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Gründerzeit im neuen Glanz

[ Spezialisten ]

Themen-Arbeit

Auf dem schwierigen Markt für Architekten haben Spezialisten meist die Nase vorn, weil sie bei ihrem Thema mehr bieten als andere.

Spezialisierung im Trend: Bauaufgabenprofis

Fred Wagner

Erfolgsrezepte. Warum sind manche Unternehmen erfolgreicher als andere? Ganze Heerscharen von Beratern, Wirtschaftsexperten und Autoren haben versucht, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Auch Hermann Simon, Wirtschaftsprofessor und anerkannter Unternehmensstratege aus Bonn, hat darüber nachgedacht. In seinem Weltbestseller „Hidden Champions“ („Die heimlichen Gewinner“) suchte er die Gemeinsamkeiten erfolgreicher Unternehmen und untersuchte dafür viele kleine Firmen. Das Ergebnis: Alle Unternehmen hatten sich spezialisiert! Sie haben ein Alleinstellungsmerkmal im Markt – im Slang der Marketingexperten, eine USP (Unique Selling Proposition).

Hätte sich Simon für erfolgreiche Architekturbüros interessiert, wäre er sicher zum gleichen Ergebnis gekommen: Der erfolgreiche Architekt ist ein Spezialist. Nur so bekommt er ein eigenes Gesicht, wird in der Masse wahrgenommen und kann sich von anderen abheben. Auch die technische Entwicklung drängt ihn dazu. Die konstruktiven Anforderungen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Immer mehr Gesetze und Verordnungen regeln, wie zu bauen ist. Sie legen den Wärme- und Kälteschutz fest, die Energietechnik und die Akustik, den Sicherheits- und Gesundheitsschutz.

Ein einziger Architekt

kann längst nicht mehr als allwissender Baumeister die Vielzahl dieser Aufgaben übernehmen. Für die einen ist das eine Not, weil es ihrem Selbstverständnis als Bauentwerfer und -gestalter entgegensteht. Sie sehen die neuen Aufgabenfelder als Behinderung ihrer klassischen Architektenarbeit. Andere begreifen sie als Chance – und spezialisieren sich.

Zusatzausbildung gefragt: Der Architekt muss mit seiner einzigartigen Erfahrung und dem Wissen punkten

Nahezu jedes größere Architekturbüro erbringt bereits Leistungen, die außerhalb der Leistungsbilder der HOAI liegen. Kein Großer setzt dort allerdings den Schwerpunkt. Ganz anders sieht es bei den kleinen Büros aus: Jedes fünfte Ein-Personen-Büro hat sich bereits auf eine Leistung außerhalb der HOAI spezialisiert.

Vor allem die Sachverständigentätigkeit ist als einziges oder zusätzliches Standbein stark verbreitet. Hier gibt es zahlreiche Weiterbildungsangebote bei den Architektenkammern der Länder, bei Verbänden, Hochschulen und kommerziellen Agenturen, aber auch von Architekten. Sie alle vermitteln Know­how – vom Abendseminar bis zum postgraduellen Masterstudiengang.

Mit einer Zusatzausbildung

allein ist es jedoch nicht getan. Der Architekt muss mit seinem besonderen Wissen und seiner einzigartigen Erfahrung auch wuchern. Thomas Welter, Referent für Wirtschaft und Gesellschaft bei der Bundesarchitektenkammer in Berlin: „Das Wichtigste ist, dass man mit seinem speziellen Thema an die Öffentlichkeit geht und sich damit profiliert.“ Dabei müsse es zunächst gar nicht vordergründig um Architektur gehen, meint Welter. „Wer beispielsweise über Energieeinsparung spricht und die finanziellen Vorteile erläutert, kann viel eher das Interesse von potenziellen Bauherren wecken, als wenn er über moderne Fassadengestaltung referiert.“ Komme dann beim Gesprächspartner die Erkenntnis, „ich möchte auch einsparen“, stehe der Architekt mit dem entsprechenden Spezialwissen für die Planung und Aus­führung bereit.

Nachfrage erzeugen

Man muss sich den Markt also erst einmal schaffen. Mit den klassischen Leistungsbildern der HOAI passiert das nicht. Viele Büros warten darauf, dass jemand einen Wettbewerb auslobt. Das heißt, sie warten darauf, dass jemand anders entscheidet, dass er etwas Neues haben will. Viel effektiver ist es, selber Nachfrage zu schaffen. Dabei hilft ein Thema, ein Alleinstellungsmerkmal, das in den Markt getragen wird. Beispiel: Bauen mit Baugruppen. Viele Mitglieder von Baugruppen wären Bauträger-Kunde geworden oder Mieter geblieben, wenn ihnen nicht ein Architekt gesagt hätte, dass sie sich zusammenschließen und selber bauen können. In diesem Fall hat der Architekt durch Initiative und ­Spezialwissen überhaupt erst Nachfrage nach seinen Leistungen geschaffen. Er selbst ist dabei zunächst gar nicht als Architekt aufgetreten, sondern als Berater. Er hat den Kauf- beziehungsweise Bauwilligen in allen Einzelheiten die Vorteile der Gründung sowie der Finanzierung einer Baugruppe erklärt. Verfügt er nicht über das notwendige Detailwissen, kann er sich auch mit einem Juristen oder Notar verbünden. Wichtig bei alldem ist, dass er im Markt als Experte für das Bauen mit Baugruppen wahrgenommen wird.

