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Historische Eisengießerei St. Antony in Oberhausen: Blick auf die Grundmauern des Kessel- und Gießhauses und der Dampfgebläsemaschine. Foto: Ahlbrecht Felix Scheid Kasprusch © Deimel+Wittmar

[ Industriebau ]

Neuer Stahl für altes Eisen

Die Reste eines historischen Industriebaus im Ruhrgebiet sind ausgegraben und mit einem Dach versehen worden, das einen innovativen Umgang mit Metall zeigt

Text: Ulrike Meywald

Historische Eisengießerei St. Antony in Oberhausen: Blick auf die Grundmauern des Kessel- und Gießhauses und der Dampfgebläsemaschine. Foto: Ahlbrecht Felix Scheid Kasprusch © Deimel+Wittmar

Als die Eisengießerei St. Antony in Oberhausen 1877 stillgelegt wurde, riss man die meisten Gebäude ab. Heute sind die Grundmauern und Fundamente durch eine Ausgrabung wieder freigelegt worden und erzählen von der Geschichte der ersten Eisengießerei des Ruhrgebiets. Nun weiß jeder, der schon mal eine Grube gegraben hat, dass diese von oben und von den Seiten vor der Witterung geschützt werden muss, soll sie nicht gleich wieder einstürzen. Den Wettbewerb zur Überdachung und Begehbarkeit der Ausgrabungsstätte gewannen 2008 die Architekten Ahlbrecht Felix Scheidt Kasprusch aus Essen in Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro SchülkeWiesmann aus Dortmund. Frank Kasprusch: „Die veranschlagten Baukosten waren recht knapp bemessen, sodass wir uns schnell auf die Form einer Schale verständigten, weil sich die Flächenlast hier am einfachsten ableiten lässt.“ Je weniger Masse statisch abgeleitet werden muss, desto weniger Material ist notwendig. Die etwa 1.000 Quadratmeter große Dachfläche setzt sich aus 323 Blechtafeln von fünf Millimetern Dicke zusammen, die sich schindelartig überlappen. Dass das Ingenieurbüro SchülkeWiesmann aus Dortmund aber eine derart geringe Materialdicke errechnete, überraschte auch die Architekten.

Durchdacht stabilisiert

Schwungvoll: Die Überdachung ist insgesamt sehr filigran gehalten, um den Blick auf die Austellung möglichst nicht zu verstellen. Rendering: Schuelke Wiesmann

Jörg Wiesmann: „Möglich wurde dies mithilfe sogenannter parametrischer Geometriebeschreibungen, einer computergestützten Entwicklung der Form geometrischer Objekte.“ Das Ergebnis: Die Schindeln sind zur Versteifung an jeweils einer Längs- und Querseite um etwa 15 Zentimeter auf- beziehungsweise abgekantet. Entlang der Ränder im Bereich der Überlappungen der Kantungen sind die Schindeln miteinander verschraubt. Neben den Randverschraubungen sind Dichtbänder eingelegt, um gegen zurückdrückendes Niederschlagswasser abzudichten.

Innovative Dachschale: materialsparende Konstruktion aus verzinktem Stahl. Foto: Foto: Ahlbrecht Felix Scheid Kasprusch © Deimel+Wittmar

Knackpunkt bei der Berechnung war das Ausbeulen der einzelnen Schindeln, die sich unter Lasteinwirkung durchbiegen. Um dies zu vermeiden, wäre eine Materialstärke von zwölf Millimetern notwendig gewesen. Außerdem ist nach Meinung vieler Tragwerksplaner beim Vorliegen von Beulen überhaupt keine Lastabtragung mehr möglich. Da bei diesen Schindeln die Belastung jedoch auf den durch die Aufkantungen versteiften Außenkanten liegt, konnten die Ausbeulungen hingenommen werden. Durch die Verbindung der einzelnen versteiften Schindeln untereinander entstand ein Stahldach, das sich selbst trägt.

Der Wettbewerbsentwurf sah die Ausführung in Edelstahl vor, was sich aber als zu teuer herausstellte. Deshalb suchten die Architekten nach einer adäquaten Alternative. Gewählt wurde verzinkter Stahl, da er nicht nur den bautechnischen Anforderungen entsprach, sondern vor allem im finanziellen Rahmen lag.

Die besondere Art der Dachkonstruktion erforderte es, die Wasserführung zur Ableitung von Regen exakt zu planen und auszuführen. Dazu wurden die Stahlbleche an den Außenkanten des Daches höhergezogen und fungieren so als Rinnen, die das Wasser zu den vier Auflagepunkten des Daches leiten. Von dort wird die Regenentwässerung durch die Fundamente geleitet, damit keine zusätzlichen Regenrinnen und Fallrohre das klare Erscheinungsbild der Dachkonstruktion stören.

Auf das Wesentliche reduziert

Translationsnetz: Die doppelt gekrümmte Dachkonstruktion wurde computergestützt berechnet. Darstellung: Schuelke Wiesmann

Das Projekt wurde im letzten Jahr mit dem Deutschen Stahlbaupreis ausgezeichnet. Diesen erhielten die Büros neben der Konstruktion auch für die Erlebbarkeit der Ausgrabungsstätte. Frank Kasprusch: „Wir haben eine Stegführung geplant, bei der man durch die Position der Infostelen immer wieder dazu gezwungen ist, sich umzudrehen und so die Grabung aus unterschiedlichsten Perspektiven erlebt. Von oben hat man einen direkten Blick auf die Grundmauern des Kessel- und Gießhauses und der Dampfgebläsemaschine der alten Eisengießerei. Der Steg ist als Stahlbetonkonstruktion ausgeführt. Die Stahlgeländer sind sehr filigran gehalten, um den Blick auf die Ausgrabung möglichst nicht zu verstellen. Auch die Stelen sind aus Stahl und beinhalten die einzigen Lichtquellen zur indirekten Beleuchtung des Daches. Besonders schön sieht das in der Dämmerung aus. Dann hat die beleuchtete Schale über der Ausgrabung etwas Beschützendes. Das war auch schon Thema bei der Entwurfsfindung. Wir hatten im Kopf ein Bild von einer Zeltüberdachung bei einer ägyptischen Ausgrabung, bei der der Wind den Stoff nach oben wölbt.“ Die direkte Umgebung gestalteten die Landschaftsarchitekten vom Büro wbp aus Bochum. Sie gaben der Ausgrabung ein neutrales Umfeld, das deren Gestaltung verstärkt.

Dipl.-Ing. (FH) Architektur Ulrike Meywald ist freie Baufachjournalistin in Münster

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