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[ Drei Generationen ]

Einfamilienhäuser aufstocken: neuer Wohnraum auf dem Dach

Wohnraum schaffen, ohne dass zusätzlich Fläche verbraucht wird oder Erschließungskosten anfallen? Das Zauberwort heißt: Aufstockung! Sie bietet ganz neue Chancen für in die Jahre gekommene Einfamilienhäuser, für junge Familien und für Eltern, die ihre Wohnfläche reduzieren wollen

Dieser Beitrag ist unter dem Titel „Aus eins mach zwei“ im Deutschen Architektenblatt 07.2023 erschienen.

Diese Drei Beispiele für Aufstockungen stellen wir vor:

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Von Eva Kafke

Aufstocken in Mainz: Bungalow wird verdoppelt

Bis vor zwei Jahren präsentierte sich das Wohnhaus von Familie K. in Mainz als typischer massiv gemauerter Bungalow aus den 70er-Jahren, mit einer Riemchen-Fassade und einem Walmdach. Heute zieht das Gebäude durch seinen ungewöhnlichen Baukörper die Blicke auf sich. Architekt Christoph Perka aus Wörrstadt hat nach dem Rückbau des alten Daches ein kompaktes Obergeschoss in modernem Stil samt Flachdach aufbauen lassen – das neue Zuhause für die Tochter der Eigentümer und ihre junge Familie.

Zentrale Vorgaben der Bauherren waren: Die untere Etage sollte möglichst unangetastet bleiben, die obere sich gestalterisch deutlich vom Bestandsgebäude loslösen. Da war es hilfreich, dass die Decke zwischen Erdgeschoss und Dachraum aus Beton bestand, wie Perka berichtet. „So konnten wir das alte Dach abreißen, die Betondecke direkt abdichten und die Abdichtung ein wenig über die Bestandsfassade ziehen.“

Damit hatten sie viel Bewegungsfreiheit bei der Konstruktion des oberen Geschosses, ohne das Erdgeschoss und die Bewohner dort zu beeinträchtigen. Die Aufstockung wurde vor Ort in Ständerbauweise errichtet. So konnte der Zimmermann die Konstruktion an schwierigen Übergängen – etwa an einem großen Stahlträger – optimal vor Ort anpassen. Das wäre mit einem Aufbau aus vorgefertigten Holzbauteilen (der ursprünglich geplant war) nicht möglich gewesen.

Klare Trennung der Wohneinheiten

Wichtig war den Bauherren die klare Trennung der beiden Wohneinheiten. Der Familie war sehr bewusst, dass sie in dem Mehrgenerationenhaus eng beisammen sein würde – und jede Kernfamilie trotzdem ihre Privatsphäre braucht. „Es stand von Anfang an fest, dass dies durch einen Zugang zum Obergeschoss von außen realisiert werden sollte“, erklärt der Architekt. Die Eingangstür zur oberen Wohnung ordnete er direkt über der des Erdgeschosses an. Der Austritt davor dient damit zugleich als Vordach nach unten. In der Planung diskutierte Christoph Perka mit der Familie verschiedene Treppenvarianten. „Letztlich fiel die Entscheidung auf eine Wendeltreppe“, erzählt er, „um den gemeinsamen Eingangsvorplatz möglichst kompakt nutzen zu können.“

140 Quadratmeter neuer Wohnraum

Die neu entstandene, knapp 140 Quadratmeter große Wohneinheit kostete netto 2.215 Euro pro Quadratmeter. Sie hat einen rechteckigen Grundriss. Ein Gebäudeknick des Bestandsbaus schafft oben zusätzlich Raum für eine dreieckige Loggia. Sie geht in einen Balkon über, der mit einer zweiten Wendeltreppe den schnellen Zugang zum Garten eröffnet. „Beim Übergang des Balkonbelages zu den Fassaden hatten wir den gestalterischen Anspruch, durch den Verlauf der Fugen eine Verbindung zwischen den beiden Bauteilen zu schaffen“, erzählt Christoph Perka. Frontal betrachtet, gehen Loggia und Balkon mit ihren schwarzen Bodenplattenkanten und dem schlichten schwarzen Metallgeländer optisch in die Fassade des Obergeschosses über. 

