Vor allem in den Metropolen gilt Nachverdichtung als ein Ansatz, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. So lassen sich etwa in vielen Innenhöfen neue Gebäude errichten. Doch solche Projekte bringen allerorts ähnliche Herausforderungen mit sich –und meist sind individuelle findige Lösungen gefragt. Möglich ist viel, doch am Ende entscheidet die Wirtschaftlichkeit.
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Kranaufstellung im Innenhof
Bei Massivbauten, oft auch bei Holzbauten ist ein Baukran erforderlich. In den seltensten Fällen kann der auf der Straße vor dem Vorderhaus aufgestellt werden. Voraussetzung ist daher meist eine ausreichend große Stellfläche für den Kranaufbau und Kranbetrieb im Hof. Sinnvoll sind zehn mal zehn Meter. Es gibt zwar auch Kranlösungen, die auf einer kleineren Fläche funktionieren, doch die sind deutlich teurer. Unter Umständen muss am Stellplatz eine stabile Schotterschicht ausgebracht und verdichtet werden.
Der Baukran kann in Einzelteilen über ein Vorderhaus oder einen Seitenflügel in den Hof gehoben und dort zusammengebaut werden. Dafür ist neben einer Überschwenkgenehmigung des Nachbarn meist eine Straßensperrung erforderlich. Je breiter die Straße, umso einfacher gestaltet sich diese. Bei mehrspurigen Straßen lassen sich unter Umständen Ausweichmöglichkeiten über die verbleibenden Spuren einrichten. Bei zwei Fahrbahnen, Einbahnstraßen oder hochfrequentierten innerstädtischen Achsen, die oft auch von Fahrradwegen begleitet sind, ist eine überlegenswerte Option, die Baustelle an einem Sonntag einzurichten. Dann wird der Verkehr deutlich weniger beeinträchtigt. Dadurch kann allerdings das Antragsverfahren aufwändiger werden und unvorhergesehene Nacharbeiten werden zum Engpass.
Zufahrt zur Baustelle im Innenhof
Die Größe von allen Fahrzeugen mit Ladung, die in den Hof gelangen müssen, wird zum einen durch die Maße der Hofdurchfahrt begrenzt. Die Folgen sind kleinteilige Anlieferungen und Abtransporte und die Verlängerung der Bauzeit. Zum anderen kann die Statik in der Durchfahrt ein Problem werden. Vielfach befindet sich darunter ein Kriechkeller. Dessen Deckenplatte lässt sich durch Betonunterzüge verstärken, die Wände können durch Betonsehnen ertüchtigt werden.
Eher ungewöhnlich wurde die Baustellenanlieferung jüngst bei einer Nachverdichtung in Paris organisiert. Auf einer bestehenden Tiefgarage entstand ein viergeschossiges Wohnhaus in Holzskelettbauweise. Die vorgefertigten Holzbauteile wurden durch die Tiefgarage transportiert und dann durch ein dafür in die Betondecke geschlagenes Loch nach oben befördert.
Stellplätze bei Nachverdichtung im Innenhof
Vielerorts müssen auch heute noch für Nachverdichtungen Stellplätze nachgewiesen oder mit hohen Summen von der Stadt abgelöst werden. Zugleich sind Stellplätze angesichts der beengten Parksituation in Innenstädten ein Verkaufsargument.
Im Hof wird die räumliche Qualität durch parkende Fahrzeuge deutlich gemindert. Oft stellt sich diese Frage allerdings nicht, da meist nicht ausreichend Platz für Stellplätze vorhanden ist oder diese zu viel Fläche versiegeln würden. Die Errichtung einer Tiefgarage ist zwar flächensuffizient, treibt jedoch die Kosten enorm in die Höhe und ist zudem mit Unwägbarkeiten verbunden (siehe unten). Eine Alternative kann sein, das Erdgeschoss des Neubaus im Hof als Erschließungsetage auszubilden und dort neben Stellplätzen auch die Haustechnik unterzubringen. Das hat zudem den Vorteil, dass das unterste Wohngeschoss höher liegt und damit besser vom Tageslicht erreicht wird.
