
Mitte Februar habe ich mein zweites Masterprojekt abgeschlossen. Unsere Aufgabe war es, eine Uferkante direkt am Berliner Hauptbahnhof mit Verbindung in das Gelände der Charité umzugestalten. Im Vergleich zu anderen Projekten im Studium, ganz besonders die aus dem Bachelor, war dies eine ziemlich realistische Aufgabenstellung. Da ich neben dem Studium im Wettbewerbsteam eines Büros für Landschaftsarchitektur arbeite, kann ich ganz gut vergleichen, was in Wettbewerben und was an der Uni gefordert wird.
Gerade im Bachelor-Studium hatte ich an der TU Berlin oft das Gefühl, wir sollen aktiv gegen die Realität „da draußen“ entwerfen. Um uns dann bei der Abschlusspräsentation von Gästen anhören zu können: „Also so würde man das nicht bauen.“ Oder: „Das wäre mit der nötigen Pflege in Berlin auf keinen Fall umsetzbar.“ Oder: „Die Konstruktion wäre in der Realität viel zu kompliziert und zu teuer.“
Frustration über irrelevante Entwurfsaufgaben
Warum sollen wir also im Studium frisch gebaute Straßen wegplanen, Parkplätze und Hauptstraßen aus Wohngebieten entfernen, wo es keine andere Erschließung gibt oder komplett überdachte Gebiete entwerfen, auf denen keine einzige Pflanze wachsen könnte? Warum ist das Studium so sehr von der Realität entfernt? Oder liegt es speziell an der TU Berlin, die sich den Entwurf ganz besonders auf die Fahne geschrieben hat?
Manchmal ertappe ich mich dabei, den Sinn solcher Übungen im Studium zu hinterfragen. Vielleicht fördert es die Kreativität, Aufgaben zu lösen, die in keinem Wettbewerb gestellt würden. Aber im Gespräch mit anderen Studierenden höre ich eher Frustration: Wir würden an der Realität vorbeiplanen. Das, was wir an der Uni machen, sei eh komplett unwichtig, da es ja sowieso nie umgesetzt wird. Du arbeitest monatelang an einer Arbeit, die sich bei der Abschlusspräsentation zwar jemand anschaut und die auch beim Offenen Haus ausgestellt wird. Aber danach landet dein Werk trotzdem in einer verstaubten Rolle hinter dem Schrank.
Endlich Gastkritiker:innen aus Entscheidungspositionen
Vielleicht sollten wir die Kreativität im Studium nutzen, um ausgefallene Ideen für Orte zu sammeln und diese dann auch an Leute bringen, die in Entscheidungspositionen sitzen. So waren dieses Semester zwei Vertreter:innen vom Senat und jemand von der Charité eingeladen – auch wenn eine Person dann doch keine Zeit hatte und die anderen beiden früher gehen mussten. Trotzdem war es das erste Mal in meinem Studium, dass sich jemand in einer Entscheidungsposition unsere Entwürfe angeschaut hat und sich unsere Ideen zum Ort angehört hat. Ich glaube, es liegt viel mehr Potenzial in den Universitäten als wir aktuell nutzen.
Warum werden Studierende zum Beispiel nicht aktiv in die Gestaltung von Gartenschauen mit eingebunden? Wären das nicht Orte, an denen wir als Gesellschaft neue Ideen ausprobieren können? Oder sollten Studierende nicht aktiv durch temporäre Gestaltungen auf Orte hinweisen, über die dann diskutiert wird, um sie langfristig umzugestalten?
Vom Studium in die Realität
Ich würde mir wünschen, dass Universitäten dies aktiv fördern. Die Verantwortung einfach nur auf die Lehrenden zu legen ist an dieser Stelle ausdrücklich nicht gemeint, da diese bereits gut mit verschiedensten Aufgaben ausgelastet sind. Bestimmt werden an einigen Universitäten vereinzelt solche Ideen im Studium bereits umgesetzt. Dies liegt dann aber vermutlich an der Motivation einzelner Lehrenden.
Gerade eine Großstadt wie Berlin bietet zahlreiche unterschiedliche Orte, die eine qualitative Aufwertung nötig hätten. Aber während uns in der Uni die Decken auf den Kopf fallen, weil es politisch nicht notwendig erscheint, Gebäude instand zu halten, fehlt wohl auch der politische Wille zu einer notwendigen städtebaulichen und landschaftsarchitektonischen Umgestaltung der Stadt.
Luisa Richter absolvierte ihren Bachelor in der Landschaftsarchitektur an der Technischen Universität Berlin und studiert dort nun im Master weiter. Sie engagiert sich in der Bundesfachschaft Landschaft.
Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Fabian P. Dahinten, Johanna Lentzkow und Lorenz Hahnheiser.