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Und was ist mit dem Mittelstand?

Gemeinsamer Vergabetag von Architektenkammer und Ingenieurkammer brachte Expertinnen und Experten aus Planung, Verwaltung und Recht zusammen.

LAK Niedersachsen
22.12.2025
Vergaberecht Berufspolitik Niedersachsen
Blick in einen voll besetzten Veranstaltungssaal mit Podium, Rednerpult und großer Präsentationsleinwand.
Dicht gefüllte Reihen beim Vergabetag in den Räumlichkeiten der IHK Hannover. Am Rednerpult: Moderatorin Christiane Kraatz, Vizepräsidentin AKNDS © Kai-Uwe Knoth

Die Reform des Vergaberechts soll öffentliche Auftragsvergaben einfacher, schneller und zeitgemäßer machen. Bürokratieabbau und Beschleunigung stehen dabei im Zentrum. Vorgaben werden verschlankt, Nachweispflichten reduziert, um Planungs- und Bauprojekte zügiger starten zu können.  

Auch die Digitalisierung wird vorangetrieben. Angebote und Verfahren sollen konsequent elektronisch abgewickelt werden. Digitale Plattformen und Nachprüfungsverfahren versprechen mehr Effizienz und Transparenz. Zudem legt die Novelle mehr Gewicht auf Nachhaltigkeit. Umweltaspekte und Lebenszykluskosten sollen bei öffentlichen Aufträgen stärker berücksichtigt werden. Ziel ist es, Investitionen, etwa in Infrastruktur und Klimaschutz, schneller umzusetzen, ohne dabei Qualität und gesellschaftliche Werte zu vernachlässigen. So weit die Theorie.  

Regionale Wertschöpfung gefährdet  

Berufsverbände aus Planung und Bau beobachten diese Entwicklung aufmerksam. Die Architektenkammer Niedersachsen begrüßt einerseits den Bürokratieabbau, sieht aber Risiken für den Mittelstand. Kritisch gesehen wird auch die Möglichkeit, häufiger Totalunternehmervergaben durchzuführen, also große Gesamtaufträge an Unternehmen zu vergeben, die Planung und Ausführung übernehmen. Diese Praxis könnte viele kleine und mittlere Architekturbüros ausschließen, betonte auch Maria Atitar, Vorsitzende des Wettbewerbs- und Vergabeausschusses der Architektenkammer Niedersachsen, auf dem Vergabetag 2025. Wenn Aufträge verstärkt an überregionale Konzerne vergeben werden, bleiben lokale Planer, Bauunternehmen und Handwerksbetriebe außen vor. Das schwächt nicht nur ihre Auftragslage, sondern auch regionale Wertschöpfung und Steuerkraft in den Kommunen.  

Gruppenfoto von Vertreterinnen und Vertretern der Architekten- und Ingenieurkammer Niedersachsen vor Roll-ups.
Die Akteure des Tages: v.l.n.r.: Maria Atitar, Vorsitzende des Ausschusses Wettbewerbs- und Vergabewesen, AKNDS; Andreas Rauterberg, Wettbewerbsreferent, AKNDS; Norbert Portz, Ehrenamtlicher Beisitzer der VK Bund und Leiter Vergabedezernat Deutscher Städte- und Gemeindebund a. D.; Christiane Kraatz, Vizepräsidentin, AKNDS; Samira Sinno, Abteilungsleiterin Portfoliomanagement beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes Nordrhein-Westfalen; Prof. Dr. Thomas Haug, Castringius Rechtsanwälte; Prof. Dr. Martin Betzler, Präsident, Ingenieurkammer Niedersachsen © Kai-Uwe Knoth

Es braucht praxistaugliche Vergabeverfahren  

Wie zukunftsweisend und umstritten die Vergabethematik ist, zeigte der Vergabetag 2025 in Hannover. Die Architektenkammer und Ingenieurkammer Niedersachsen hatten gemeinsam mit dem Niedersächsischen Städtetag, dem Niedersächsischen Städte- und Gemeindebund und dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Bauen eingeladen. Unter dem Titel „Brücken zwischen Vergabepraxis und Planungskompetenz“ diskutierten am 27. November in Hannover Expertinnen und Experten aus Planung, Verwaltung und Recht aktuelle Herausforderungen, von nachhaltiger Beschaffung über die frühe Projektphase bis hin zu Fragen der Einzel- und Gesamtvergabe oder des Urheberrechts.  

Moderiert von Kammer-Vizepräsidentin Christiane Kraatz wurde in Vorträgen und einer Paneldiskussion deutlich, dass rechtssichere und zugleich praxistaugliche Verfahren für öffentliche Auftraggeber an Bedeutung gewinnen. Gute Vergabekriterien sind ein zentraler Hebel für Bauqualität. Dazu zählen neben dem Preis auch Entwurfsgüte, Nachhaltigkeit und Referenzen.  

Niedersachsens Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne betonte in seiner Videobotschaft die Bedeutung der Reform für schnellere Bauvorhaben. Zugleich mahnte er, die Vergabepraxis müsse regelmäßig überprüft und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Der Vergabetag sende ein starkes Signal für Transparenz und Qualität – gut, dass man miteinander spreche.  

Auch aus der Praxis kamen klare Botschaften. Prof. Dr. Martin Betzler, Präsident der Ingenieurkammer Niedersachsen, unterstrich, dass nur fachlich angemessene Vergaben allen Beteiligten eine faire Chance geben, vom kleinen Büro bis zum Großunternehmen. Auftraggeber wie Auftragnehmer litten unter der bürokratischen Last bisheriger Verfahren. Reformen müssten daher mittelstandsfreundlich ausgestaltet sein.  

Dr. Fabio Ruske vom Niedersächsischen Städtetag wies darauf hin, dass Kommunen notwendige Investitionen kaum noch zügig umsetzen können. „Wir brauchen mehr Handlungsspielraum und nicht immer noch mehr Bürokratie“, so Ruske. Vertrauen und Flexibilität für kommunale Stellen seien entscheidend, um Bauprojekte voranzubringen.  

Im Zentrum des Vergabetags stand letztendlich die Frage, wie schneller gebaut werden kann, ohne an baukultureller Qualität zu verlieren. Die Sorge vor einer Dominanz von Totalunternehmern klang mehrfach an, besonders mit Blick auf mittelständische Planungsbüros.  

Der politische Wille zum Dialog ist also vorhanden. Wenn Bürokratieabbau, Digitalisierung und Qualitätssicherung zusammen gedacht werden, kann die Reform gelingen – zum Nutzen der öffentlichen Hand, der Planungskultur und der regionalen Wirtschaft.  

LAK Niedersachsen

Team Presse- und Öffentlichkeitsarbeit