Tragfähigkeit des Baugrundes bei Nachverdichtung
Der Baugrund kann schlimmstenfalls das gesamte Projekt gefährden. Stellt sich bei der Untersuchung des Grundstücks heraus, dass der Boden etwa durch eine frühere gewerbliche Nutzung kontaminiert ist, muss er abgetragen und teuer entsorgt werden.
Schwierig ist auch nicht tragfähiger Baugrund. Immer wieder stoßen Bauwillige in Hinterhöfen auf den Schutt eines im Krieg zerstörten Gebäudes. Ist eine Tiefgarage oder ein großzügiger Keller geplant, hält sich der zusätzliche Aufwand in Grenzen. Der Schutt wird mit dem Ausheben der Baugrube geräumt. Ist für den Neubau keine Unterkellerung vorgesehen, so muss der Boden ausgetauscht und ein neues Gründungspolster bis zur neuen Bodenplatte erstellt werden.
Eine Alternative kann die Gründung auf Mikropfählen sein. Diese Gründungs- und Verankerungselemente übertragen die Lasten nahezu ausschließlich über Mantelreibung ins Erdreich. Vorteilhaft ist auch, dass die Installation nur geringe Erschütterungen mit sich bringt und so das Schadensrisiko für die Nachbargebäude minimiert ist.
Absicherung der Nachbargebäude
Genau wie das Abtragen von kontaminiertem oder nicht tragfähigem Baugrund kann das Ausheben einer Baugrube zwecks Keller- oder Tiefgaragenbau die Stabilität der benachbarten Gebäude beeinträchtigen. Durch Unterfangung und andere Sicherungsmaßnahmen lässt sich die Senkung oder das Abrutschen von Gebäudeteilen verhindern. Um spätere Streitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt sich eine gründliche Dokumentation des Zustandes der Nachbargebäude vor Beginn der Baumaßnahme und nach deren Abschluss.
Zweiter Rettungsweg im Innenhof
In den allermeisten Hinterhöfen ist die Zufahrt zu klein für ein Feuerwehrfahrzeug, sodass eine Drehleiter als zweiter Rettungsweg wegfällt. Bei einer üblicherweise vierteiligen Steckleiter beträgt die maximale Anlegehöhe 8,0 Meter. Bei allen höheren Nachverdichtungen sind bauliche Lösungen gefragt. Eine gern gewählte, weil vergleichsweise einfache und zugleich ansprechende Möglichkeit ist, die Wohnungen durch Laubengänge mit zwei Treppenhäusern an den Kopfwänden zu erschließen (siehe Berliner Beispiel von STUDIO LOES am Anfang des Beitrags).
Alternativ lässt sich ein Treppenhaus als innenliegendes Sicherheitstreppenhaus ausbilden. Das kostet allerdings wertvolle bebaute Fläche und erfordert zudem entweder einen Firetower (natürlich entlüfteter Schacht) mit einem Querschnitt von mindestens fünf mal fünf Metern oder eine Lüftungsanlage mit Druckbelüftung (Spüllüftung). Diese Haustechnik schlägt leicht mit fünf- oder gar sechsstelligen Investitionskosten und Folgekosten für die Wartung zu Buche. Sie ist jedoch verzichtbar, wenn das Treppenhaus mit belüfteten, aus feuerfesten Materialien konstruierten Rettungsbalkonen kombiniert wird (siehe Leipziger Beispiel von Aline Hielscher Architektur). Sie dienen als Schleuse. Diese Konstruktionsweise bietet diverse Vorteile: Für die Wohneinheiten entsteht mehr Privatheit, weil der Zugang nicht direkt vom Treppenhaus erfolgt und zudem eine akustische Trennung vorhanden ist. Zugleich gliedern die Balkone die Fassade.