Bauliche Klammer zwischen Neu und Alt

Die bauliche Klammer zwischen Neu und Alt bilden die Außenwände des Erdgeschosses, die im Obergeschoss konsequent fortgeführt wurden. Nur die südwestliche Seitenwand der Loggia ist geöffnet. Dank der durchgängigen Überdachung ist die Terrasse jedoch integraler Bestandteil des Baukörpers. Und auch bei der Anzahl und Segmentierung der Fenster im Obergeschoss hat Architekt Christoph Perka die Vorgaben des Bestandes aufgegriffen und Parallelen geschaffen. So sind die alte und die neue Einheit bei aller architektonischen Abgrenzung gestalterisch sorgsam zu einem Ganzen verzahnt.

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Aufstocken im Ostallgäu: Eltern verkleinern Wohnfläche

Eine ähnliche Ausgangssituation wie Christoph Perka in Mainz fand Alexander Nägele vom Memminger Büro SoHo Architektur bei einem Bauvorhaben im Ostallgäu vor. Seine dortige Aufstockung eines Einfamilienhauses würden Laien jedoch nicht einmal als solche wahrnehmen – so aus einem Guss wirkt das neu entstandene Zweifamilienhaus. Es schafft ein neues Zuhause für die vierköpfige Familie des Sohnes der Eigentümer, denen ihr Heim zu groß geworden war. Sie wollten sich daher auf das rund 115 Quadratmeter große Erdgeschoss beschränken.

Dass darüber aufgestockt werden würde, war dabei nicht gleich klar. „Anfangs haben wir auch diskutiert, das Gebäude durch einen ebenerdigen Anbau zu erweitern“, erinnert sich der Architekt. „Doch wir wollten keine zusätzliche Fläche bebauen und den Garten nicht verkleinern.“ Zugleich habe es sich angeboten, die vorhandene In­frastruktur im Gebäude zu nutzen. Und schließlich sei die Aufstockung, die am Ende mit ­Nettobaukosten von 2.600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche zu Buche schlug, die kostengünstigere Variante gewesen.

Aufstockung in Massivholzbauweise

Das hatte allerdings einen Haken: Die Wohneinheit im Obergeschoss war aufgrund des niedrigen Kniestocks mit einer nutzbaren Grundfläche von 65 Quadratmetern für das gewünschte Raumprogramm zu klein. Alexander Nägele ließ deshalb das gesamte Obergeschoss – bis auf die Seitenwände des Treppenhauses – abbrechen und mit Massivholzelementen neu aufbauen. Das entsprach zum einen dem Wunsch der Bauherren nach der Verwendung von natürlichen Materialien, zum anderen war die Aufstockung nur dank der Leichtigkeit des Holzes statisch überhaupt realisierbar.

Vergleichsweise einfach lösen ließ sich hingegen der Zugang zu der neuen Wohneinheit: Vom Windfang hinter der Hauseingangstür führte bereits eine Bestandstreppe ins Obergeschoss. Eine neu eingebaute Wohnungstür am Treppenkopf sorgt hier jetzt für Abgeschlossenheit. Zusätzlich gibt es wie in Mainz eine Treppe vom Balkon in den Garten.

Charakteristisch für das Ortsbild

Das neue Obergeschoss hat nun mit 95 Quadratmetern eine deutlich größere Grundfläche als zuvor und ist besser nutzbar. „Dabei haben wir die Dachneigung erhalten, die Kniestockwände um circa einen Meter erhöht und außerdem einen Zwerchgiebel über einen großen Teil der Südseite des Gebäudes, direkt über einer großen Fensterfront im Erdgeschoss, errichtet“, beschreibt Alexander Nägele.

