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Garagenaufstockung: neuer Wohnraum ohne Platzverbrauch

Garagen aufstocken: eine unkomplizierte Art der Nachverdichtung im Kleinen, ohne Flächenfraß und massenhaft möglich – sollte man meinen. Aber das Baurecht spielte in Karlsruhe und Aalen erst nicht mit. Architekten und Bauherren haben es dennoch möglich gemacht und dabei sogar das zirkuläre Bauen erprobt.

Von: Heiko Haberle
Heiko Haberle ist Redakteur von der Kurzmeldung bis zum großen...

16.07.20255 Min. Kommentar schreiben
Wohnungen auf Garagen mit grauer Fassade zúdn gezacktem Dach

In einer Nachkriegssiedlung stockte die Karlsruher Wohnungsbaugesellschaft Volkswohnung drei Garagenanlagen auf.
Chiara Bellamoli für Volkswohnung GmbH

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Wohnen obenauf“ im Deutschen Architektenblatt 07.-08.2025 erschienen.

Garagenaufstockung in Karlsruhe: demontierbare Kleinwohnungen

Ideen gegen den Wohnungsmangel in Karlsruhe – das suchten 2017 die örtliche Galerie „Architekturschau­fenster“, das städtische Kultur- und Kreativwirtschaftsbüro und die Architektenkammer Baden-Württemberg in einem Wettbewerb. Architekt Falk Schneemanns siegreicher Vorschlag: Garagenzeilen in Nachkriegssiedlungen aufstocken.

Das zwar konkret durchgeplante Konzept blieb dennoch unverbindlich, bis sich die städtische Wohnungsbaugesellschaft Volkswohnung mit dem Wunsch nach einer Machbarkeitsstudie bei Falk Schneemann meldete.

Zeichnung einer Garagenaufstockung mit Grundriss

Bei den Aufstockungen in Karlsruhe liegen drei Einzimmerwohnungen und eine Dreizimmerwohnung an einer offenen Erschließung.
Falk Schneemann Architektur FSA BDA

Bebauungsplan erlaubt kein Wohnen im Wohngebiet

Zwei geeignete Standorte verwarf man wegen negativ beschiedener Bauvoranfragen wieder. Die dortigen Bebauungspläne aus den 1950ern enthielten ein „G“ für die Nutzung als Garage. Obwohl in einem Wohngebiet gelegen, hätten neue Wohnungen hier eine Nutzungsänderung und eine langwierige Änderung des Bebauungsplans bedeutet. Beim letzten untersuchten Standort im Rintheimer Feld fehlte das „G“ im Bebauungsplan von 1958. Falk Schneemann vermutet: „Vielleicht hängt das von der Sorgfalt des damaligen Sachbearbeiters ab.“ Wobei etwas weniger Sorgfalt es heute einfacher macht.

Baustelle einer Garagenaufstockung mit Holzwänden

Die Aufstockungen wurden aus vorgefertigten Holzrahmen zusammengesetzt und lassen sich genauso wieder demontieren.
Falk Schneemann Architektur FSA BDA

Zusätzliche Stahlstützen für mehr Tragfähigkeit

So wurden es also die dortigen drei Höfe mit jeweils neun über Eck angeordneten Garagen zwischen weit auseinander stehenden Zeilenbauten. Da die Garagenabteile keine Zwischenwände haben, waren neue Stahlstützen nötig, damit das Pultdach tragfähig genug für einen Stahlrost wurde.

Zwischen Dach und Stahlrost liegen die Leitungen, wobei die Aufstockungen von den Bestandsbauten mitversorgt werden. Auf dem Rost begann dann der Aufbau aus Holzrahmen, die inklusive Fenster, Sonnenschutz und Elektroinstallation als Wandscheiben vorgefertigt wurden. Die Badezimmer sind fertige Raumzellen inklusive Installationen.

Modulares Fertigbad am Kran auf einer Baustelle

Die Fertigbäder liegen in den niedrigen Bereichen der Dachlandschaft
Falk Schneemann Architektur FSA BDA

Garagenaufstockung als Experiment für zirkuläres Bauen

Doch mit Aufstocken und seriell Bauen waren es der Bauherrin Volkswohnung offensichtlich noch nicht genug innovative Ansätze. Mit Fördergeldern aus dem Programm „Innovativ Wohnen BW“ wollte man auch das zirkuläre Bauen ausprobieren – in der rechnerischen Theorie (Lebenszyklusanalyse, CO2-Bilanzierung und Global Warming Potential) und natürlich in der Praxis.

Der Bau verzichtet weitgehend auf Verklebungen und Kompositbaustoffe, Verbindungen erfolgten mit Schussschrauben statt mit ­Nägeln, der Wandaufbau (inklusive Hanfdämmung) kommt ohne Folien aus und Elektroinstallationen lassen sich dank Steckverbindungen trennen.

Wohnraum mit einem Tisch, an dem ein Pärchen sitzt

Die Wohnräume für die meist jungen Mieterinnen und Mieter befinden sich unter den Firsten.
Chiara Bellamoli für Volkswohnung GmbH

Recyclingfähige Materialien und rückbaubare Konstruktion

Briefkästen, Innentüren und ein Teil der Holzböden stammen aus einem Abrissgebäude der Volkswohnung aus den 1930ern. Die Fassade aus unlackiertem Titanzink ist recyclingfähig, was jedoch nur ein letzter Schritt wäre. So wie sie gebaut wurden, wären die Aufstockungen nämlich wieder demontierbar, um sie anderswo erneut zusammenzusetzen. Das könnte der Fall sein, wenn die Garagenhöfe irgendwann mal größeren Neubauten weichen sollten.

