicht erzeugt Beleuchtungsstärken, die um ein Vielfaches über dem in Innenräumen Üblichen liegen. Für biologische Lichtwirkungen sind solch hohe Beleuchtungsstärken bedeutsam, sie tragen zum Wohlbefinden bei. Empfohlen wird eine Mindestbesonnungsdauer beispielsweise für Wohnräume.

Mit 1,5 Stunden ist die in der Empfehlungsstufe „Gering“ von DIN EN 17037 am Stichtag geforderte mögliche Besonnungsdauer weit kürzer als die von DIN 5034 für die Tag-und-Nachtgleiche empfohlene mögliche Besonnungsdauer von vier Stunden, jedoch unterscheiden sich die Randbedingungen erheblich (Tabelle 3 und 4). So führt die Lage des Nachweisortes auf der Innenseite der Wand dazu, dass der horizontale Akzeptanzwinkel durch die Fensterlaibung eingeschränkt wird, und der Mindest-Sonnenhöhenwinkel von elf Grad schränkt den anrechenbaren Zeitraum weiter ein. Trotz dieser Unterschiede ist die Herangehensweise von DIN 5034 und DIN EN 17037 bei der Besonnung ähnlich.

Tabelle Besonnungsdauer in Empfehlungsstufen

Schutz vor Blendung

Beim Blendschutz geht es darum, eine Belästigung durch zu hohe Leuchtdichten im Gesichtsfeld zu vermeiden. Blendung wird nach DIN EN 17037 mit der Tageslichtblendungswahrscheinlichkeit (DGP) beurteilt (Tabelle 5). In einer Jahressimulation wird die Zeit, in der DGP-Grenzwerte überschritten werden, bestimmt. Das Verfahren ist geeignet, um die Blendung für Tätigkeiten wie Lesen und Schreiben in Fassadennähe zu beurteilen. Für eine Reihe von Standardfällen hält die Norm ein Verfahren bereit, mit dem die Einhaltung der Empfehlungen auch ohne Jahressimulation geprüft werden kann. Vor dem Erscheinen der DIN EN 17037 war die DGP in der Planungspraxis weitestgehend unbekannt. Nur wenige Spezialisten sind in der Lage, die DGP mit einer Jahressimulation zu bestimmen. DIN 5034 beschränkte sich beim Thema Blendung auf qualitative Aussagen.

Tabelle Schwellenwert des DGP-Index

Insgesamt steht DIN EN 17037 für eine Verwissenschaftlichung der Normung. In den Themen Tageslichtversorgung, Aussicht und Schutz vor Blendung wurden Bewertungskriterien genormt, die auf Forschungsarbeiten zurückgeführt werden können, sich vor Erscheinen der Norm in der Planungspraxis Europas jedoch noch nicht bewährt hatten. Während sich die Anforderungen von DIN 5034 auf statische Nachweisgrößen beziehen, werden im Zusammenhang mit der DIN EN 17037 vermehrt dynamische Simulationen notwendig. Dann ist es nur noch ein kleiner Schritt, Fassaden, Tageslicht und künstliche Beleuchtung in einem gemeinsamen Modell zu betrachten.

Roman Jakobiak ist Architekt und Prüfsachverständiger für energetische Gebäudeplanung. Mit seinem Büro daylighting.de ist er spezialisiert auf die Tageslichtnutzung in Gebäuden.


Begriffsdefinition

Breite der Aussicht: Horizontaler Sichtwinkel, unter dem vom Nachweisort aus ein Blick durch transparent verglaste Bauteile einer Fassade aus dem Raum heraus möglich ist.

Außensichtweite: Abstand zwischen der Wandinnen­­seite der Fensteröffnung und größeren ­Verbauungen im Außenraum.

Anzahl der sichtbaren Ebenen: Als „Ebenen“ werden der Boden, die Landschaft und der Himmel bezeichnet. Dabei schließt die „Landschaft“ Gebäude, Natur und Horizont ein. Zu ermitteln ist die Anzahl der Ebenen, die aus mindestens 75 Prozent des genutzten Bereichs durch eine Fassade sichtbar ist.


Cover Leitfaden Tageslicht in Gebäuden DIN EN 17037<<< Jump Mark: leitfaden >>>
Ausführlichere Erläuterungen gibt der Leitfaden zu DIN EN 17037 Tageslicht in Gebäuden.

Einen Vortrag des Autors zu den Inhalten der Norm finden Sie als Video und als PDF auf der Website der Architektenkammer Baden-Württemberg (viertes Video).

 

Weitere Artikel zu:

2 Gedanken zu „Tageslicht in Innenräumen: die neue Norm DIN EN 17037

  1. Wider den Regulierungswahn

    Der Mensch ist von Natur aus eigentlich relativ flexibel und anpassungsfähig.

    Somit habe ich bisher bei Dunkelheit einfach das Licht angemacht, bei Helligkeit aus, bei Sonnenschein die Jalousie runtergelassen (was bei Bildschirmarbeit meist der Dauerzustand ist) und bin damit auch ganz gut zurecht gekommen. Auch mit der Tatsache, dass ich zwar Aussicht habe, vorschriftsmäßig mit Boden – „Landschaft“ – Himmel – Anteil, mir diese aber, da auf eine innerstädtische Hauptstraße führend, nicht besonders gut gefällt.

    Die Aussicht jedoch, zukünftig neben all den anderen bereits bestehenden Normen und Regelwerken, welche ohnehin kaum noch jemand vollständig überblickt und teilweise auch nicht mehr versteht, nun auch noch dieses Regelwerk in den Planungsprozess integrieren zu dürfen, belastet mein persönliches „psychisches Wohlbefinden“ als Planer erheblich mehr, als ab und zu ein paar Lux zu wenig abzubekommen.

    Bisher bestehende und oftmals recht auskömmliche Regelwerke immer stärker zu spezifizieren und zu erweitern, wird in Kürze zwangsläufig dazu führen, dass gar nichts mehr geht. Sei es, weil sich viele Anforderungen nicht mehr widerspruchslos miteinander vereinbaren lassen, sei es, weil viele Bauherren nicht mehr Willens sind, immer mehr Fachplaner und Sachverständige zu bezahlen bzw. sie es sich teilweise auch nicht mehr leisten können.

    Wer zu viel will, bekommt am Ende gar nichts mehr oder das Gegenteil von dem, was er sich erhofft hat.

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