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Zurück Nachwuchs-Kolumne #275

Lehre, Jury, Baustelle: Wer entwirft, muss bauen – wer bewertet, auch

Als Architekt in drei verschiedenen Rollen: Mitglied einer Jury, Lehrbeauftragter und Büroinhaber auf der Baustelle. Das eröffnet neue Perspektiven.

Von: Fabian P. Dahinten
Fabian P. Dahinten schreibt über den Einstieg ins Berufsleben, über...

15.10.20253 Min. Kommentar schreiben
Ein Mann steht vor eine Tafel, auf der viele leuchtende Glühbirnen abgebildet sind

Lehre, Jury, Baustelle: Wer die einzelnen Facetten der Architektur kennenlernt, lernt Neues über den Beruf.
Vadym/stock.adobe.com

Zwei Wettbewerbsjurys, ein Entwurfsstudio an der Hochschule – und mein eigenes Großprojekt, das gerade vom Plan in die Realität kippt: 150 Leute auf der Baustelle, Bauleitung im Halbstundentakt, Entscheidungen zwischen Tür und Rohbau. Ich agiere zurzeit in drei Rollen, die sich überlagern: als Mitglied einer Jury, Lehrbeauftragter und Büroinhaber auf der Baustelle.

Was mir gerade sehr deutlich wird: Diese Rollen gehören zusammen. Und sie verändern mein Verhalten in den jeweils beiden anderen. In der Jury sprechen wir viel über Haltung, über Konzept und Darstellung. Über Atmosphäre, Maßstab, Raumbildung. Aber irgendwann kommt sie immer: die berühmte Rückfrage. „Klingt spannend – aber: Wie soll das gehen?“ Und dann wird es leise im Raum. Oder hektisch. Oder es wird die nächste Tafel angeschaut, als sei das Thema damit erledigt.

Wo Verantwortung beginnt

Genau in solchen Momenten zeigt sich, wer nicht nur beurteilt, sondern auch Verantwortung trägt. Architekt:innen mit Baupraxis lesen anders. Sie sehen die Idee – und das Risiko. Sie spüren, wenn der Abstand von Vision zu Umsetzung zu groß wird. Oder wenn er genau richtig ist, um etwas Neues zu ermöglichen.

In der Lehre ist das ähnlich. Viele Entwürfe begeistern – bis man fragt: Wo ist die Erschließung? Wie dick ist die Decke? Was sagt das Bauamt zur Fensteröffnung? Deshalb bin ich überzeugt: Lehrende sollten bauen. Nicht, um Projekte zu entzaubern, sondern um die Studierenden auf Augenhöhe begleiten zu können. Mit der Ehrlichkeit, zu sagen: „Ja, spannend – aber wie geht’s weiter?“ Und mit dem Wissen, wie man es wirklich durchplant.

Die drei Blickwinkel: Lehre, Jury, Baustelle

Ich merke, wie mein eigenes Planen die Lehre verändert. Wie die Lehre meine Juryarbeit verändert. Und wie Juryerfahrung meine Arbeit im Büro verändert. Ich bin auch noch jung. Ich sehe Projekte vielleicht anders – mit mehr Offenheit, mehr Lust, etwas möglich zu machen. Ich nehme Ideen ernst, auch wenn sie unpraktisch sind. Und ich habe gelernt: Nicht alles, was auf der Baustelle nervt, muss deshalb schlecht sein.

Diese drei Blickwinkel – Lehre, Jury, Baustelle – helfen mir dabei, klarer zu sehen. Und gleichzeitig offener zu bleiben. Denn gute Architektur entsteht nicht aus einer Rolle heraus. Sondern im Wechsel zwischen verschiedenen Rollen.

Immer noch spannend?

Wir sollten aufhören, diese Bereiche so fein säuberlich zu trennen. Denn wer entwirft, ohne zu wissen, wie man baut, entwirft ins Leere. Wer lehrt, ohne Praxisbezug, bleibt abstrakt. Und wer bewertet, ohne Risikoerfahrung, vergibt Preise – aber keine Verantwortung.

Am Ende zählt nicht nur, ob ein Projekt spannend ist, sondern, ob es gebaut wird – und ob es dann immer noch spannend ist.


Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter-Wolf und Lorenz Hahnheiser.

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