Bei manch einer Innenhofnachverdichtung empfiehlt sich der Blick auf die angrenzenden Gebäude. Sind beispielsweise die unteren Geschosse des Neubaus durch Steckleitern erreichbar, so kann der Rettungsweg für die darüber liegenden Geschosse unter Umständen über das Dachgeschoss des Nachbargebäudes führen, sofern dieses von dort einen zweiten Rettungsweg besitzt (so wie bei diesem Beispiel aus Hamburg). Erleichtern wird eine solche Lösung, wenn das Bestandsgebäude demselben Eigentümer gehört. Ansonsten muss mit dem Nachbarn eine entsprechende Einigung gefunden werden.
Abstände mit Staffelgeschossen
Im beengten Hinterhof zählt buchstäblich jeder Zentimeter. Dabei spielen die gesetzlichen Vorgaben zu Abstandsflächen eine maßgebliche Rolle. Sobald eine Abstandsfläche auf dem benachbarten Grundstück liegt, braucht es eine nachbarschaftsrechtliche Zustimmung. Der Nachbar nimmt dann eine Baulast entgegen, die ins Grundbuch eingetragen wird. Auf diese Bindung lässt sich niemand gerne ein.
Also gilt es, die Abstandsfläche möglichst auf dem eigenen Grundstück zu erfüllen. Die Formel „0,4 mal Höhe der Abstandsfläche werfenden Wand“ lässt sich ausreizen, indem man mit den Geschossen nach hinten springt. Staffelgeschosse sind zudem architektonisch reizvoll, weil die Rückstufungen Platz für Dachterrassen bieten. Die filigranere Kubatur des Neubaus beeinträchtigt das Raumgefühl im Hof weniger und der Lichteinfall in die unteren Geschosse der bestehenden und des neu errichteten Gebäudes wird optimiert.
Ausreichend Tageslicht auch im Innenhof
Bei der Gestaltung des Neubaus können Architekten neben Rücksprüngen in der Fassade durch weitere Maßnahmen dafür sorgen, dass viel Licht in die Wohnräume gelangt. Große Glasflächen oder bodentiefe Fenster bieten sich an. Ein haushoher Treppenraum wird zum Lichtkamin. Im Dachgeschoss sind Patios möglich.
Hindernisse für die Nachverdichtung im Baurecht
Vielerorts sind die aktuell gültigen Bebauungspläne nicht auf Nachverdichtung, sondern genau auf das Gegenteil, auf weniger Dichte und Funktionstrennung ausgelegt. Vorhaben wie Innenhofbebauungen sind dort nicht unmöglich, aber Einzelfallentscheidungen der Baubehörde mit einem entsprechend mühsamen Genehmigungsweg.
Die Behörde kann nach Ermessen über Abweichungen oder Befreiungen befinden. Der Preis dafür ist dann oft eine Kompensationsmaßnahme wie etwa die Entsiegelung des verbleibenden Hofs oder die Errichtung eines Gründachs oder einer PV-Anlage – was den Bau komplizierter und teurer macht. Hilfreich bei der Suche nach einer Einzelfalllösung sind Planungsvarianten.
Fazit: Aufwand und Kosten der Innenhofbebauung begrenzen Gestaltungsspielräume
Jede einzelne dieser spezifischen Einschränkungen ist eine Herausforderung für Architekten und Bauherren. Die Innenhofbebauung wird dabei nicht selten zum Rechenspiel: Wann wird der notwendige Aufwand so teuer, dass sich das ganze Projekt nicht mehr lohnt? Oder: Wie viele Abstriche bei der Gestaltung sind vertretbar? Nicht selten entstehen aber gerade angesichts der beschränkten räumlichen und rechtlichen Möglichkeiten besonders außergewöhnliche architektonische Lösungen, die auf einfacheren Grundstücken nicht nötig gewesen wären.
Die beiden Projektbeispiele aus Leipzig und Berlin, sowie ein weiteres aus Hamburg, beschreibt Eva Kafke in einem weiteren Artikel genauer.