Die massiv gemauerte und verputzte Fassade wird nun im Obergeschoss mit einer hinterlüfteten Holzfassade fortgeführt. Genau wie die Dachform und der Zwerchgiebel ist sie charakteristisch für das Ortsbild. Im Ergebnis ist mit dieser Aufstockung nicht nur auf nachhaltige Weise zeitgemäßer neuer Wohnraum entstanden, sondern auch ein schlüssiges Beispiel harmonischer innerörtlicher Verdichtung gelungen.

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Aufstocken in München: Mehr Wohnfläche in zwei Richtungen

Nicht immer reicht jedoch die Grundfläche eines Einfamilienhauses aus, um alle notwendigen Räume für die Bauherren auf einer Etage anzuordnen. Dann kann eine Aufstockung in Kombination mit einem Anbau eine Lösung sein. Ein solches Vorhaben hat Architekt Tino Tschichholz in München für seine Schwiegereltern und seine junge Familie umgesetzt. „Die bisherigen alleinigen Bewohner des Gebäudes wollten mit dem Umbau drei Ziele realisieren: Sie wollten die Nutzfläche ihrer Wohneinheit verkleinern, alle Räume barrierefrei und außerdem die Raumanordnung effizienter gestalten“, fasst der junge Architekt seinen Auftrag zusammen.

An der Westseite des frei stehenden Einfamilienhauses aus den 80er-Jahren ließ er dafür zwei Wohnräume und ein Badezimmer anbauen. Das Gäste-WC wanderte vom Hauseingangsbereich ebenfalls in den neuen Gebäudeflügel. Die Berechnung und die optimale Ausnutzung der baurechtlichen Abstandsflächen zu den Nachbargrundstücken waren mit die größten Schwierigkeiten des ­gesamten Umbaus.

Beim Bauamt gescheitert

Nun ist die Erdgeschosseinheit über eine neue eigene Wohnungstür vom Treppenhaus zugänglich, die Obergeschosseinheit ebenfalls. Wie in Mainz und im Ostallgäu war allen Beteiligten die komplette Trennung der beiden Wohneinheiten wichtig – „falls es doch nicht so funktioniert mit dem häuslichen Frieden“, schmunzelt der Architekt – aber auch, um langfristig flexibel zu sein, möglicherweise später eine der Wohnungen vermieten zu können.

Durch den zweigeschossigen Anbau entstand auch im Obergeschoss zusätzliche Fläche. Doch die war – zumindest in Kombination mit dem vorhandenen Dachgeschoss – immer noch zu klein für die Familie. Zugleich musste für den neuen Anbau eine Dach-Lösung gefunden werden. Mit der Idee, das alte Dach zurück zu bauen und einen kubischen Baukörper auf das Obergeschoss zu setzen, scheiterte Tino Tschichholz beim Bauamt. Am Standort gibt es keinen Bebauungsplan, sodass sich die Bebauung gemäß § 36 BauGB nach der Nachbarschaft richten muss. Ein quaderförmiger Aufbau wurde als drittes Vollgeschoss interpretiert und daher nicht genehmigt.

Außenwände als Dachflächen

Also entwarf der Architekt ein polygonales Dachgeschoss, das er in Holzbauweise versetzt über den Bestandsbaukörper und den neuen Anbau hochziehen ließ. Die vier Außenwände wurden als Dachflächen behandelt, mit sehr steilen Winkeln zwischen 54 und 68 Grad und einer dachtypischen Materialität aus Stehfalzpaneelen.

Die gesamte Aufstockung, die die zwei Bauherren-Familien 2.510 Euro netto pro Quadratmeter kostete, fiel damit völlig anders aus als ursprünglich gedacht. „Aus heutiger Sicht muss ich sagen: Zum Glück“, betont der Architekt. „So ist eine architektonisch viel spannendere Struktur entstanden.“

Im Grunde gilt das für alle drei Aufstockungsbeispiele: Sie schaffen nicht nur Wohnraum, sondern haben sowohl architektonisch als auch sozial eine belebende Wirkung – für die Familien, aber auch für die Nachbarschaft.

Alle Beiträge zum Thema finden Sie in unserem Schwerpunkt „Wohnen“.

1 Gedanke zu „Einfamilienhäuser aufstocken: neuer Wohnraum auf dem Dach

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