Ein weiteres Beispiel

ist die Idee von Jens Ritter, der in Berlin ein kleines Büro für Architektur und Design leitet. Ritter dachte darüber nach, wie man in einer hoch verdichteten Stadt noch Einfamilienhäuser bauen kann. Die Lösung heißt für ihn: Dachgeschoss­aufbauten. Ritter setzt individuell gestaltete Penthäuser auf die Dächer und erfüllt damit Bauherren in der Stadt den Traum vom Eigenheim. Ritter: „Es gibt kaum ein schöneres Wohnen, weil man Luft, Licht und Weitblick genießen kann.

Auch für den Unternehmensberater Peter Sawtschenko, Experte für Positionierungs- und Marktnischenstrategien ist die Spezialisierung die Königsdisziplin. Dabei unterscheidet er mehrere Kriterien: die Spezialisierung auf Wissen, auf Zielgruppen, auf Problemlösungen, die soziale oder technische Spezialisierung und die Produktspezialisierung. Im Wesentlichen trifft diese Einteilung auch auf Architekten beziehungsweise Architekturbüros zu.

Die klassische – und mit Abstand auch älteste – Spezialisierung ist die auf ein bestimmtes Produkt- beziehungsweise Bauthema. Weltweit bekannte Architekten und Büros haben sich so einen Namen gemacht. So stehen Gerkan, Marg und Partner für Flughafenarchitektur, Gehry für spektakuläre Museumsbauten oder Sauerbruch Hutton für ökologische Baukunst. ­Weitere Spezialisierungsformen unter Architekten sind die auf eine bestimmte Technik oder – wie bereits ange­sprochen – auf neue Aufgabengebiete außerhalb der Honorarordnung.

Die Bauaufgaben-Profis

Innenarchitekt für historische Gebäude. „Als Innenarchitekt führt man einen schweren Kampf, da ist es sehr wichtig, sich zu spezialisieren“, sagt Susanne Leson, die zusammen mit ihrem Mann ein Büro mit fünf Mitarbeitern in Frankfurt am Main führt. Ihre Spezialität sind historische Verwaltungsgebäude. „Vor sechs Jahren sind wir auf dieses Thema gestoßen und sind bis heute fasziniert“, sagt Leson.

Warum? „Weil jedes Gebäude seine eigene Geschichte erzählt und dadurch die Projekte spannend macht.“ Um dieser Geschichte auf die Spur zu kommen, müssen sich die Mitarbeiter des Büros oft in die Entstehungszeit zurückversetzen. So haben sie beim Gebäude der Nordea Bank – ein abgeschlossenes Projekt aus dem vergangenen Jahr – über die Recherche der Vorbesitzer und Nutzer viel über die ursprüngliche Nutzung herausgefunden und konnten so bestimmte

Eigenheiten, wie die besondere Wandmalerei oder die Aufteilung der Räume, in Erfahrung bringen. „Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, jedes Projekt individuell zu betrachten, um dem Charakter des Gebäudes und den Wünschen des Bauherrn gerecht zu werden.“

Leson: „In den 80er-Jahren wurde viel vernichtet, was erhaltenswert ist. Heute will man das Bestehende so gut es geht bewahren und mit dem Zeitgeist verbinden.“ Aus diesem Grund ist sie überzeugt, dass die Innenarchitektur von historischen Gebäuden auch wirtschaftlich eine Zukunft hat. Bereits jetzt machen diese Arbeiten rund die Hälfte der Aufträge aus. „Unsere Spezialisierung spricht sich natürlich herum“, freut sich die Innenarchitektin. Im Moment arbeitet das Büro an einem historischen Geschäftshaus im Frankfurter Bahnhofsviertel, bei dem unter anderem alte Decken freizulegen sind.