Garagenaufstockung mit Rasen davor

Die Aufstockungen liegen nicht direkt auf den Garagendächern auf, sondern auf einem Stahlrost zur Lastverteilung.
Chiara Bellamoli für Volkswohnung GmbH

Geförderter Wohnraum für junge Menschen

Auch bei der Belegung und gemeinschaftlichen Nutzungen haben die Aufstockungen für die Volkswohnung eine Sonderrolle, denn die teils geförderten Wohnungen (je Garagenhof drei Einzimmerwohnungen und eine Dreizimmerwohnung) gingen gezielt an Studierende, Azubis und Menschen „in Übergangsphasen des Lebens“. Statt privater Waschmaschinen nutzen die Mieter einen neuen Waschsalon im Keller eines der Bestandsbauten.

Baurecht verhindert oft das Bauen

Im Rückblick auf dieses bauliche und durchaus auch soziale Praxis-Experiment urteilt Falk Schneemann: ­„Tragfähigkeit, Brandschutz und sogar Abweichungen von Normen sind dank guter Fachplaner, Freistellungen oder Einzelfallzulassungen machbar. Aber das Baurecht ist oft das K.-o.-Kriterium.“


Garagenaufstockung in Aalen: ­Austragshaus neu definiert

Das drohte zunächst auch auf der Schwäbischen Alb in Aalen. Eine Bauherrin wünschte sich die Rückkehr zu ihrem Elternhaus – einem alten Forsthaus, in dem ihre Eltern noch heute leben. Doch das Forsthaus liegt im planungsrechtlichen Außenbereich, wo Neubauten ausgeschlossen sind.

Garagenaufstockung mit Holzfassade und großen Fenstern

Eine Privatgarage in Aalen wurde bei gleichbleibendem Fußabdruck zu einem großzügig auftretenden Wohnhaus.
Valentin Schmied

Bauen im Außenbereich möglich gemacht

Also richtete das Büro Liebel Architekten den Blick auf die zum Haus gehörende Dreifach-Garage. Könnte man diese nicht aufstocken und zu einer Art „Austragshaus“ machen? Ein Aspekt, der im § 35 BauGB „Bauen im Außenbereich“ für Familienangehörige als zulässig erwähnt wird.

Forsthaus an einem Waldesrand

So sah die Aalener Garage im Ursprungszustand aus, mit dem Forsthaus im Hintergrund.
privat

Garagenaufstockung nur unter Bedingungen

Bernd Liebel spricht zwar von einem langen Genehmigungsprozess, aber auch von Wohlwollen: „Das Bauamt wollte unsere Planung und damit den Wunsch der Bauherrin möglich machen.“ Aber es stellte Bedingungen: keine weitere Versiegelung und – weil direkt am Waldrand – ein Dach, das einem umstürzenden Baum standhält. Dieser Anforderung begegnete man an der Loggia mit einer ausdrucksstarken Variante des „Schwäbischen Mannes“ – eines regionalen Fachwerkmotivs.

Wohnraum mit Glasflächen, Holzdecke und Sichtbetonwand

Der Betonkern gliedert den Wohnraum, beherbergt Bad und Speisekammer und integriert platzsparend eine Sitzbank.
Valentin Schmied

Betonkern für Aussteifung und Gliederung

Ebenso spielt der neue Betonkern hierbei eine Rolle. Er sorgt nicht nur für Aussteifung und Speichermasse, sondern trennt auch das Schlafzimmer vom offenen Wohnbereich ab. Außerdem enthält er die Treppe, oben ein kleines Bad und eine Speisekammer sowie unten ein größeres Bad für den Eingangsbereich, der auch zum Arbeiten oder für Gäste genutzt werden kann. Nur eine der drei Garagen wird weiterhin als solche genutzt.

Garagenaufstockung als Explosionszeichnung

Die Explosionszeichnung zeigt den Aufbau der Garagenaufstockung.
Liebel/Architekten BDA

Kaum Angaben zur Tragfähigkeit der Garage

Weil die Garage vom Vater der Bauherrin einst selbst gebaut worden war, gab es nur vage Angaben zur Tragfähigkeit. Sicherheitshalber setzten die Architekten also vier neue Betonstützen vor die Vorderseite. Die Aufstockung auf der neuen Geschossdecke erfolgte in Holzständerbauweise mit Holzfaserdämmung.

Treppe zwischen Sichtbetonwänden und Kamin

Auch die Treppe befindet sich im Kern aus Stahlbeton.
Valentin Schmied

Natürliche Lüftung und wiederverwendete Dachziegel

Dass auch hier keine Folien zum Einsatz kamen, bezeichnet Bernd Liebel als „Standard“ und verweist lieber auf das natürliche Lüftungskonzept und den sommerlichen Wärmeschutz: Gekippte Fenster in den Wohnräumen und geöffnete Dachfenster über der Treppe sorgen für nächtliche Auskühlung durch den Kamineffekt. Im Winter wird das Garagenhaus durch die Pelletheizung im Forsthaus mitversorgt.

Und auch hier ein Ansatz für zirkuläres Bauen: Die Biberschwanzziegel der Garage finden sich – durch die Bauherren selbst geborgen und gereinigt – auf dem neuen Dach wieder.

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