Bei den nachwachsenden Rohstoffen steht Holz als Baumaterial unangefochten auf dem ersten Platz, woran sich auch so schnell nichts ändern wird. Zwar ist die Verwendung von Pflanzenbaustoffen, wie Schilf, Gras und Hanf durchaus bekannt, doch meistens kommen sie nur für Dämmungen oder für den Innenausbau zur Anwendung. Zumindest mit Strohballen kann aber auch schon konstruktiv gebaut werden.
Doch es könnte bald mehr Optionen geben: „Green Container“, ein Forschungsprojekt unter Professor Manfred Lux an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, stellt einen stabilen Werkstoff aus den Blättern der Typhapflanze (Typha latifolia, auch bekannt als Rohrkolben) her – wetterbeständig, hochdämmend und sogar tragfähig.
Forschungsprojekt Green Container
Das Projekt „Green Container“ wird in Zusammenarbeit mit Forschenden der Universität Greifswald durchgeführt. In einem einwöchigen Workshop stellten die Teilnehmenden einen Rahmen im Maßstab 1:1 aus Typha und Bindemittel her, von denen mehrere in einem Stecksystem konstruktiv zusammengefügt werden können. Am Ende des Projektes soll ein Prototyp für einen „Green Container“ entstehen, der zukünftig energieaufwändig produzierte Metallcontainer ersetzt. Doch wie genau stellt man den Faserwerkstoff her, wo kommen die Ressourcen her und wie nachhaltig ist diese Alternative?
Alleskönner Typhapflanze
Das Material, das die Studierenden für die Herstellung ihrer ersten Rahmen für die Green Container verwenden, sind neu geerntete Pflanzen von Versuchsanbauflächen aus Neukahlen in Mecklenburg-Vorpommern. Der Rohrkolben ist eine sehr anspruchslose Pflanze, die überall dort wachsen kann, wo es Feuchtgebiete, wie zum Beispiel Flüsse, Seen, Teiche und Moore gibt und einigermaßen gemäßigtes Klima herrscht.
Der Rohstoff ist also auch in Deutschland problemlos kultivierbar. Dass er so umweltfreundlich ist, fängt bei der Landschaftsökologie an. Manfred Lux erklärt, der Rohrkolben binde schon beim Wachstum Wasser und reinige es. Außerdem speichert er CO2, produziert Sauerstoff und wächst noch dazu drei Mal so schnell wie Holz.
Green Container: nachhaltig bis zum Bindemittel
Zur Herstellung des Faserverbundwerkstoffs werden die Blätter der Typhapflanze genutzt, da diese viel Schwammgewebe haben und somit eine hohe Dämmwirkung aufweisen. Sie werden der Länge nach zu etwa drei Millimeter breiten Streifen gespalten, anschließend mit Dextrin, einem Bindemittel aus Traubenzucker und Glycerin beleimt, in Schalung gegeben und gepresst.
Um besonders nachhaltig zu sein, war der Forschungsgruppe ein umweltverträgliches Bindemittel aus natürlichen Stoffen für ihren Green Container wichtig, sodass sie den organischen Klebstoff in einer Reihe aus Versuchen ermittelten. Der neue Baustoff, der gerade mal einem Viertel der Rohdichte von Fichtenholz aufweist, besticht mit seiner Stabilität und Leichtigkeit.
Tragwerk und Dämmung gleichzeitig
Bis der Pflanzenbaustoff zum breiten Einsatz kommt, muss er noch auf alle wissenschaftlichen Standards wie Festigkeiten und Brandverhalten geprüft werden. Nichtsdestotrotz erweist sich der nachhaltige Werkstoff, der Tragwerk und Dämmung in einer Ebene zugleich aufweist, schon jetzt als vielversprechend im Bereich des ressourcenschonenden Bauens.
Die fortwährende Entwicklung hat für das Forschungsteam genauso hohe Priorität wie die entsprechende Öffentlichkeitsarbeit, mit der man Menschen an die zeitgemäße und kreislaufgerechte Herstellung ganzer Räume und Gebäude aus Paludikulturen wie dem Rohrkolben heranführen möchte.
So wird der Container, der aus zwölf Rahmenmodulen besteht, als Teil einer Wanderausstellung in Nordrhein-Westfalen und vor allem in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin gezeigt. Und beim Green Container soll nicht Schluss sein: Tinyhouse, Einfamilienhaus, Massenunterkunft – mal sehen, wo die Reise mit kleinstem ökologischen Fußabdruck hingeht.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team im wöchentlichen Wechsel. Unsere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten, Luisa Richter und Lorenz Hahnheiser.
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