Häufige Merkmale:

  • Spezialisierung auf eine Bauaufgabe wie Schulen, ­Ladenbau, Krankenhäuser oder Dachausbau
  • meist Arbeit in allen Leistungsphasen der HOAI
  • Spezialwissen auf dem Gebiet
  • häufige Kooperationen mit anderen Dienstleistern undErfahrungsträgern, um das eigene Leistungsspektrum zu vergrößern und die Kompetenz zu vertiefen

Die Technik-Spezialisten

Profi für Membranbau. Die Leidenschaft von Wolfgang Warisch ist der Membranbau, der durch spektakuläre Neubauten in der letzten Zeit von sich reden macht. Planungs- und Architekturbüros, die auf diesem Gebiet arbeiten, haben derzeit Arbeit ohne Ende. „In der klassischen Bauweise gibt der Architekt meist seine Ideen vor und der Statiker be­rechnet danach irgendwie das Tragwerk“, sagt Warisch. Im Membranbau sei das ganz anders. Form und Kraftfluss verschmelzen zu einer Einheit. Was dabei herauskommt, sind leichte, geschwungene Formen, die den Chef des kleinen Planungsbüros in Bobingen bei Augsburg faszinieren.

Zusammen mit einem Teilzeitmitarbeiter und projektbezogenen freien Mitarbeitern hat sich sein Büro auf das Thema Membran- und Schalentechnologie spezialisiert und einen Namen gemacht. Die realisierten Projekte reichen vom Sonnenschutz für Kindereinrichtungen über Akustiksegel und Carports bis zum raumübergreifenden Schutz für Showplätze im Autofachhandel oder Überdachungen für Achterbahnen. Warisch, der bereits vor zehn Jahren zum Membranbau gestoßen ist und zusammen mit Professor Robert Off das Institut für Membran- und Schalentechnologien e.V. (IMS) in Dessau leitet, besitzt als Experte einen Entwicklungsvorsprung, der ihm zahlreiche Aufträge verschafft. Warisch: „Da es sehr wenige Wettbewerber gibt, steigt man sofort in eine Nische ein und bekommt sehr schnell einen Expertenstatus.“

Häufige Merkmale:

  • die Technik- und Technologieprofis unter den ­Architekten
  • Architekturdienstleistung, die sich gebäudeübergreifend anwenden lässt
  • Problemexperten mit Lösungen für spezielle Aufgaben
  • Detailkenntnis der Bauherrenwünsche zu einem Thema
  • spezielles Know-how, stets aktueller Wissensstand
  • häufig auch in Netzwerke außerhalb der ­klassischen Architekturthemen eingebunden

Die Themen-Finder

Freiflächen-Manager. Daniela Grosser-Seeger, Landschaftsarchitektin und Stadtplanerin aus Nürnberg, hat sich auf das Facility-Freiflächen-Management spezialisiert. Vor einigen Jahren nahm ihr zwölfköpfiges Architektenbüro die desolaten Freiflächen einer großen Wohnungsbaugesellschaft unter ihre Obhut. Als Planerin war sie es bis dahin gewohnt, Neues zu entwerfen und sich nach dem Abschluss der Bauarbeiten nicht mehr um die Pflege zu kümmern. „Und nun das“, sagt die Landschaftsarchitektin Grosser-Seeger, „zehn bis 50 Jahre alte Freianlagen inklusive Baumbestand und keinerlei Pläne oder sonstige Unterlagen.“ In den folgenden Monaten erstellte das Nürnberger Büro mit Hilfe von GPS-Vermessung und einem IT-Spezialisten eine komplette Masterplanung auf Basis einer flexiblen, leistungsfähigen WebGIS-Lösung (Geodatenserver auf Open-Source-Basis). Diese dient zur Verwaltung der Daten und des Baumkatasters sowie der Organisation der Abrechnung, Ausschreibung und Überwachung der Pflegeleistungen. Grosser-Seeger: „Unsere Pflanzpläne für den Um- und Neubau haben wir seitdem mehrmals modifiziert, sie um Pflege- und Entwicklungspläne und um eine vorausschauende Kostenkalkulation ­ergänzt.“ Als das Büro das Potenzial dieser Arbeit erkannte, gab es ihr den Namen Freiflächen-Management. Die Spezialisierung ist inzwischen zu einem wichtigen Ge­schäftszweig geworden und hat sogar zu Neueinstellungen geführt. Mittlerweile gehören nicht nur Wohnungsbaugesellschaften zu den Kunden und profitieren vom Know-how, sondern auch Kommunen, die auf diese Weise ihre Frei- und Verkehrs­grünflächen verwalten und ihr Baumkataster führen. „Am Freiflächen-Management kommt heute niemand mehr vorbei“, erklärt Grosser-Seeger. „Heute hat unser Büro die gleichen oder bessere Erfahrungen auf diesem Gebiet als alle Referenten, die ich zu diesem Thema gelesen oder gehört habe.“

Häufige Merkmale:

  • zielgruppenorientierte Leistungsangebote außerhalb der HOAI
  • Arbeit in neuen Berufsfeldern – teils selbst erfunden
  • oft Sachverständige, Facility Manager, Projektsteuerer, Baukoordinatoren, Energieberater oder Software­experten
  • als Problemspezialisten auf ein Bedürfnis oder einen Wunsch konzentriert, der mit einer Dienstleistung befriedigt werden kann – zum Beispiel Energie ­einsparen, Bauleistungen koordinieren

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